Das Casting der Gäste für die Illner-Sendung vom
Donnerstagabend ist mal so richtig danebengegangen. Zum Glück war ein
Schweizer da, um die Runde zur Steuerhinterziehung über die Zeit zu
retten.
Wenn ein Eidgenosse
für die lebhaftesten Momente sorgt, dann ist über eine Diskussionsrunde
und ihre Dynamik alles gesagt. Geplant war von
Maybrit Illner über "
Steuern, Schuld und Sühne – wie machtlos ist der Staat?"
zu diskutieren, ihre Gäste machten ihr aber einen Strich durch die
Rechnung. Was gestern herauskam, glich mehr einer Aneinanderreihung von
vorgelesenen Pressemeldungen als einer echten Debatte. Durchaus schade,
denn Illner war gut aufgelegt und gut im Thema, es hätte eine spannende
Sendung werden können. Das lag vor allem an dem eingangs erwähnten
Schweizer: Von der ersten Minute an war der Journalist Matthias Ackeret
auf Diskussion aus und zeigte sich auch mehrfach überrascht, wie wenig
um ihn herum passierte.
Dabei gab es
durchaus Unterschiede zwischen den fünf anderen Gästen: Alle waren
unterschiedlich langweilig. Man hatte fast den Eindruck, sie hätten sich
abgesprochen. Das fing mit der neuen SPD-Generalsekretärin Yasmin
Fahimi an, die hatte die Phrasen für sich entdeckt. Mit ihrem Gedresche
hätte man in einem ganzen Phrasenfeld die Spreu vom Weizen trennen
können. Ob sie sich selbst rhetorische Fragen stellte: "Wie können wir
wieder mehr Steuergerechtigkeit herstellen?" Ob sie knallharte Analysen
beisteuerte: "Die Instrumente sind offensichtlich nicht ausreichend." Ob
sie "nach wie vor großen Nachholbedarf" sah oder man "den Druck
erhöhen" müsse. Fahimi hatte nichts mitzuteilen, das aber in epischer
Breite.
Brüderle, der Geschichtenerzähler
Thomas Fischer,
seines Zeichens Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, war da schon
deutlich ehrlicher. Ihm kann man eigentlich nur einen Vorwurf machen,
nämlich, dass er sich nicht schon vor der Sendung überlegt hatte, dass
Polit-Talks nicht sein Fall sind. Um erst dort festzustellen, dass man
auf die meisten der Fragen der Moderatorin nicht in fernsehtypischer
Länge antworten möchte oder kann (Stichwort: "Differenzierung nötig"),
ist die Sendezeit doch ein bisschen schade. Maybrit Illner versuchte es
mehrfach und überspielte gekonnt, dass man ihren Gast nicht aus der
Reserve locken konnte.
Matthias Ackeret,
Schweizer Journalist
und Publizist:
"Wenn man in Deutschland
über Steuern spricht,
kommt gleich der Kriminalbeamte."
Der ehemalige
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gab hingegen den
Geschichtenerzähler. Warum sich auch mit der Gegenwart beschäftigen,
wenn die Vergangenheit so viel spannender ist. Am allerliebsten sprach
Brüderle über das geplatzte Steuerabkommen mit der Schweiz – das war
2012. Er schaffte es aber auch nahezu aktuelle Ereignisse zu
kommentieren. Zwei Wochen nach dem die Affäre aufgedeckt wurde, hatte er
ein knallhartes Urteil
zum Fall Alice Schwarzer
abzugeben. Eines, das sich knallhart kein bisschen von den letzten
hundert Schwarzer-Urteilen unterschied ("Das stört mich sehr, was Frau
Schwarzer gemacht hat. Da ist nix mit Idol.").
Ganz ähnlich
aufgelegt wie Brüderle war Sahra Wagenknecht, die stellvertretende
Vorsitzende der Linkspartei. Wagenknecht ließ sich doch sehr von der
Lethargie der Runde anstecken und hatte ihre sonst so schön zu
beobachtende Angriffslustigkeit komplett eingebüßt. Anders als ihr
Kollege von der FDP schwelgte sie aber nicht in den eigenen
Erinnerungen. Wagenknecht begnügte sich mit dem Aufsagen der üblichen
Linkspartei-Kamellen, wenn es um Steuerhinterziehung geht. Da "tricksen
die Reichen", da wird "Steuerhinterziehung bagatellisiert" und die
Banken lässt man ja sowieso immer "einfach machen".
Am angenehmsten
von den fünf Langweilern war dann doch der Finanzbeamte Manfred Lehmann
von der Steuergewerkschaft NRW. Es mag nicht wirklich überraschend sein,
dass er sich über die Unterfinanzierung seiner Behörde beschwerte, die
"technische Ausstattung" bemängelte und sich gar nicht vorstellen
konnte, dass Informationen von den Finanzbehörden an die Medien
weitergegeben wurden. Wenigstens aber saß Lehmann nicht in der Runde und
konnte nur in den fünf Minuten, als er von Illner interviewt wurde, die
Menschen vom wach bleiben abhalten.
Neue Aspekte wurden nicht diskutiert
Wenn sich auch
nur einer der anwesenden Gäste aber auf eine Diskussion mit Ackeret
eingelassen hätte, wäre die Sendung wohl anders verlaufen. So aber
verpufften dessen Provokationen in Richtung Fahimi: "Die ganz große
Koalition findet man auf dem Schweizer Konto." und Fischer: "Jeder der
in Deutschland Steuern zahlt, ist mit halben Fuß im Knast."
Noch
interessanter waren aber seine Überlegungen zum unterschiedlichen
Verhältnis der Bevölkerung zu Steuern in seinem Heimatland und
Deutschland ("Der deutsche Staat müsste kulanter sein."). Schon ganz zu
Beginn der Sendung stellte er die These auf: "Es ist nicht wichtig, zu
fragen, warum die Deutschen zu uns kommen. Sondern viel wichtiger ist es
zu fragen, warum die alle aus Deutschland weggehen." Dies wiederholten
er und Illner immer wieder im Laufe der Sendung, auch erweitert um neue
Aspekte (z.B. warum gerade die deutschen Sportikonen ihren Wohnsitz
verlegen). Aber keiner der anderen Gäste wollte sich wirklich darauf
einlassen. Wahrscheinlich war es ihnen einfach zu langweilig.