(aus Spiegel)
70 Jahre Citroën 2CV
Sie war die wackligste Erfindung,
seit es Autos gibt: Als der erste 2CV von Citroën 1948 erschien, sollte
er vor allem billig sein - und wurde unerwartet Kult.
Vier Räder, neun PS, maximal 70 Stundenkilometer - und tausend Abenteuer: Nichts weniger als eine Automobilrevolution stellte der französische Hersteller Citroën am 7. Oktober 1948 auf dem Pariser Autosalon der staunenden Öffentlichkeit vor. Und das sicher nicht, weil ihr neues Modell 2CV raffinierter, stärker oder schneller als die Konkurrenz gewesen wäre. Sondern, weil es so spartanisch war.
Die Grundvorgabe für die Konstruktion lautete: "Ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln (...) bietet, mindestens 60 Kilometer pro Stunde fährt und nur drei Liter auf 100 Kilometer verbraucht". Heraus gekommen war eine Blechdose auf Rädern mit aufrollbarem Dach und dem Kurvenverhalten eines betrunkenen Dromedars. Aber billig war sie - und sparsam. Das reichte.
Bei der Presse stieß das Mobil auf durchwachsene Reaktionen: "Eine Konservendose, Modell freies Campen für vier Sardinen", ätzte das französische Satireblatt "Le Canard enchainé" über den 2CV. Und ein niederländischer Journalist schuf ausgerechnet mit dem Ausdruck seiner Verachtung den Kosenamen, unter dem der Wagen für die nächsten Jahrzehnte die Herzen tausender Fahrer erobern würde: "Ein hässliches Entlein".
Nicht, dass je ein Entenfahrer seinen Schatz als "hässlich" bezeichnet hätte. Seiner Ente gab man einen Namen wie einem eigenen Kind. Montierte kleine Gummienten als Galionsfigur auf die geschwungene Motorhaube. Oder verschönerte die hochklappbaren Fenster mit selbstgehäkelten Gardinen. Die "Ente" war nicht einfach ein Auto, sie war ein Statement gegen den Konsumwahn, das erste bisschen Freiheit, dass man sich auch als Bettelstudent leisten konnte, und vor allem: ein Stück blechgewordene Liebe.
Mein Endlichen-erwachsen-Vehikel
Katja Iken, einestages-Redakteurin
Welche Farbe hat die Freiheit? Feuerwehrrot. Leuchtend stand sie vor mir, im Juni 1995, meine erste und einzige Liebe auf vier Rädern. Mein Endlich-erwachsen-Vehikel - und erstes großes Finanz-Desaster.
Hunderte Stunden Inventur bei OBI ermöglichten mir im Juli 1995 den Kauf einer Ente in einem Schwarzwälder Kaff. Baujahr? Mängel? Alles egal. Geblendet von ihrer Schönheit, vergaß ich, Geschichtsstudentin im vierten Semester, sogar zu handeln.
Für 1800 Mark gehörte sie mir, dem Landei, das nie zuvor ein Auto besessen hatte, ja nicht einmal einen Freund mit Auto. Vorbei das Trampen, vorbei der Mitfahrgelegenheits-Horror in verrauchten Rostschüsseln: Ab sofort war ich mobil, unabhängig. Überglücklich.
Wie stark ich mich fühlte, als ich das erste Mal mit ihr umzog. Mein gesamtes Eigentum passte in den 2CV, inklusive Sitzsack und Yucca-Palme. Nach Frankreich bin ich geschaukelt, um ein Jahr lang an einer Schule zu unterrichten. Mit 105 Stundenkilometern Spitze - bergab, mit Rückenwind - flogen wir unserem Ziel entgegen.
Nichts konnte meine Enten-Euphorie erschüttern, weder der Kolbenfresser noch die Eiseskälte im Winter. Ein paar Mal haben meine Schüler versucht, das Wackelmobil umzuwerfen, mit mir am Steuer. Ich tat ihnen den Gefallen und simulierte Todesangst. Dabei wusste ich: Die kippt nie um.
Katja Iken
Katja Iken neben ihrem Citroën 2CV ClubDer Automechaniker, schwarzer Zopf, Blaumann, legte sich unter den Wagen. Und spuckte 15 Sekunden später die vernichtende Diagnose aus: Chassis durch, Totalschaden, Unfallwagen, nur notdürftig geschweißt. "Parken Sie da hinten, dann sparen Sie sich die Verschrottungsgebühr."
Jetzt nur nicht heulen, dachte ich. Und tat wie mir befohlen. Dann stieg ich aus, streichelte meine Ente ein letztes Mal, wankte vom Hof. Wie benommen lief ich durch die Straßen. An einer Bude spülte ich meine Verzweiflung mit dem ersten Jägermeister meines Lebens runter. Und tat, was ich stets tat in allergrößter Not: meine drei Brüder anrufen.
Einer rettete mich schließlich aus der Darmstädter Vorstadthölle. Wir fuhren zum Griechen, wo ich einen großen Gyros-Teller aß und beschloss: Das Leben muss auch ohne Ente weitergehen, irgendwie. Ist es ja dann auch.
Trotzdem: Auch nach 22 Jahren gibt es eine mindestens erbsengroße Region in meinem Herzen, die für immer meiner feuerwehrroten Ente gehört.
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