Experten zur Verhandlungsführung
Aus Basler Zeitung
Die Schweiz, sie rätselt dieser Tage: Wie lässt sich nach dem Ja zur Zuwanderungs-Initiative der Volkswille umsetzen? Wie kann man dabei Kollateralschäden in den Beziehungen zu Europa verhindern? Wie soll die Eidgenossenschaft gegenüber der EU auftreten?
Wie immer, wenn das Elend gross ist, treten Experten auf den Plan. Sie sind unsere Retter in der Not.
Einer dieser Experten ist der Zürcher Kommunikationsfachmann Marcus Knill. Auf seiner Homepage verrät er, wie man trotz scheinbar verfahrenen Verhandlungssituationen positive Ergebnisse herbeiführen kann. Knill kennt dazu ein wunderbares Zauberwort. Es heisst «Harvard-Prinzip».
Harvard-Prinzip? Wenn man der Nation, die über die bilaterale Zukunft diskutiert, einen solch schillernden Begriff vorführen kann, macht das Eindruck. Das «Harvard-Prinzip», erfunden 1981 vom amerikanischen Rechtswissenschaftler Roger Fisher, zeigt Grundlegendes auf: wie sich nämlich in Konfliktsituationen eine «konstruktive und friedliche Einigung» erzielen lässt.
Der schale «Kompromiss als herkömmliches Verhandlungsmodell», erklärt uns Knill auf seiner Website, wird dabei im Idealfall überwunden. Beide Seiten können einen Nutzen aus dem Deal ziehen.
Frische Luft und Durchzug
Beim Harvard-Prinzip gilt nicht nur die Allerweltsregel, sich vom Gegenüber nie unter Druck setzen zu lassen. Wichtiger noch ist das «Erkennen wechselseitiger Interessen», die anstelle politischer Positionen im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen sollten.
Auch der ehemalige Staatssekretär Michael Ambühl, einst Mitglied der Verhandlungsdelegation für die ersten bilateralen Abkommen mit der EU, scheint das Harvard-Prinzip verinnerlicht zu haben. Der «NZZ am Sonntag» erläuterte er kürzlich in einem Interview: «In Verhandlungen ist es manchmal klüger, über Interessen zu sprechen, statt sich gegenseitig die Positionen zu erläutern.» Ambühl illustrierte das mit einem Beispiel: «Wenn Sie sagen, Sie möchten das Fenster in diesem Raum öffnen, ich möchte es aber geschlossen haben, werden wir keine vernünftige Lösung finden. Die entscheidende Frage ist: Was haben wir für Interessen? Sie wollen frische Luft, ich möchte keinen Durchzug. Demnach könnten wir uns darauf einigen, die Tür zum Nebenraum zu öffnen und dort das Fenster aufzumachen. Beide können so ihre Interessen wahren und trotzdem eine befriedigende Lösung finden.»
Aufs schweizerisch-europäische Verhältnis übertragen, heisst das für Ambühl: «Beide haben ein Interesse daran, den bilateralen Weg weiter zu beschreiten. Dies wird nicht ganz einfach sein, weil wir jetzt eine neue Verfassungsbestimmung einhalten müssen. Allerdings lässt der Initiativtext einen gewissen Spielraum zu.»
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