Mittwoch, 25. Juli 2018

Sauberkeit hemmt die Verschmutzer

«Eine sogenannte Verantwortungsdiffusion»
Wieso diese einfach achtlos draussen liegen gelassen werden, weiss Jürg Artho. Er leitet die Sozialforschungsstelle des Psychologischen Instituts der Universität Zürich: «Es handelt sich dabei um eine sogenannte Verantwortungsdiffusion.» Die Leute denken: Wenn andere ihren Müll nicht wegräumen, muss ich das auch nicht. «Man kommt sich schnell blöd vor, wenn man der Einzige ist, der sich Mühe gibt und etwas Gutes für die Allgemeinheit tut. Man steckt in einem sozialen Dilemma.» Das Resultat: Bald sammelt keiner mehr den Abfall zusammen.
Den Typ «Sommergüselgrüsel» gebe es dabei aber nicht – jeder unterliege bis zu einem gewissen Masse diesem Mechanismus, so Artho. Das Problem auf die Jungen abschieben, zähle auch nicht, obwohl bei ihnen zu beobachten sei, dass sie allgemein unüberlegter handelten, Grenzen ausloteten und ein unangepassteres Verhalten hätten – auch im Bezug auf Littering. Auch sei der Gruppendruck bei Jugendlichen ausgeprägter. Doch einer grundsätzlich anderen Persönlichkeit als bei älteren Leuten sei dies nicht geschuldet. «Es ist einer der Antriebe der Menschen, zu machen, was andere auch machen.» Bei Erwachsenen werde dieser Trieb sogar gerne unterschätzt.
Je weniger Müll, desto grösser die Hemmungen
Wie ist dem unordentlichen Treiben beizukommen? Mit einer Umkehrtaktik. ERZ reinigt gezielt nach Zeiten, in denen viel los war, und vor der nächsten Welle an Parkbesuchern oder Seeflanierern. «Je sauberer es ist, desto mehr Hemmungen haben die Leute, etwas liegenzulassen», sagt Filli.
Auch Bussen sind möglich, für den Fall, dass jemand den öffentlichen Raum verschmutzt. Diese können allerdings nur durch die Stadtpolizei und nicht durch den Reinigungsdienst ausgestellt werden. Mit Verboten und Sanktionen sei laut Artho sowieso sparsam umzugehen. «Denn übermässig viele Verbote können dazu führen, dass die Menschen sich nicht mehr am gesundem Menschenverstand und am Gemeinschaftssinn orientieren.» Stattdessen würden sie alles als ausdrücklich erlaubt verstehen, was nicht ausdrücklich verboten sei.
Was eher helfe als Verbote: eine gute Erziehung. Diese lege generell den Grundstein dafür, wie stark der Solidaritätsgedanke einer Person ausgeprägt sein wird. Auch dieser Prozess sei natürlich Zeiten unterworfen, in denen man sämtliche Prinzipien über Bord werfe, zum Beispiel in der Pubertät. Doch mit dem Denken an die Gesellschaft und dem Litteringproblem sei es oft wie mit dem Wandern: «Früher musste ich, dann wollte ich nicht mehr, heute gehe ich wieder.» (Tages-Anzeiger)

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