Donnerstag, 23. Oktober 2014

DIe Bilateralen sind kein heiliger Gral

Ein prominenter FDP Politiker überrascht mit seiner Beurteilung der Bilateralen
(aus TAGI)

«Diese Bilateralen haben heute nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor 20 Jahren»: Ruedi Noser. (Archivbild, 2009)
«Diese Bilateralen haben heute nicht mehr 
die gleiche Bedeutung wie vor 20 Jahren»: 
Ruedi Noser. (Archivbild, 2009) 

Die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU seien absolut zentral. Sie seien unverzichtbar für den Wohlfahrtsstaat und ökonomisch überlebenswichtig. So lautet seit Jahren die klare Grundsatzposition von Bundesrat und Parlamentsmehrheit, von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, wenn es um das Verhältnis zur EU geht. Da fällt es schon auf, wenn plötzlich ein prominenter FDP-Politiker von dieser Lehrmeinung abrückt, deren Wahrheitsanspruch ausserhalb EU-kritischer SVP-Kreise unumstösslich schien. In der Sendung «Standpunkte» der Handelszeitung auf Fernsehen SRF rückte am Sonntag der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser, Unternehmer und Präsident der wichtigen Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK), davon ab.

Bilaterale sind kein heiliger Gral

Wir haben gestern bei Nationalrat Noser nachgefragt. Er bekräftigte dabei: «Die Sichtweise ist falsch, die bestehenden Bilateralen seien ein heiliger Gral.» Würde es diese Bilateralen nicht mehr geben, wäre die Schweiz nicht tot. «Wir hätten dann ein Problem mehr, aber dieses wäre zu lösen.» Und: «Ohne Bilaterale hätten wir gegenüber der EU die gleiche Rechtssituation wie sie die USA und Hongkong haben – allerdings mit dem Unterschied, dass wir hundert Prozent unserer Landesgrenzen mit der EU teilen.» Dass dieser Unterschied einen höheren Regulierungsbedarf erfordere als bei den USA oder Hongkong sei wohl jedem klar. Entscheidend für die Schweiz sei der EU-Marktzutritt.
Noser zeigte sich im Gespräch mit der BaZ zudem überzeugt davon, dass die EU die Bilateralen mit der Schweiz «nicht kündigen werde.» Also auch dann nicht, sollte es bei den notwendigen Verhandlungen über das Personenfreizügigkeits-Abkommen keine Einigung mit der EU geben. Dann müsste die Personenfreizügigkeit gemäss angenommener Zuwanderungsinitiative gekündigt werden – dann müssten aufgrund der Guillotineklausel eigentlich auch die übrigen Bilateralen fallen.
Als Grund für seine Annahme, dass dies nicht geschehen wird, nennt Noser die Interessen von EU-Staaten, namentlich beim Landverkehrsabkommen. Er erinnert daran, dass alle 27 EU-Staaten einer Kündigung zustimmen müssten. «Deutschland und Italien werden das Landverkehrsabkommen nicht kündigen», sagt Noser. Zu wichtig sei für die beiden Länder die Nord-Süd-Achse durch die Schweiz. Noser sagte weiter, neuen Abkommen mit der EU komme grössere Bedeutung zu, als dies bei den bestehenden der Fall sei. Die alten Verträge seien mit der kleinen EU-15 einfacher auszuhandeln gewesen, als dies heute bei neuen Abkommen mit der grösseren EU-27 der Fall sei.

KOMMENTAR: Mit dieser neuen Sicht eines prominenten FDP Politikers könnte die Schweiz bei den Verhandlungen entspannter auftreten. Denn bis anhin gingen viele Politiker davon aus, dass im Interesse der Bilateralen der Schweiz nichts anderes übrig bleibt als in alle sauren Aepfel zu beissen.
Es ist durchaus möglich, dass viele Staaten Europas das Landverkehrsabkommen nie kündigen würden. Sie profitieren von der heutigen Situation.

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