Ueber das Phänomen Trump hatte ich jüngst bereits ein paar Beiträge geschrieben.
Die Analyse von Guido Keel (ZHAW) finde ich nachträglich lesenswert.
Sie beleuchtet einen zusätzlichen Aspekte:
Die Nachrichtenwertforschung lehrt uns, dass Journalisten ihre Themen
und Geschichten nach bestimmten Faktoren auswählen. Trump ist eine
prominente Person, der aggressiv und kontrovers auftritt, er spricht
über die Themen, die seine Anhänger direkt betreffen, er liefert
Emotionen, seine Standpunkte sind vorhersehbar, gleichzeitig ist er für
einen Präsidentschaftskandidaten überraschend ungewöhnlich. Das alles
sind Nachrichtenfaktoren, die Geschichten rund um Trump für Journalisten
als attraktiv erscheinen lassen. Neu ist das nicht, und auch nicht
besonders amerikanisch.
Ueli Maurer sagte, damals noch als
SVP-Parteipräsident: „Solange ich Neger sage, bleiben die Kameras und
Mikrofone bei mir.“ Trump nutzte diese Logik einfach mit einer bisher
ungesehenen Dreistigkeit.
Hätten die Medien Trump verhindern können?
In der „Schweiz am
Sonntag“ liess sich eine Trump-Anhängerin folgendermassen zitieren:
„Trump animierte mich, andere Informationsquellen zu finden, die nicht
parteiisch sind: Youtube, Fox News oder Infowars.“ Eine
Social-Media-Plattform, ein bekanntlich parteiischer TV-Sender und die
Website eines amerikanischen Radio-Moderators und
Verschwörungstheoretikers, der glaubt, hinter dem Anschlag vom 11.
September in New York stecke die US-Regierung, Obama sei ein Kenyaner
und Hillary Clinton sei von Dämonen besessen. Von der Nutzungsforschung
wissen wir, dass solche Informations-Kanäle inzwischen – auch bei uns –
massgeblich zur Meinungsbildung beitragen, wobei das Publikum immer
weniger zwischen journalistischen und anderen Quellen differenziert. Ein
Ex-NZZ-Redaktor und PR-Berater meinte dazu letzthin im halböffentlichen
Rahmen. „Die Leute wollen eine gute Geschichte; wer der Absender ist,
ist ihnen nicht wichtig.“
Die neuen Quellen sind vielfältig; gemeinsam ist ihnen oft, dass sie
nicht mehr die Gesamtgesellschaft ansprechen, sondern die Blase an
Menschen bedient, die bereits über entsprechende Haltungen und Meinungen
verfügen. Gerade in der direktdemokratischen Schweiz sollte uns dieser
Umstand zu denken geben. Womit wir bei der Wirkungsforschung wären: Hat
die intensive Berichterstattung über Trump diesen überhaupt erst gross
werden lassen? Sind also die Medien schuld am Phänomen Trump?
Vor über fünfzig Jahren hat man in der Wirkungsforschung die Annahme
begraben, dass sich Medienaussagen unmittelbar und uniform auf das
Publikum auswirken. Seither erkannte man, dass sich das Publikum
keineswegs willenlos den Medien ausliefert. Vereinfacht gesagt:
Wirkungen setzen Aufmerksamkeit voraus, und sie müssen an Bestehendes
anknüpfen, um vom Publikum nicht ausgefiltert zu werden; Menschen wenden
sich nur dann den Medien zu, wenn deren Inhalte den individuellen
Bedürfnissen des Publikums entsprechen. Nur dann können Medien eine
Wirkung erzielen. Wenn die Berichterstattung über Trump nicht einem
Bedürfnis der Menschen entsprochen hätte, wenn Trump mit seinen
Auftritten beim Publikum nicht einen Nerv getroffen hätte, hätte er
dieses nicht erreicht. Er verstand es aber offensichtlich, ein grosses
Publikum zu erreichen; dadurch konnte er bestehende Haltungen bestätigen
und weiter verstärken.
Zudem: Wieso haben sich diese Menschen
angesichts all der Verfehlungen nicht angewidert von Trump abgewendet?
Weil Trump-Fans diese Skandale durch eine andere Brille wahrnahmen:
Jeder durch investigative Journalisten aufgedeckte Skandal bestätigte
das Narrativ, dass die Medien nur darauf aus seien, Trump schlecht zu
machen.
Das Phänomen Trump ist in seinem Ausmass vielleicht neu, aber aus
Sicht der Publizistikwissenschaft nicht überraschend. Es bestätigt uns,
was wir eigentlich über das Funktionieren des Journalismus und der
Medien wissen. Was nicht heisst, dass es uns nicht nachdenklich stimmen
sollte. Im Gegenteil.
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