Ein Streit
mit dem Vorgesetzten ist meist von vornherein ein ungleiches Duell. Es gibt bewährte Grundsätze, die helfen, Konflikte mit dem Chef besser zu meistern.
In meinen Beratungen habe ich festgestellt, dass es sich lohnt,
bei Konflikten mit dem Chef eine neutrale externe Fachperson zu konsultieren.
Meist fehlt in solchen Situationen die Distanz und die Emotionen dominieren.
Was immer gilt: Ruhe bewahren- das Problem genau analysieren - das Kritikgespräch unter vier Augen führen.
Auf keinen Fall am Anfang keine schriftliche Kritik.
Ein wertvoller Beitrag von Annie McKee
(Quelle harvardbusiness manager)
Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass Ihr Chef Sie "auf dem Kieker"
hat? Vielleicht bilden Sie sich das nur ein - vielleicht aber auch
nicht. Es gibt viele schlechte Vorgesetzte - Führungskräfte, die nicht
dumm sind, denen es aber an
emotionaler Intelligenz fehlt. Die
kritische Selbstwahrnehmung solcher Leute ist erstaunlich gering;
außerdem haben sie null Einfühlungsvermögen, können ihre Emotionen nicht
unter Kontrolle halten, und ihre Wertvorstellungen scheinen ständig auf
Urlaub zu sein.
Solche dissonanten Führungspersönlichkeiten sind gefährlich. Sie
ruinieren Karrieren und bringen Teams auseinander. Sie können andere
Menschen zerstören - manchmal ganz offenkundig, manchmal aber auch
langsam und hinterrücks. Irgendwann befinden wir uns vielleicht in einem
ständigen Kampf mit so einem Vorgesetzten, der unsere ganze Zeit und
Energie beansprucht. Wir können an nichts anderes mehr denken.
Ein Kampf auf Leben und Tod mit dem eigenen Chef führt garantiert
nicht zu Gesundheit, Glück oder Erfolg. Aber was können Sie dagegen tun?
Erstens: Schützen Sie sich. Ein Konflikt mit dem Vorgesetzten -
so ein Schuss geht normalerweise immer nach hinten los. Das liegt daran,
dass der offiziellen Hierarchie in unseren Unternehmenskulturen ein
hoher Stellenwert beigemessen wird: Je höher Sie auf der
Unternehmensleiter stehen, umso eher geht man davon aus, dass Sie im
Recht sind - davon werden selbst diejenigen Leute überzeugt sein, die
noch weiter oben stehen als Sie. Es ist ein sich selbst erhaltendes
System, in dem Menschen nicht wegen ihres Verhaltens, sondern aufgrund
ihres Status innerhalb der Organisation respektiert und belohnt werden.
Das bedeutet, dass Sie einen Kampf mit Ihrem Chef - in seinen Augen und
denen der anderen - womöglich schon verloren haben, ehe er überhaupt
anfängt. Wenn Sie also unbedingt kämpfen müssen, sollten Sie sich
unbedingt eine Strategie zurechtlegen, die Sie vor negativen
Konsequenzen schützt. Schaffen Sie sich schon vorher wichtige
Verbündete, die Sie unterstützen werden, wenn etwas schiefgeht. Sie
sollten sich auch eine "Ausstiegsstrategie" überlegen, um wieder aus dem
Konflikt herauszukommen, wenn es sein muss. Diesen "Notausgang" können
Sie dann jederzeit benutzen, noch ehe die Auseinandersetzung mit Ihrem
Chef Ihnen wirklich geschadet hat.
Zweitens: Konzentrieren Sie sich auf sich selbst. Sind Sie
sicher, dass Sie nicht nur deshalb einen Streit mit Ihrem Vorgesetzten
gesucht haben, um etwas zu beweisen oder Ihre eigene Unsicherheit zu
überspielen? In Auseinandersetzungen mit dem Chef müssen Sie wirklich
der absolute Saubermann sein: Kämpfen Sie ausschließlich für Ziele, die
allen dienen und nicht nur Ihnen selbst. Setzen Sie Ihre moralische
Integrität nicht aufs Spiel. Und schlagen Sie nicht unterhalb der
Gürtellinie zu. In einem Kampf, in dem der andere die besseren Karten
hat, neigen wir gerne dazu, zu übertreiben oder Fakten zu verfälschen.
Oder wir sabotieren unseren Gegner oder fallen ihm in den Rücken. So
tief zu sinken, tut Ihrer Seele nicht gut.
Drittens: Machen Sie sich klar, dass hinter diesem dysfunktionalen
Konflikt nicht Ihre eigenen Probleme stecken, sondern die Ihres Chefs.
Denn solche Vorgesetzte sind psychisch instabile, unsichere,
machthungrige Demagogen. Oft sind sie auch narzisstisch veranlagt.
Solche Leute brauchen Hilfe - und ehrlich gesagt verdienen Sie auch Ihr
Mitgefühl. Wenn Ihnen nicht hundertprozentig klar ist, dass dieser Chef
einen psychischen Knacks hat, stürzen Sie sich am Ende mit Feuereifer in
die Schlacht, suchen die Schuld bei sich selbst oder spielen das Opfer.
Konzentrieren Sie sich stattdessen lieber darauf, möglichst viele
gesunde Beziehungen aufzubauen (vielleicht zu Ihren Kollegen oder dem
Vorgesetzten Ihres Chefs), Ihre Arbeit gut zu machen und kreative Wege
zu finden. Kreativität ist eine Lebenskraft, die Sie das Elend so eines
ständigen Kriegszustands leichter ertragen lässt.
Viertens: Bewerten Sie Ihre Situation realistisch.
Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz sind eine unschöne Sache. Und ein
Kampf gegen den eigenen Chef ist so ziemlich das Schlimmste, was es
gibt. Er kann Sie demoralisieren und Ihre Gesundheit ruinieren. Wenn Sie
immer wieder mit Ihrem Vorgesetzten aneinandergeraten, sollten Sie sich
fragen, ob es sich wirklich lohnt, in diesem Job zu bleiben. Natürlich
haben wir alle eine Million Gründe dafür, einen Posten nicht aufzugeben
(auch dahinter stecken normalerweise tiefsitzende Ängste). Aber wenn Sie
die angespannte Beziehung zu Ihrem Chef nicht kitten können, warum
denken Sie dann nicht an all die guten Gründe, die dafür sprechen, sich
eine andere Stelle zu suchen - mit einem besseren Chef und in einer
angenehmeren Unternehmenskultur, in der solche Kämpfe nicht geduldet
werden?
Fünftens: Schließlich sollten Sie sich fragen: "Bin ich selbst
vielleicht auch an diesem Problem beteiligt?" Erhalten Sie womöglich
eine Streitkultur in Ihrem Unternehmen aufrecht, indem Sie Ihre Macht
als Mittel zum Zweck benutzen, um einzuschüchternd zu wirken oder sich
auf Kosten anderer Menschen durchzusetzen? Viele Unternehmenskulturen
zwingen uns förmlich zu solchem Verhalten. Eine dysfunktionale
Machtdynamik, gepaart mit einer Überbewertung von Konkurrenzsituationen,
bringt uns dazu, unsere Mitmenschen zu bekämpfen, statt mit ihnen zu
kooperieren. Vielleicht können Sie nicht die Kultur Ihres gesamten
Unternehmens ändern, aber zumindest in Ihrem eigenen Team können Sie für
ein besseres Klima sorgen. Das geht so:
-
Fangen Sie bei sich selbst an. Selbsterkenntnis ist eine
Grundvoraussetzung für emotionale Intelligenz, und die brauchen Sie, um
mit Konflikten mit Ihrem Chef oder anderen Leuten richtig umgehen zu
können. Selbsterkenntnis bedeutet, dass Sie Ihre eigenen Probleme
kennen, damit sie Sie - oder andere Mitarbeiter - nicht in ein
unerwartetes Dilemma bringen.
-
Gehen Sie rational mit Ihren Emotionen um. Konflikte wecken
starke, meist negative Gefühle. Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie sich
von diesen Gefühlen leiten lassen oder sie auf sinnvolle Weise
kanalisieren möchten - in Richtung Ganzheit und Gesundheit.
-
Durchschauen Sie Ihre Mitmenschen. Lernen Sie, die Leute so zu
sehen, wie sie wirklich sind, statt sie einfach nur nach ihrem Platz in
der Unternehmenshierarchie zu beurteilen. Versuchen Sie herauszufinden,
was in den anderen vorgeht und was sie brauchen, und tun Sie dann etwas,
um ihnen zu helfen.
-
Handeln Sie aus einer mitfühlenden oder sogar liebevollen Haltung heraus.
Positive Gefühle wie Liebe und Mitgefühl sind genauso ansteckend wie
ihre destruktiven Geschwister Wut und Angst. Wenn Sie Ihren Mitmenschen
mit Wertschätzung, Begeisterung und freundlicher Anteilnahme (oder gar
mit Liebe und Mitgefühl) begegnen, werden sie Ihnen überallhin folgen.
NACHTRAG (Nach RP-online) Was sich in der Praxis bewährt hat:
AUCH SCHWIERIGE THEMEN ANSPRECHEN:
Oft trauen sich Arbeitnehmer gar nicht erst, beim Chef um einen Termin
zu bitten, wenn es um ein schwieriges Thema geht. "Man kann dann zum
Beispiel sagen "Ich habe richtig Angst, das anzusprechen, aber ich würde
gerne darüber reden"", empfiehlt Christine Öttl, die als Coach in
München arbeitet. Wichtig sei einerseits, freundlich, aber hartnäckig zu
bleiben. "Andererseits macht es keinen Sinn, auf dem Gespräch zu
bestehen, so als habe man einen Rechtsanspruch darauf."
VORSICHT BEI CHOLERISCHEN CHEFS:
Wenn der Chef bekanntermaßen cholerisch ist, sollten sich Arbeitnehmer
vor einem Gespräch darauf einstellen. "Es gibt auch gar keine Strategie,
das definitiv zu verhindern", sagt Christine Öttl. Dem müsse man ins
Auge sehen und darauf vorbereitet sein, dass unter Umständen nicht alles
glatt läuft.
FRAUEN SOLLTEN KEINE DEMUTSGESTEN ZEIGEN:
Gerade Frauen neigen dazu, sich in Diskussionen mit Vorgesetzten
kleiner zu machen, als sie eigentlich sind. Das hat Christine Weiner aus
Mannheim beobachtet, die als Beraterin und Coach arbeitet. "Sie lächeln
und legen gleichzeitig den Kopf schief. Mit solchen Demutsgesten
verliert man sofort an Respekt." Wer seine Körperhaltung entsprechend
ändert, werde sofort als stärker wahrgenommen.
BERECHTIGTE KRITIK AKZEPTIEREN:
Sind die Vorwürfe des Chefs
berechtigt, bringt es nichts, dagegenzuhalten. In dem Fall sollte der
Mitarbeiter die Kritik akzeptieren und dem Vorgesetzten in dem Punkt
recht geben, empfiehlt Gudrun Fey: Auch beim Kommunikationsverhalten
sollten Arbeitnehmer fähig zur Selbstkritik sein: Wer selbst laut
geworden ist, sollte das ruhig einräumen und sich dafür entschuldigen.
SACHLICH BLEIBEN IST EINE CHANCE: Wenn Gespräche eine
unangenehme Wendung nehmen, können Arbeitnehmer den Chef ausdrücklich
bitten, fair zu bleiben. "Das klingt aber nach Ermahnung", sagt Gudrun
Fey. "Und es gibt Vorgesetzte, die gerade darauf allergisch reagieren."
Freundlich zu bleiben ist dann zwar eine vernünftige Strategie, aber
ohne Erfolgsgarantie: "Wenn man nämlich freundlich lächelt, fragen sie
"Warum grinsen Sie so dämlich?"". Wer selbst Ruhe und Sachlichkeit
ausstrahlt, könne aber hoffen, dass der andere sich auch beruhigt.
Notfalls bleibt nur die Bitte, das Gespräch an einem späteren Termin
fortzusetzen.
LAUTE UND UNFAIRE KRITIK NICHT HINNEHMEN:
Diskussionen mit Chefs eskalieren nicht selten. "Es gibt Vorgesetzte,
die übertreiben maßlos, wenn sie schlecht drauf sind", sagt Gudrun Fey.
"Vor allem Männer sind dann wie in einem hormonellen Nebel, werden laut
und unfair." Die beste Strategie sei dann Selbstbehauptung, sagt Fey:
"Also weder Flucht noch Angriff, sondern ein Verhalten dazwischen. Man
sollte dem anderen zeigen, dass er so nicht mit einem umgehen kann, aber
ihn nicht ebenfalls attackieren."
FRAGEN STELLEN IST GEFRAGT: Wenn
Vorgesetzte aggressiv werden und Vorwürfe erheben, sind Fragen eine
gute Antwort darauf: "Wer fragt, führt", zitiert Christine Weiner eine
Management-Weisheit. Auf diese Weise werde die Diskussion meist weniger
emotional und weniger laut. Auch nachzufragen "Habe ich Sie richtig
verstanden?" könne oft schon hilfreich sein.
Oft seien die Vorwürfe von Vorgesetzten aber aus der Luft gegriffen,
sagt Gudrun Fey. In einem solchen Fall helfe sachliches Nachfragen.
Lautet die Kritik zum Beispiel "Immer muss ich Sie an Termine
erinnern!", dann könnte der zu Unrecht Kritisierte mit der Frage
reagieren "So oft kommt das nicht vor, wann waren denn die letzten
Male?".
LINKS:
30. Apr. 2004 ... Viele Menschen trauen sich nicht, ihre Chefin auf Fehler aufmerksam zu machen.
Diese könnte ja beleidigt reagieren, wütend werden und Sie ...
www.rhetorik.ch/Kritik/Chef.html
|
27. Febr. 2012 ... Lästern: Öffentliche Kritik am Chef kann zurückfeuern. ... Kritisieren: Kritik muss
wie eine bittere Medizin serviert werden: immer auf einem ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/12/02_27/
|
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