Sonntag, 30. Juni 2013

Wie Medienstellen die Redaktionen beeinflussen:

Aus blog.persoenlich.com:


Dreiste Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten

Michael Hug
Der Umgang mit Medienbeauftragten, Kommunikationsabteilungen und PR-Spezialisten ist für uns Journalisten längst das tägliche Brot. Mit sogenannten Primeurs wird gedealt wie mit anderem Stoff in dunklen Parks, gegen das Wochenende wähnt man sich zuweilen auf einem Bazar. Es ist offensichtlich, dass sich neben der Themengewichtung durch die Redaktionen zunehmend das Agendasetting der Kommunikationsdesigner und Informationsstrategen auf die Inhalte der Medien niederschlägt.
Eine neue Qualität erreichte diese Entwicklung für uns diesen Dienstag anlässlich einer Medienorientierung der Post über ihre neue Organisation als Aktiengesellschaft. Ein wichtiges Thema für die Berner Zeitung, deren Journalist Dominik Balmer nach den Referaten ein kurzes Interview mit Post-Präsident Peter Hasler führen wollte. Er dürfe ihm drei bis fünf Fragen stellen, sagte der Mediensprecher der Post und stand daneben, als Balmer sein Tonband einschaltete und Hasler befragte. Balmer fragte schnell, Hasler antwortete zügig, aber nach fünf Fragen intervenierte der Postmann an der Seitenlinie und drängte auf einen Abbruch des Gesprächs. Hasler wehrte ab und sagte, Balmer solle weiterfragen. So resultierte schliesslich ein auf Tonband festgehaltenes kleines Interview.
Die böse Überraschung folgte am Abend, als die BZ die Antworten Haslers zur routinemässigen Autorisierung unterbreitete. Die Kommunikatoren der Post beharrten darauf, dass das Interview maximal drei bis fünf Fragen enthalten dürfe, so wie es abgemacht gewesen sei. Sie rückten kein Jota von ihrer Forderung ab und gingen so weit, dass der Leiter der Kommunikationsabteilung, Marco Imboden schliesslich direkt bei mir intervenierte, um die absurde Beschränkung durchzusetzen. Dabei hielt er ausdrücklich fest, es gehe nicht um den (harmlosen) Inhalt der Antworten, sondern lediglich um die von seiner Abteilung verfügte Quantität. Erst nachdem ich ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass wir das Interview so oder so und mit einem entsprechenden Hinweis auch unautorisiert publizieren, gab er nach und liess es doch noch autorisieren. Allerdings nicht ohne vorher seiner grossen Enttäuschung über den angeblichen Vertrauensbruch Ausdruck zu verleihen und uns eine Verschlechterung der bisher guten Zusammenarbeit in Aussicht zu stellen.
Der Grund für die Interventionen war schon am Abend klar und folgte am Mittwoch schwarz auf weiss. Die Poststrategen hatten Blick, Tages-Anzeiger und Bund zuvor mit der Gewährung eines Exklusiv-Interviews mit Hasler eingebunden oder eingebettet, wie es auch etwa genannt wird. Haslers Redseligkeit am Rand der Medienkonferenz hatte ihren sorgfältig eingefädelten Kommunikationsplan durchkreuzt. Die Interventionen bei der BZ waren noch ein mehr oder weniger geschickter Rettungsversuch.
Man könnte diese Episode abhaken, wenn sie nicht symptomatisch wäre für ein Kommunikationsgewerbe, das sich immer dreister in redaktionelle Angelegenheiten einzumischen und seine eigene Agenda durchzusetzen versucht. Zu weiten Teilen sind die Redaktionen selbst schuld, wenn sie sich von Medienbeauftragten und PR-Leuten ködern, anfüttern und dann subtil steuern lassen. Aber es wäre begrüssenswert, wenn jene Redaktionen, die nicht nur Transmissionsriemen professioneller Spin-Doctors sein wollen, den inszenierten Medienkonferenz-Events zunehmend fernbleiben würden. Wenn eine Kommunikationsabteilung vorab alles Interessante an Sonntagsmedien und Fachpresse verfüttert, um dann am eigentlichen Termin noch ein paar verbliebene Informationsbrosamen und eingefädelte Exklusiv-Interviews für Auserwählte zu bieten, kann man als Journalist gerade so gut darauf verzichten, dem Anlass beizuwohnen. Diesen Rest nimmt auch die Agentur sauber zusammen. Und völlig irrwitzig ist es, wenn die paar Sätze O-Ton, die auf solch gut beleuchteten Bühnen aufgrund eines repetitiv eingeübten Wordings abgesondert werden, nach der Niederschrift auch noch einer Kommunikationsabteilung zur Autorisierung vorgelegt werden sollen. Hier treten wir definitiv in die Phase der Selbstbeschäftigung für eine Branche, die offenbar bereits Überkapazitäten zu beklagen hat. Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die Zeitungsbranche für den Umgang mit Medienstellen ihre Standards überprüft.
Michael Hug ist Chefredaktor der “Berner Zeitung”

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