Montag, 10. Juni 2013

Herr Professorin - ein sprachlicher Unsinn

Ein Professor für Germanistik (Karl Heinz Göttert) bringt es auf den Punkt - Kommentar überflüssig.

Ich zitiere aus DIE WELT:

Herr Professorin, was denken Sie sich dabei?

An der Uni Leipzig werden männliche Dozenten jetzt als "Herr Professorin" bezeichnet. Problematisch ist daran nicht die falsche Grammatik, sondern das Sprach-Opfer im Namen des Feminismus.

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Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (hier in einer Kita) kann sich Gott auch als Sache vorstellen: das Gott. An der Uni Leipzig heißen männliche Lehrkörper jetzt „Herr Professorin“

Foto: dpa Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (hier in einer Kita) kann sich Gott auch als Sache vorstellen: das Gott. An der Uni Leipzig heißen männliche Lehrkörper jetzt "Herr Professorin"

Was hat es doch die englische Sprache gut mit ihrem herrlichen Artikel, den es nur in einer einzigen Form gibt – als the. Also nichts mit unseren anstrengenden der, die, das, wovon zuletzt unsere Familienministerin so verwirrt war, dass sie Kindern die Gestalt Gottes mit neutralem Artikel vermitteln wollte.
Was vielleicht nicht so schlimm gewesen wäre, wenn der neutrale Artikel wirklich neutral wäre und nicht, wie man in der Grundschule auch sagt, sächlich – also das heißt. Das Gott klingt aber weder neutral noch sächlich, sondern so furchtbar, dass neben gläubigen Christen auch eingefleischte Atheisten protestierten und am Niveau ihrer Volksvertreterin zweifeln ließen.
Und nun Herr Professorin.
Doch singen wir zunächst noch einmal das Lob der englischen Sprache, die im Allgemeinen (wegen der Anglizismen) eher verteufelt wird. