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Dienstag, 23. Dezember 2014
Ein Künstler lässt es drauf an kommen
Weshalb erhält Schawinski so viele Prügel?
Patrick Rohr, der ehemalige Arena Moderator begründet dieses Phänomen wie folgt:
Doch wieso regen sich alle so über Schawinski auf, wollte Blick.ch von Patrick Rohr wissen.
Herr Rohr, wieso ist Roger Schawinski so unbeliebt?
Viele Leute regen sich über seinen Interviewstil auf. Er ist anders, als wir es uns gewöhnt sind. Die meisten Interviewer in unserem Land stellen offene Fragen und lassen das Gegenüber in Ruhe antworten. Schawinski klagt an, stellt Thesen auf, drängt den Interviewpartner in die Defensive.
Das tun Ueli Schmetzer im Kassensturz und Sandro Brotz in der Rundschau doch auch?
Ja, aber nicht auf der persönlichen Ebene. Im Kassensturz zum Beispiel müssen sich Firmenchefs für ihr Handeln rechtfertigen, in der Rundschau Politiker für ihre Entscheidungen. Bei Schawinksi geraten die Gäste oft in die Situation, dass sie sich für ihre Persönlichkeit oder ihren Lebensentwurf rechtfertigen müssen.
Ist das ein Schweizer Phänomen? In Deutschland doch auch mit harten Bandagen diskutiert.
Das stimmt, gerade in der deutschen Politik wird heftig ausgeteilt, aber man bleibt auf der Sachebene. In der Schweizer Politik hat die SVP in den 1990er Jahren einen neuen Stil eingeführt: Man spielt häufig auf den Mann. Man verurteilt jemanden für das, was er ist oder wie er denkt.
Die SVP hat aber Erfolg damit.
Und genau das ist die Bigotterie des Publikums. Es ergötzt sich an der Kontroverse und verurteilt sie gleichzeitig. Wie jetzt bei Schawinski. Die Sendung mit Thiel hat im Internet astronomische Klickraten, gleichzeitig hagelt es Beschwerden. Diese Erfahrung habe ich auch als Moderator der Arena gemacht. Sendungen, in denen es richtig abging, hatten die höchsten Quoten. Gleichzeitig regten sich dann auch am meisten Leute auf.
Also mögen die Leute Provokateure wie Schawinski doch?
Zum Glück gibt es in unserem Land Leute wie Schawinski, sonst wäre es furchtbar langweilig. Schawinski ist anders, er eckt an, er fällt auf, er polarisiert. Und er kämpft. Ohne ihn hätte es in der Schweiz nicht so früh Lokalradio und Lokalfernsehen gegeben.
Viele werfen Schawinski vor, er sei ein arroganter Selbstdarsteller, der die anderen einfach fertig machen will, um selber gut dazustehen. Was halten Sie von diesem Vorwurf?
Dieser Eindruck greift eindeutig zu kurz. Natürlich hat Schawinski – wie alle Interviewer im Fernsehen – selbstdarstellerische Züge. Im Unterschied zu vielen hat er aber eine klare Haltung, eine Moral. Er hat eine Botschaft und will diese platzieren. Das macht ihn greifbar, aber auch angreifbar. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ihm nur um sich selber geht.
Mit seiner Art vergrault Schawinski aber seine Gäste. Nationalrätin Natalie Rickli zum Beispiel sagte, sie wolle sich das nicht antun. Ist sie feige?
Es gibt ja kein Gesetz, das sagt, dass man zu Schawinski gehen muss. Es gibt auch zahlreiche Wirtschaftsbosse, die nicht zu ihm wollen. Wenn es keinen konkreten Anlass gibt, um in die Sendung zu gehen, verstehe ich das auch. Man ist relativ schnell in der Verteidigungsrolle, das ist nicht einfach. Man muss kühn sein oder rhetorisch beschlagen. Und man muss die Sendung als Spiel mit eigenen Regeln sehen. Wenn man das Gefühl hat, dass man dem gewachsen ist, soll man in die Sendung.
Thiel hatte auch den Mumm und steht jetzt als grosser Sieger da, der sich nicht provozieren liess.
Ich denke nicht, dass Thiel der Gewinner ist. Er hat ja gesagt zum Spiel, es dann aber nicht mitgespielt. Das geht nicht. Thiel hat einen kontroversen Artikel über den Islam geschrieben, dann soll er sich der Kontroverse auch stellen. Ich glaube eher, dass die Sendung mit Thiel ein Ventil aufgemacht hat. Viele Leute dürfen jetzt endlich ihren Frust über Schawinski abreagieren.
