Eigentlich sollte der Liedermacher Wolf Biermann zur Gedenkstunde zum Mauerfall nur singen. Doch dann geriet sein Auftritt zur Abrechnung mit der Linkspartei.
Eigentlich war Biermann nur gekommen, um auf Einladung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu singen. Doch dann holte er zum Rundumschlag gegen die von ihm verhasste Linke aus. Die Partei sei «der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden ist», sagte der Musiker am Freitag und mutmasste, der «Ironiker» Lammert habe ihn doch wohl deshalb eingeladen, um der Linkspartei ein paar Ohrfeigen zu verpassen.
«Ihr seid dazu verurteilt, das hier zu ertragen»
Lammerts Versuch, ihm das Wort abzuschneiden, konterte Biermann schlagfertig: «Das Reden habe ich mir in der DDR nicht abgewöhnt und werde das hier schon gar nicht tun.» Sprachs, und sprach weiter in Richtung der Linken: «Ihr seid dazu verurteilt, das hier zu ertragen. Ich gönne es euch.» Es sei «Strafe genug» für die Linken, «dass sie hier sitzen müssen und sich das anhören müssen».
Als die Linksfraktion konterte, sie sei gewählt worden, gab der Liedermacher zurück, die Wahl sei doch «kein Gottesurteil», die Linke sei in Wahrheit «reaktionär». Erst nach einem minutenlangen Wortduell trug der Musiker schliesslich sein Lied «Ermutigung» vor, das früher besonders bei Oppositionellen in der damaligen DDR beliebt war.
KOMMENTAR:
Demut war Biermann stets wesensfremd. Der Bundestagspräsident hätte somit wissen müssen, dass Biermann seinen Auftritt nutzen wird, den Frust der Vergangenheit los zu werden.
Die Süddeutsche Zeitung beschreibt Biermanns Situation wie folgt:
Der vielversprechende 16-jährige Kommunist Wolf Biermann wurde 1953, kurz vor dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni, in die DDR geholt, wo ihm eine glänzende Laufbahn offenstand. Sein Vater Dagobert Biermann hatte im Hamburger Hafen kriegswichtige Lieferungen sabotiert und war deshalb in Auschwitz ermordet worden, der Sohn sollte das neue, antifaschistische Deutschland aufbauen helfen, das es für ein Arbeiterkind wie ihn nur in der DDR geben konnte.
Biermann lernte am Berliner Ensemble, wurde von Hanns Eisler unter dessen Fittiche genommen, scheiterte mit seinen an François Villon geschulten Balladen aber bald am staatlich verordneten Banausentum der DDR. Sein parteiliches Liedgut wurde gern genommen, doch nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED 1965 erhielt er Auftrittsverbot und war auf seine Wohnung in der Ostberliner Chausseestraße 131 verwiesen. Dort wurde er von Freunden und Sympathisanten aus der ganzen Welt besucht, die dafür sorgten, dass er nicht vergessen wurde. Das Geld, das er aus dem Westberliner Fontane-Preis erhielt, stiftete er den politischen Verfolgten, die der Anwalt Horst Mahler vertrat; später verstieg er sich sogar zu einer Verteidigung der RAF gegen ihre linken Kritiker.
(Ende Zitat)
Wer diese Vergangenheit kennt, kann die verbale Entgleisung besser einordnen und vielleicht sogar verstehen. Tatsächlich gibt es ehemalige Stasi Agenten, die sich nach dem Mauerfall im Westen hochgearbeitet haben und sich nun bei den "Linken" recht gut aufgehoben fühlen. So wie es nach dem zweiten Weltkrieg auch führende Nazis gab, die nach der Niederlage von ihre Vergangenheit nichts mehr wissen wollten und im der Bundesrepublik erneut politisch tätig wurden.
Was Biermann sagte, mag selbstsüchtig und unverschämt gewesen sein. Seine Wut auf alles, was sich Linkspartei nennt wirkt zwar nach Schlacht von gestern. Doch gehört die Beschimpfung zur persönlichen Geschichte des politisch Verfolgten. Diese Geschichte lebt in Biermann fort, so wie sie es vielen anderen Menschen geht, die unter der DDR-Staatssicherheit leiden mussten.
Ich finde es richtig, dass Biermann überhaupt geredet hat und nicht daran gehindert werden konnte. Bedenken wir: Da verletzt einer die Regeln, und nichts geht dabei kaputt. Für mich ist dies eine erfreuliche Demonstration der Redefreiheit.
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