Samstag, 24. Dezember 2016

Merkels Beschönigungen sind kontraproduktiv

Nach der Tötung des mutmasslichen Täters in Berlin mit 12 Toten und 50 Verletzten lobt Merkel die gute internationale Zusammenarbeit.

Dabei zeigt sich heute:

- die Koordination im Schengen Raum funktioniert nicht. Kriminelle Taten von Asylanten wurden nicht weitergeleitet.

 - Die Ausschaffung krimineller Migranten funktioniert nicht.


-  Die Verantworltichen weisen darauf hin, dass die registrierten zahlreichen Gefährder nicht überwacht werden könnten. Pro Person bräuchte es zehn Ueberwacher.
Da sei heute der Staat überfordert.
Dass die Willkommkultur mit beigetragen hat, dass die Anzahl so hoch ist, kann aber niemand bestreiten.

- Merkel geht mit keinem Wort auf die Unzulänglichkeiten ein, die beim jüngsten Fall nachgewiesen werden können.
Sie sagt nur, der jüngste Vorfall werfe Fragen auf.
Wo Veränderungen notwenig sind, würde dies  zügig vorangetrieben.
Weshalb die Anpassungen (beispielsweise bei den Ausschaffungspannen) nicht schon vorher angepackt worden sind, wird recht plump übertüncht.

Meine Prognose: Merkel muss mit einem eisigen Gegenwind rechnen, der ihr vor den nächsten Wahlen heftig ins Gesicht blasen wird.

Zu den Pannen:

Bei der Suche nach dem Attentäter vom Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gab es eine Panne. Nach rbb-Informationen konnten die Berliner Ermittler am Mittwoch geplante Hausdurchsuchungen nicht durchführen, weil die nötigen Gerichts-Beschlüsse fehlten.

Aus NZZ:

NUN BEGINNT DIE DEBATTE DER UNTERLASSUNGSSUENDEN DER DEUTSCHEN
TERRORBEKAEMPFUNG

Nun ist eingetreten, was die Regierung in Berlin insgeheim befürchtete, worüber zu sprechen sie sich aber lange weigerte: dass sich die latente Gefahr eines Attentats mit vielen Opfern in blutige Wirklichkeit verwandelt; dass Terroristen dort zuschlagen, wo offene Gesellschaften am verletzlichsten sind, im Herzen ihrer Städte. Keine Panikmache, keine unnötige Verunsicherung lautete bisher die Devise einer Politik, die den Anspruch auf Besonnenheit erhob, aber stets auch den Keim der Realitätsverleugnung in sich trug. So fiel es Innenminister Thomas de Maizière noch am Montagabend sichtlich schwer, das Wort Anschlag überhaupt in den Mund zu nehmen, so, als könne nicht sein, was nicht sein dürfe.

Angela Merkel während des Trauergottesdienstes in der Gedächtniskirche in Berlin. (Bild: Hannibal Hanschke / Keystone )


Aber alle Besonnenheit wird nicht helfen. Die Schreckensszenen auf dem Breitscheidplatz mit ihrem mutmasslich islamistischen Hintergrund werden unweigerlich durch das Prisma der deutschen Flüchtlingspolitik gesehen. Die Regierung muss die Frage beantworten, ob sie mit ihrer unbedachten Grenzöffnung im Herbst 2015 die Sicherheit des Landes gefährdet hat.

Immer jünger und radikaler

Natürlich ist der Vorwurf in mancher Hinsicht ungerecht und polemisch, weil sich Deutschland bereits seit der Jahrtausendwende im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus befindet. Die Attentate des 11. September 2001 wurden in Hamburg vorbereitet, wenig später richteten sich die ersten Anschlagspläne auch gegen Deutschland selbst. Sie konnten durch unermüdliche Fahndungsarbeit und viel Glück meist vereitelt werden.
Als dann die Zahl der jungen Männer und Frauen, die in den Jihad zogen, immer grösser wurde, war jedoch alsbald klar, dass sich die anschwellende Gruppe fanatisierter und ausgebildeter Gewalttäter nicht immer beherrschen lassen würde. Die Bundeswehr beteiligt sich ferner am Abwehrkampf gegen den Terrorismus in Afghanistan und in geringem Umfang auch im Nahen Osten und in Afrika. Deutschland steht als europäische Führungsmacht und wichtiges Nato-Mitglied weit oben auf der Liste potenzieller Ziele. Diese Bedrohung existiert seit Jahren, unabhängig von der forcierten «Willkommenskultur».
Genauso offenkundig ist aber, dass der Zustrom an kaum überprüften Migranten aus dem Nahen Osten und Südasien, von Syrien bis Afghanistan, grosse Risiken birgt. In diesen Tagen machte noch einmal ein gewöhnliches Gewaltverbrechen deutlich, in welch dramatischer Weise die Behörden in allen EU-Ländern den Überblick über die Wanderungsbewegungen verloren haben. Der Vergewaltiger und Mörder einer Studentin in Freiburg im Breisgau, ein angeblich minderjähriger Afghane, war bereits in Griechenland inhaftiert, kam dann aber vorzeitig gegen Auflagen frei und verschwand wie Tausende andere vom Radar der Strafverfolger. Doch nichts zersetzt das Vertrauen der Bürger in die Sicherheit ihres Gemeinwesens nachhaltiger als staatlicher Kontrollverlust.