KOMMENTAR: Patrick Rohr hat auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die uns bewusst machen, weshalb Schawinski so einen Shitstorm gegen sich selbst ausgelöst hat.
Aus meiner Sicht hat es Thiel vor allem geschafft, einen gefürchteten Profi Moderator mit seiner Ruhe so zu irritieren, so dass dieser die Nerven verloren hat.
Damit vermochte Theil das Spiel kehren. Anstatt, dass wie üblich das Opfer irritiert wurde, wurde der Angreifer destabilisiert.
Ungewöhnliches hat einen besonderen Aufmerksamkeitswert.
Wenn gleich nicht alle Zuschauer mit den ThesenThiels einverstanden sind, so wurde er dennoch von ihnen zum Sieger auserkoren und die Schadenfreude sorgte zusätzlich dafür, dass im Netz Schawinski bei den Kommentaren das Nachsehen hatte. Sicherlich spielte auch der Mitleideffekt eine Rolle, denn
es konnte statistisch nachgewiesen werden, dass Thiel viel mehr unterbrochen wurde und ihm als Befragter nur einen Bruchteil der Redezeit Schawinskis zugestanden wurde.
Doch wieso regen sich alle so über Schawinski auf, wollte Blick.ch von Patrick Rohr wissen.
Herr Rohr, wieso ist Roger Schawinski so unbeliebt?
Viele Leute regen sich über seinen Interviewstil auf. Er ist anders, als wir es uns gewöhnt sind. Die meisten Interviewer in unserem Land stellen offene Fragen und lassen das Gegenüber in Ruhe antworten. Schawinski klagt an, stellt Thesen auf, drängt den Interviewpartner in die Defensive.
Das tun Ueli Schmetzer im Kassensturz und Sandro Brotz in der Rundschau doch auch?
Ja, aber nicht auf der persönlichen Ebene. Im Kassensturz zum Beispiel müssen sich Firmenchefs für ihr Handeln rechtfertigen, in der Rundschau Politiker für ihre Entscheidungen. Bei Schawinksi geraten die Gäste oft in die Situation, dass sie sich für ihre Persönlichkeit oder ihren Lebensentwurf rechtfertigen müssen.
Ist das ein Schweizer Phänomen? In Deutschland doch auch mit harten Bandagen diskutiert.
Das stimmt, gerade in der deutschen Politik wird heftig ausgeteilt, aber man bleibt auf der Sachebene. In der Schweizer Politik hat die SVP in den 1990er Jahren einen neuen Stil eingeführt: Man spielt häufig auf den Mann. Man verurteilt jemanden für das, was er ist oder wie er denkt.
Die SVP hat aber Erfolg damit.
Und genau das ist die Bigotterie des Publikums. Es ergötzt sich an der Kontroverse und verurteilt sie gleichzeitig. Wie jetzt bei Schawinski. Die Sendung mit Thiel hat im Internet astronomische Klickraten, gleichzeitig hagelt es Beschwerden. Diese Erfahrung habe ich auch als Moderator der Arena gemacht. Sendungen, in denen es richtig abging, hatten die höchsten Quoten. Gleichzeitig regten sich dann auch am meisten Leute auf.
Also mögen die Leute Provokateure wie Schawinski doch?
Zum Glück gibt es in unserem Land Leute wie Schawinski, sonst wäre es furchtbar langweilig. Schawinski ist anders, er eckt an, er fällt auf, er polarisiert. Und er kämpft. Ohne ihn hätte es in der Schweiz nicht so früh Lokalradio und Lokalfernsehen gegeben.
Viele werfen Schawinski vor, er sei ein arroganter Selbstdarsteller, der die anderen einfach fertig machen will, um selber gut dazustehen. Was halten Sie von diesem Vorwurf?
Dieser Eindruck greift eindeutig zu kurz. Natürlich hat Schawinski – wie alle Interviewer im Fernsehen – selbstdarstellerische Züge. Im Unterschied zu vielen hat er aber eine klare Haltung, eine Moral. Er hat eine Botschaft und will diese platzieren. Das macht ihn greifbar, aber auch angreifbar. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ihm nur um sich selber geht.
Mit seiner Art vergrault Schawinski aber seine Gäste. Nationalrätin Natalie Rickli zum Beispiel sagte, sie wolle sich das nicht antun. Ist sie feige?
