MEDIENRHETORIK
Zur Auftrittskompetenz des neuen Bundesrates
Guy Parmelin:
Vom Alibikandidat zum Bundesrat
Eine Analyse von Marcus Knill
Am Anfang des Wahlkarussells machte Guy Parmelin eher einen lustlosen Eindruck.
Er antwortete meist nur in französischer Sprache.
Seine dürftigen Englischkenntnisse wurden bemängelt. Es hiess: Englisch ist nicht sein Steckenpferd.
Kritiker versuchten immer wieder, seinen Alkoholkonsum (Weinbauer) zu thematisieren.
Ich hatte verschiedene seiner Interviews verfolgt und erkannt, dass der westschweizer Kandidat hinsichtlich Auftrittskompetenz überzeugt. Er strahlt stets Überlegenheit und Ruhe aus, wirkt beim Sprechen geerdet und überzeugt zeugt durch eine angenehme Art.
Bereits vor der Wahl zeigt er sich selbstkritisch und hat seine Ungeduld angesprochen.
Wer bei Medienauftritten überzeugen will, muss auf dem Boden bleiben und die eigenen Stärken und Schwächen kennen.
Obwohl der neue Bundesrat hinsichtlich SVP Haltung grundsätzlich als linientreu gilt, wirkte er für mich recht umgänglich.
Er lebt das „Harvard-Prinzip“ d.h. er ist „hart in der Sache“ und freundlich im Umgang.
Parmelin politisiert nicht mit grossem Getöse. Im Umgang mit Kontrahenten setzt er auf Anstand.
So mauserte er sich sehr schnell zum Favoriten durch, auch weil er viel weniger verbissen wirkt als Aeschi.
Hier einige Antworten des Bundesratskandidaten in einem Interview vor der Wahl:
Sie gelten mittlerweile als Favorit für die Bundesratswahl.
Das sagen Sie.
Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?
Ich bin ins Rennen gestiegen und ziehe das nun voll durch. Werde ich gewählt, bin ich zufrieden. Wenn nicht, bleibe ich Nationalrat. Mit der Altersvorsorge 2020 zum Beispiel haben wir ein sehr wichtiges Geschäft auf dem Tisch.
Nach den Hearings herrschte bei manchen Parlamentariern der Eindruck vor, dass Sie nicht wirklich Bundesrat werden wollen.
Ich bin, wie ich bin. Vielleicht etwas der ruhigere Typ. Würde ich nicht unbedingt Bundesrat werden wollen, hätte ich nicht kandidiert. Ich bin für das Amt bereit.
Was würde sich mit einem zweiten SVP-Bundesrat namens Guy Parmelin und einer SVP/FDP-Mehrheit ändern?
Mit zwei Bundesräten hat die SVP natürlich mehr Einfluss im Bundesrat. Zusammen mit der FDP wird die Politik, gerade was die Ausgaben angeht, vorsichtiger. Das hat man diese Woche schon im Parlament gesehen. Hier spürt man den Rechtsrutsch. Dieser muss sich auch im Bundesrat widerspiegeln. So wie in der Legislatur 2003 bis 2007.
Sie wirken eher brav. Gibt es keine Jugendsünden?
Ich habe nie Cannabis geraucht oder Drogen genommen. Aber klar, als junger Mann habe ich ab und zu mal zu viel getrunken. Aber wenn man um fünf Uhr im Stall sein muss, braucht es vorher ein paar Stunden Schlaf – selbst nach einem Fest. Und ich war immer rechtzeitig im Stall (lacht)!
Ein Blick in Ihre Stube zeigt: Sie reisen gern.
Alle paar Jahre machen wir eine grosse Reise. Schon dreimal war ich mit meiner Frau in Indien. Letztes Jahr kamen noch Jean-François Rime und seine Frau mit. Gemeinsam reisten wir bis an den Strand von Goa – es war wunderbar!
Und was haben Sie im Hippie-Paradies Goa gemacht?
Wir haben uns erholt. In unserem Hotel war kein einziger Hippie, dafür viele Russen (lacht).
Für einen Reisefreudigen wie Sie wäre also das EDA das richtige Departement?
Man muss für jedes Departement bereit sein. Ich glaube aber nicht, dass Burkhalter wechseln will.
Als Sozialpolitiker läge Ihnen das EDI am nächsten.
Ja. Da könnte ich praktisch ohne Einarbeitungszeit sofort loslegen.
KOMMENTAR:
Alle Antworten sind kurz und bündig. Er koppelt die Frage nach seiner Rolle mit einem konkreten Beispiel (Altersvorsorge 2020).
Er weicht nicht aus beim antworten. Konkret: Beim Vorwurf, er habe den Eindruck erweckt, nicht richtig Bundesrat werden zu wollen, sagt er überzeugend: Würde ich nicht unbedingt Bundesrat werden wollen, hätte ich nicht kandidiert.
Zur Behauptung: Sie wirken eher brav, kontert er mit der Offenlegung einer Jugendsünde: „Als junger Mann habe ich ab und zu mal zu viel getrunken. Er weist aber darauf hin, dass er immer rechtzeitig im Stall war. Es ist bekannt, dass der neue Bundesrat grossen Wert auf Pünktlichkeit legt.
Bei einigen Antworten schimmert Humor durch. Er antwortet konziliant und lässt sich nicht auf ein Departement festlegen: Man muss für jedes Departement bereit sein.
Bei allen Aufritten zeigte sich schon vor der Wahl, dass der angebliche Alibikandidat bei der Auswahl ein Wort mit zu reden hat. Es wurde immer wieder behauptet, er sei von den SVP Strategen lediglich aufgestellt worden, damit der Deutschschweizer Aeschi auf Anhieb das Rennen mache, in der Annahme, das Parlament wähle keinen dritten welschen Bundesrat.
FAZIT:
Heute sind für Politiker Medienauftritte wichtig . Die zunehmende Mediatisierung verlangt von Führungspersonen mediengerechtes Verhalten. Medienkompetenz ist eine Kernkompetenz geworden.
Guy Parmelin erfüllt die wichtigsten erforderlichen Eigenschaften hinsichtlich Medienverhalten: Er spricht verständlich und überzeugt dank seiner bodenständigen, natürlichen Art. Er liebt Dialoge und sagt von sich: „Ich vertrete eine klare Linie, bleibe aber im Tonfall ruhig“.
Bei der Ausmarchung wurde diese vorbildliche Einstellung honoriert.
Ihm wird sicherlich seine kommunikative Stärke auch in der neuen Tätigkeit zu gute kommen.
Marcus Knill (www.knill.com), Experte für Medienrhetorik, analysiert und coacht seit Jahren Politiker und Führungskräfte. Er ist auch Autor der vielbeachteten virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien www.rhetorik.ch und schreibt unregelmässig für die SN.
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