Mit Messer, Axt und Bombe

Polizeibehörden und Nachrichtendienste beunruhigten zum einen die Einzeltäter, die in diesem Jahr mit Axt, Messer oder selbstgebasteltem Sprengsatz auf ihre Mitmenschen losgingen. Dem «Islamischen Staat» gelingt es, entwurzelte Migranten, in der Bundesrepublik aufgewachsene junge Muslime und Konvertiten über die sozialen Netzwerke anzusprechen, aufzuhetzen und bei der Vorbereitung ihrer Taten anzuleiten. Die Täter werden immer jünger und immer radikaler. Vor kurzem versuchte ein Zwölfjähriger, eine mit Nägeln gespickte Bombe auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen zu zünden. Eine ganze Generation junger Muslime droht Opfer einer menschenverachtenden Ideologie zu werden.
Genauso zu denken gab den Diensten aber auch eine in Norddeutschland ausgehobene Schläfer-Zelle junger Islamisten, die der IS in Syrien angeworben und nach Deutschland geschickt hatte. Die Terrororganisation machte sich wie bei den Attentaten in Paris vor Jahresfrist zunutze, dass sie im Strom der Flüchtlinge unerkannt eigene Rekruten in die Zielländer schleusen kann. Man vertraut also nicht nur auf zufällige Kontakte zu radikalisierten Jugendlichen, sondern versucht, wie in Belgien militante Netzwerke aufzubauen.
Seine Doppelnatur – die Fähigkeit, wirre Einzeltäter an sich zu binden, und gleichzeitig die professionelle Struktur – macht den «Islamischen Staat» besonders gefährlich. 
In seiner Propaganda gibt er regelrecht Tipps für Attacken, etwa mit Lastwagen wie in Nizza, und er nutzt die Massenmigration für politische Zwecke. In Europa soll Verunsicherung geschürt und der Kulturkampf zwischen Orient und Okzident provoziert werden.

Politische Abwehrreflexe

Die Bundesregierung und mit ihr anfangs die Mehrheit der Medien spielten die Sicherheitsrisiken so lange als möglich herunter, um den Gegnern der Flüchtlingspolitik keine Munition zu liefern. Die Chefs der Bundespolizei und des Bundesverfassungsschutzes, die zu den hartnäckigsten Kritikern der Grenzöffnung zählten, standen kurz vor der Entlassung. Monatelang erklärte es besonders der staatliche Rundfunk geradezu zur Bürgerpflicht, für ein «weltoffenes» Deutschland einzutreten. Wer Zweifel äusserte, sah sich schnell in die rechte Ecke gestellt.
In diese Abwehrhaltung mischt sich aber auch das in Deutschland traditionell grassierende Misstrauen gegen die Geheimdienste, in denen man zuallererst die potenziellen Gefährder der Freiheit, nicht aber die Garanten der Sicherheit sieht. Merkels Kanzleramt hält seit je ostentativ Distanz zu den Nachrichtendiensten, obwohl es für die Aufsicht über diese zuständig ist.
Das Thema innere Sicherheit wird die Zeit bis zur Wahl 2017 bestimmen. Grösser war der Druck auf Merkel nie.
Der Bundestag wiederum vergeudete nach Snowdens Enthüllungen viel Zeit mit einem Untersuchungsausschuss zu den Abhörpraktiken der NSA, in dem mangels amerikanischer Kooperation nur Interna der deutschen Dienste breitgetreten wurden. Dabei verdanken diese ihre Erkenntnisse gerade der Zusammenarbeit mit den Amerikanern, von denen auch die Hinweise auf die Schläfer-Zelle in Norddeutschland stammten. Ohne die Überwachung der globalen Kommunikation durch die NSA wären die Europäer ziemlich blind. Zudem wurden den deutschen Diensten die Anwerbung von Informanten, die Befragung von Flüchtlingen und die Abhörtätigkeit im Ausland erschwert – mit einem Wort: Sicherheitsverhinderungspolitik.




Nach dem Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt im Herzen von Berlin zeigt sich die Bevölkerung fassungslos und geschockt. Das Bundesinnenministerium hat für Dienstag eine bundesweite Trauerbeflaggung angeordnet. 

Grenzen der Belastbarkeit


Nur zögerlich, vor allem wegen der insistierenden Schwesterpartei CSU und des bedrohlich wachsenden Zuspruchs für die Rechtspopulisten von der AfD, erkannte Angela Merkel an, dass Deutschland seine Asylgesetze verschärfen muss. Einerseits, um die verloren gegangene Kontrolle zurückzugewinnen, anderseits aber auch, um der ratlosen Bevölkerung zu signalisieren, dass es Grenzen der Belastbarkeit gibt. Hier ist in den letzten Monaten einiges geschehen. Merkel mühte sich sichtlich um Kurskorrekturen.
Aber genügt dies, zumal nach dem Blutbad von Berlin? Das Thema innere Sicherheit in allen seinen Facetten wird die Debatte bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres bestimmen. Grösser war der Druck auf die Kanzlerin nie, selbst in der Hochphase der Euro-Krise nicht.
Seit Jahren heisst es in deutschen Sicherheitskreisen, erst ein grosser Anschlag werde der Öffentlichkeit die Augen öffnen, dann aber gebe es angesichts des deutschen Hangs zur Gründlichkeit kein Halten mehr. Man kann nur hoffen, dass in der Mitte der Gesellschaft Augenmass die Oberhand behält. Die AfD allerdings spricht bereits von «Merkels Toten», und dies ist wohl nur der Anfang. Dass extreme Kräfte den Anschlag für sich auszuschlachten versuchen, kann jedoch kein Grund dafür sein, keine Konsequenzen aus den politischen Fehlern der jüngsten Vergangenheit zu ziehen.

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