Es gibt ja kein Gesetz, das sagt, dass man zu Schawinski gehen muss. Es gibt auch zahlreiche Wirtschaftsbosse, die nicht zu ihm wollen. Wenn es keinen konkreten Anlass gibt, um in die Sendung zu gehen, verstehe ich das auch. Man ist relativ schnell in der Verteidigungsrolle, das ist nicht einfach. Man muss kühn sein oder rhetorisch beschlagen. Und man muss die Sendung als Spiel mit eigenen Regeln sehen. Wenn man das Gefühl hat, dass man dem gewachsen ist, soll man in die Sendung.
Thiel hatte auch den Mumm und steht jetzt als grosser Sieger da, der sich nicht provozieren liess.
Ich denke nicht, dass Thiel der Gewinner ist. Er hat ja gesagt zum Spiel, es dann aber nicht mitgespielt. Das geht nicht. Thiel hat einen kontroversen Artikel über den Islam geschrieben, dann soll er sich der Kontroverse auch stellen. Ich glaube eher, dass die Sendung mit Thiel ein Ventil aufgemacht hat. Viele Leute dürfen jetzt endlich ihren Frust über Schawinski abreagieren.
KOMMENTAR: Patrick Rohr hat auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die uns bewusst machen, weshalb Schawinski so einen Shitstorm gegen sich selbst ausgelöst hat.
Aus meiner Sicht hat es Thiel vor allem geschafft, einen gefürchteten Profi Moderator mit seiner Ruhe so zu irritieren, so dass dieser die Nerven verloren hat.
Damit vermochte Theil das Spiel kehren. Anstatt, dass wie üblich das Opfer irritiert wurde, wurde der Angreifer destabilisiert.
Ungewöhnliches hat einen besonderen Aufmerksamkeitswert.
Wenn gleich nicht alle Zuschauer mit den ThesenThiels einverstanden sind, so wurde er dennoch von ihnen zum Sieger auserkoren und die Schadenfreude sorgte zusätzlich dafür, dass im Netz Schawinski bei den Kommentaren das Nachsehen hatte. Sicherlich spielte auch der Mitleideffekt eine Rolle, denn
es konnte statistisch nachgewiesen werden, dass Thiel viel mehr unterbrochen wurde und ihm als Befragter nur einen Bruchteil der Redezeit Schawinskis zugestanden wurde.
Mehrheit wünscht Rücktritt von Schawinski
Mörgeli fordert Schawinskis Kopf
Die Beschwerdeflut wegen des «Schawinski»-Talks mit Andreas Thiel reisst nicht ab: Christoph Mörgeli fordert nun in einem Brief die Absetzung des Moderators.
Unter Beschuss: Gegen Talkmaster Roger Schawinski werden
Rücktrittsforderungen laut. (Bild: Keystone/Alessandro Della Bella)
136 Beschwerden gegen Schawinski
Nachdem das Gespräch zwischen dem Talker und dem Satiriker Andreas Thiel völlig aus dem Ruder gelaufen war, soll Schawinksi seinen Gast nach der Sendung heftig beschimpft haben. Dabei soll auch das Schmähwort gefallen sein. Auf den Vorfall angesprochen, gab Schawinski seinen Ausrutscher zu. Doch Mörgeli ist das nicht genug: Er will Schawinski mit einem Disziplinarverfahren strafen und fordert den Kopf des streitbaren Moderators.
Dass der SRG-Ombudsmann Achille Casanova bereits aktiv geworden sei, ist Mörgeli nicht genug. «Eine solche Beschimpfung geht auf keine Kuhhaut», findet der SVP-Nationalrat. Dieser Meinung ist man auch bei der Ombudsstelle. «Schawinski sei unhöflich und aggressiv gewesen und habe Thiel nicht zu Wort kommen lassen», bestätigt Casanova und fügt an, dass in vielen der eingegangen Beschwerden die Absetzung des Moderators gefordert werde. 136 Beanstandungen seien in der Sache bereits eingegangen. «Ein absoluter Rekord», wie der Ombudsmann mitteilt.
SRF gibt sich wortkarg
Das SRF will zu den Vorwürfen im Moment keine Stellung nehmen. «Zu diesem Thema wurde schon viel gesagt», teilte am Montagmorgen ein Sprecher mit. Auf Anfrage stellt die Pressestelle jedoch in Aussicht, dass man Mörgelis Brief am späteren Nachmittag kommentieren werde.
KOMMENTAR: Es würde mich nicht verwundern, wenn noch weitere Beschwerden eintreffen. Die Schadenfreude gegenüber dem Moderator, der die Nerven verloren hatte, könnte einen zusätzlichen Dominoeffekt auslösen. Ich beneide jedenfalls den Ombudsmann nicht. Er muss alle Beschwerden ernst nehmen.