Asylbewerber in Europa: Zum Verteilungskampf
REUTERS
Mehr als 230.000 Menschen
suchten Asyl in Europa - allein im ersten Halbjahr 2014. Doch wie sollen
sie auf die Länder verteilt werden? Nach Einwohnern? Nach Wohlstand?
Unsere Analyse zeigt, welche Folgen die verschiedenen Modelle für
Deutschland hätten.
(Aus der SPIEGEL)
Die EU hat ein Flüchtlingsproblem. Und sie muss sich grundsätzliche Fragen stellen. Sollen diese Menschen nach einem festen Prinzip auf die Mitgliedsländer verteilt werden? Und wie sähe eine gerechte Verteilung aus? Darüber streiten die Innenminister der 28 Länder seit Monaten. Der deutsche Minister Thomas de Maizière forderte jüngst eine Aufnahmequote, die sich etwa an der Einwohnerzahl orientiert: Je größer die Bevölkerung eines EU-Landes, desto mehr Asylbewerber soll es aufnehmen. Für Deutschland hätte das direkte Auswirkungen.
Neben einer Verteilung nach der Einwohnerzahl sind auch andere Modelle in der Diskussion. Mehrere deutsche Politiker fordern, auch die Wirtschaftskraft der Aufnahmestaaten zu berücksichtigen. Nach einem solchen Verfahren verteilen schon heute die deutschen Behörden Asylbewerber auf die Bundesländer: Der sogenannte Königsteiner Schlüssel richtet sich nach der Einwohnerzahl und dem Steueraufkommen eines Bundeslandes.
Was würden die verschiedenen Verfahren für die einzelnen EU-Länder
bedeuten? Rund 239.000 Menschen haben im ersten Halbjahr 2014 Asyl in
der EU beantragt.
Die Verteilung nach BIP
und Einwohnern ist angelehnt an den Königsteiner Schlüssel, wobei hier
das Bruttoinlandsprodukt statt dem Steueraufkommen herangezogen wird, um
eine zwischeneuropäische Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das BIP ist
mit zwei Dritteln gewichtet, die Einwohnerzahl mit einem Drittel.
Die meisten Menschen, die vor den derzeitigen Krisen - etwa im Nahen Osten - flüchten, verteilen sich auf Länder außerhalb Europas. Der Libanon gewährt derzeit mehr als einer Million Menschen aus Syrien Zuflucht. Das Land hat nur viermal so viele Einwohner.
Europas tödliche Grenzen
- SPIEGEL-Reporter Maximilian Popp und Fotograf Carlos Spottorno reisten zu Schutzzäunen und in Auffanglager, sie begleiteten Patrouillen auf See und trafen Flüchtlinge, die alles riskieren für eine Zukunft in Europa.
Das Modell VERTEILEN NACH WOHLSTAND tendiert auf EGALISIERUNG, auf AUSGLEICH.
Gut situierte Länder müssten mehr opfern. Der bisherigen Wohlstand werden sie aber nicht kampflos opfern.
Die Verteilung nach Einwohnern würde zwar die kleinen Länder entlasten. Doch ist der Widerstand der Einwohner - starken Länder vorprogrammiert.
Bei allen Modellen bringt die Flüchtlingsschwemme zusätzliche Probleme und verlangt von allen enorme finanzielle Opfer.
Die Asylantenproblematik wird somit in den nächsten Jahren zum Kernproblem. Es wird auch die politische Landschaft verändern. Es liegt in der Luft, dass jene Parteien Zulauf haben werden, die fixe Kontingente fordern und sich für die nationalen Bedürfnisse einsetzen. Wer die Bedenken der Bevölkerung nicht ernst nimmt, wird dies bei den kommenden Wahlen zu spüren bekommen.
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