Selbst - das Zauberwort zum Jahreswechsel
Von Marcus Knill (*)
Viele Schlüsselworte, wie Selbstkritik, Selbstmanagement, Selbstbeurteilung,Selbsterkenntnis,
Selbsterfahrung, Selbstsicherheit, Selbstkompetenz, Selbstmotivation,
Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, Selbstregulierung verdeutlichen,
dass wir nicht immer auf Berater angewiesen sind und viel mehr selbst
tun können, um uns zu verbessern.
Es
gibt bewährte, hilfreiche Werkzeuge, die uns befähigen, uns selbst zu
managen, im Beruf, in den Beziehungen, in der Kommunikation, im ganzen
Leben. Die Fähigkeit, an sich selbst zu arbeiten ist lernbar. Das Wort
Selbst kommt vom griechischen «Autos». Was aber nicht heisst, dass wir
die angestrebte Selbstkritikfähigkeit oder die wichtige
Selbstbeurteilung automatisch umzusetzen verstehen. Es ist jedoch erstaunlich, wie gut wir unser Umfeld, die Mitmenschen oder unser Team beim Verbesserungsmanagement –
auch ohne Berater – nutzen können. Nachfolgend einige der wichtigsten
Erkenntnisse des Selbstcoachings – als Antworten auf die Frage: Wie
verbessere ich mich selbstständig?
1. Eigene Stärken und Schwächen kennen
Wer
sich selbst kennt, kann sich besser einschätzen und ist auch motiviert,
sich selbst zu verbessern. Die Konfrontation mit dem eigenen Ich – vor
allem dank des «Spiegelns» (Tonband, Video, Hofnarr, offene
Rückmeldungen) – führt zur Selbsterfahrung (Wie wirke ich auf andere?
Was stört andere?). Nur so kann ich meine Stärken «stärken» (festigen)
und meine Schwächen «schwächen» (reduzieren).
2. Selbstbeurteilung führt zur Selbstmotivation
Wer
bereit ist, sich selbst zu verbessern, verzichtet auf
Selbstschutzbehauptungen und Rechtfertigung. Es lohnt sich, bei
Mitarbeiter- und Beurteilungsgesprächen oder Analysen immer mit der
Selbstbeurteilung zu beginnen. In einem privaten Gymnasium habe ich
erlebt, wie die Schülerinnen in einem halben Jahr befähigt wurden, ihre
eigene Leistung selbst treffend zu beurteilen. Erstaunlich war für mich,
wie sie innert weniger Monate gelernt hatten, die Balance zu finden
zwischen Selbstüber- und -unterschätzung. Im Alltag mangelt es leider
vielfach an der Fähigkeit, sich selbst zu beurteilen. Viele Berater und
Ausbilder können bestätigen, dass die Selbstkritikfähigeit eine wichtige
Voraussetzung ist, um effizienter zu lernen und sich weiter zu
entwickeln.
3. Sei Du selbst
Das Ziel, sich selbst zu bleiben, ist keine triviale Hohlformel. Obschon die Formel einfach
klingt, ist sie im Alltag vor allem in schwierigen Situationen (bei
Überraschungen oder Stresssituationen) nicht leicht umzusetzen. Bei
Medienauftritten oder Präsentationen spielen wir uns leider allzu gerne
etwas vor. Wer gelernt hat, auch unter Druck er selbst zu bleiben, hat
etwas vom Wesentlichen bei Überzeugungsprozessen erfasst.
4. Für Probleme, die der Partner, der Untergebene oder der Vorgesetzte verursacht,muss er selbst eine Lösung finden.
Täglich
stellen wir im Alltag, in der Ehe, in Schulen oder Betrieben fest, dass
bei Problemen von «oben» vorschnell Ratschläge erteilt werden, die
leider oft als Schläge empfunden werden, anstatt den Teamkollegen oder
den Partner (als Problemverursacher) zu fragen, wie er selbst das
Problem lösen würde. Wer eine Lösung selbst sucht, wird diese selbst
dann besser finden als die aufgezwungene, auch wenn die selbst gefundene
(vielleicht komplizierte) Lösung mit einem Umweg verbunden sein sollte.
Vorgesetzte sehen sich bei Problemen zu oft in der Rolle einer
«Geburtshelferkröte». Ist jemand beispielsweise ständig verspätet,
sollte er selbst herausfinden, wie er künftig pünktlich sein könnte.
Nicht der Vorgesetzte muss den Weckdienst organisieren. Eine Lehrerin, die einen Schüler dazu gebracht hatte, selbst eine Lösung zu finden, damit er künftig pünktlich erschien, intervenierte nicht, als das Kind eine komplizierte Vorrichtung gebastelt hatte, die ihm Wasser auf den Kopf träufelte. Diese eigene Lösung des Problems – wenngleich nicht ideal – führte zum Erfolg.Der Problemverursacher akzeptierte seinen selbstgefundenen Vorschlag, dasgewünschte Ziel wurde damit rascher erreicht und der Schüler in seinem Selbstbewusstsein gestärkt.
5. Empowerment erhöht die Selbstbestimmung
Mit
Empowerment sind nach Wikipedia Strategien und Massnahmen gemeint, die
geeignet sind, den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften zu erhöhen und die es ermöglichen, Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten. Empowerment
bezeichnet dabei sowohl den Prozess der «Selbstbemächtigung» als auch
die professionelle Unterstützung der Menschen, ihr subjektives Gefühl
der Macht- und Einflusslosigkeit zu überwinden und ihre
Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen.
Wörtlich übersetzt bedeutet Empowerment Ermächtigung oder
Bevollmächtigung. Der
Begriff Empowerment wird auch für einen erreichten Zustand von
Selbstverantwortung und Selbstbestimmung verwendet; in diesem Sinn wird
im Deutschen der Begriff Empowerment gelegentlich auch als
Selbstkompetenz bezeichnet – ich lerne, meine eigene Strategie zu
verfolgen. Begriffe wie Selbstverantwortung, Selbstregulierung kennen
wir auch beim Resilienztraining (Training,
das uns hilft, Niederlagen zu überwinden; Prinzip des
«Wiederaufstehmännchens»). Es geht um die Fähigkeit der Selbstführung
(ich verweise auf den ALPHA-Beitrag vom 21.4.12 von Annette Rath).
Selbstbestimmung fördert auch das Selbstbewusstsein und das
Alleinstellungsmerkmal – die USP (Unique Selling Proposition), das
Merkmal, das Sie als einzigartig von allen anderen unterscheidet.
6. Selbstcoaching mit richtigen Bildern fördern
Oft sind wir auf uns selbst angewiesen. Passende Bilder können uns positiv steuern, die
Visualisierung kann unsere Lernprozesse bei
Verhaltensverbesserungs-prozessen beschleunigen. Bilder können uns ohne
fremdes Zutun beeinflussen. Ein Coach, der nach dem Prinzip «Hilfe zur
Selbsthilfe» arbeitet, ist fähig, dem Coaché Lernbilder zu vermitteln,
die ihn befähigen, selbst an sich zu arbeiten. Wenn es dem Berater
gelingt, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, erreicht er schnellere und
nachhaltigere Verbesserung. Ich habe jahrelang mit Spitzensportlern gearbeitet
und dabei festgestellt, dass die Mentaltrainer und Coaches ihren
anvertrauten Athleten Lernbilder mitgaben, die geholfen haben, im
Wettkampf selbstständig die richtige Stimmung abzurufen. Selbstcoaching
heisst eigentlich: Sich (ein-) bilden. Bilder überzeugen mehr als Worte.
Nur Worte, die Bilder auslösen, wirken nachhaltig. Diese Erkenntnis
wird bei Argumentations-, Überzeugungs- und vor allem bei Beeinflussungsprozessen (Werbung,Motivation)
genutzt. Wer Kleinkindern beim Spielen zuschaut und wer Gelegenheit
hat, Kindern im Vorschulalter Geschichten bildhaft zu erzählen, stellt
immer wieder fest, wie rasch sie sich in die vermittelten
Phantasiebilder hineinversetzen können. Ich habe im Studium erlebt, wie ein Patient mit Hypnose behandelt und dank suggestiver Bilder in den gewünschten Zustand versetzt wurde. Bei Bildungsprozessen spielen Lernbilder eine zentrale Rolle, wenn es darum geht,Abläufe,
Einstellungen oder Verhaltensweisen selbst zu verbessern. Leider sind
sich viele Ausbilder zu wenig bewusst, dass sie den Lernenden das
passende Lernbild vermitteln sollten. Ein guter Ausbildner ist im Grunde
genommen keine Lehrperson, die
den Lernenden Bilder aus den Köpfen nimmt, sondern die ihnen passende
Lernbilder vermittelt (sie einbildet), damit die Lernenden die
Lernprozesse selbst festigen können.
Fazit: Oft ist es nicht fehlendes Wissen, sondern reine Bequemlichkeit, Probleme oder Fragen selbst, d.h. aus eigenem Antrieb und durch eigene Mühen zu lösen. «Selbst
ist der Mann» gilt nach wie vor – und zwar für Frauen und Männer.
Entscheiden auch Sie nach dieser Lektüre selbst, welche der erwähnten
Impulse für Sie
sinnvoll sein könnten .Die Erkenntnis, bei den Mitarbeitern die
entsprechende Selbstmotivation anzuregen und zu vertiefen, dem Lernenden
zur Selbsterkenntnis zu verhelfen, sollte das Ziel jedes Vorgesetzten
sein.
(*)
Marcus Knill (www.knill.com) ist Experte für Medienrhetorik und
analysiert und coacht seit Jahren Persönlichkeiten aus Wirtschaft,
Politik und Bildung. Er ist in der Öffentlichkeit bekannt als Autor der
virtuellen Navigationsplattform www.rhetorik.ch
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