Privatspäre ist den Schweizern sakrosankt
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Als Geri Müller den Medien am letzten Dienstag reumütig von
seiner virtuellen Beziehung mit einer jungen Gymnasiallehrerin
berichtete, sass offenbar auch eine Korrespondentin der britischen BBC
in den Reihen der Journalisten. In einem Online-Artikel
berichtet sie nun darüber, wie sich der Politiker «mit Tränen in den
Augen» und «gebrochener Stimme» entschuldigt hat. Fast schon habe man
ihm geglaubt – bis er behauptet habe, in der Chat-Beziehung sei es gar
nicht um Sex, sondern um eine «intellektuelle Konversation» gegangen.
Die
Korrespondentin, die in Genf stationiert ist, labt sich aber nicht
einfach an der Selfie-Affäre um den bekannten Politiker. Sie will auch
die Frage beantworten, «was dieser Fall uns über die Schweizer Politik
erzählt». «Ist sie noch langweiliger, als wir vermuteten? Ist es das
einzige Highlight im schnöden Alltag von Schweizer Politikern, ihre
Kleider auszuziehen und Fotos zu schiessen?»
Die Schweizer und ihre Privatsphäre
Vor
allem aber sei es «interessant», wie nun in der Schweiz eine Diskussion
darüber entbrannt ist, ob der Fall die Medien überhaupt etwas angeht.
«In der Schweiz ist der Bereich, der ‹Privatsphäre› genannt wird, für
viele immer noch sakrosankt», erklärt sie ihren Lesern. Dieser Bereich
gehe in der Schweiz über das «übliche» Recht auf Privatsphäre hinaus.
«Es ist der Glaube, dass das, was in deinem Zuhause oder ausserhalb der
Arbeit passiert, dir alleine gehört und niemand Zugang dazu haben
sollte.»
Diese Einstellung sei die Wurzel aller möglicher
Aspekte des Lebens in der Schweiz, vom Bankgeheimnis bis zur
Langsamkeit, mit der Gesetze gegen häusliche Gewalt erlassen würden.
«Dein Geld und wie du deine Frau behandelst, ist – dieser Denkart
zufolge – deine Angelegenheit.» Die Journalistin ist deshalb auch
skeptisch, ob die Öffentlichkeit die Nacktselfie-Affäre um Müller so
bald wieder vergessen wird, wie manche glauben. «Ich persönlich denke,
es wird hart sein, diesen Politiker im Parlament debattieren zu sehen
und nicht daran zu denken, wie er mit seinem Handy im Büro des
Stadtammanns sitzt, während er nur ein T-Shirt trägt.»
KOMMENTAR: Ich habe mich gestern gewundert, wie der sonst so kritische Giacobbo im TELE Züri (Sonn-Talk) Geri Müller verteidigt hatte. Das sei eine reine private Sache gewesen zwischen zwei erwachsenen Personen, die von Interessevertretern illegal an die Oeffentlichkeit gezogen worden sei. Wenn Clinton habe im Amt bleiben dürfen, so gelte dies auch für Geri Müller. Er habe sich entschuldigt und alle Menschen machten bekanntlich Fehler, fand Giacobbo.
Will dies heissen: Weil alle Menschen Fehler machen, müsste künftig - Dummheit, Naivität, mangelnde Risikoabschätzung und eine Führungspersönlichkeit, die in einer Krisensituation nicht mehr Herr der Sinne ist - dies alles generell toleriert werden? Sorry Victor Giacobbo - aber eine derartige Argumentation greift mir zu kurz!
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