Trotz den sterilen Rahmenbedingungen bleibt entscheidend, über welche Durchsetzungskraft ein Teilnehmer verfügt. Das «TV-Duell» verdeutlichte erneut, wie gering die Einflussmöglichkeiten von Journalisten sind, wenn die Politiker Druck aufsetzen, indem sie bei Zwischenfragen unbeirrt weiterreden, keinen Punkt machen und gezielt ihre Botschaften loswerden. Entlarvend war die Bemerkung der Moderatorin Anne Will: «Wir stellen fest, wir hören längere Einlassungen von Ihnen, die nicht explizit zu unseren Fragen passen. Aber gut, wir versuchen es weiter.» Wer der Chef ist, das liess Bundeskanzlerin Merkel insbesondere den Unterhaltungskünstler Stefan Raab spüren.
Kontraproduktiv sind zudem die Bedingungen einer Gemeinschaftsproduktion von Sendern, die einander sonst konkurrenzieren. Die vier Moderatoren, üblicherweise Einzelkämpfer, wurden zum Quartett der Hilflosen, die mehr durch verkrampftes Scharren als durch ihre Interventionen auffielen.
Da vier grosse Sender das «TV-Duell» gleichzeitig ausstrahlten, war die Aufmerksamkeit mit 17,4 Millionen Zuschauern ausserordentlich hoch. Sie mag noch gewachsen sein durch die mediale Stilisierung des Ereignisses zum Showdown im Vorfeld der Austragung. Die Grossversammlung des Volks vor dem Bildschirm gelingt dennoch immer weniger. Der politische Diskurs zerfasert im Multimedia-Zeitalter. Vor vier Jahren provozierte das «TV-Duell» 15 000 Tweets, diesmal waren es laut Angaben des ZDF 173 000 Tweets zur Sendung, fast 2000 Botschaften pro Minute. Jeder darf nun mitreden, aber kaum jemand hört ihn. Verpassen kann man da ohnehin weniges. Nebensächlichkeiten, beliebige Bekenntnisse und zwanghaft originelle Sprüche erstickten die gehaltvolleren Bemerkungen. So machte etwa die Halskette der Bundeskanzlerin Twitter-Karriere.
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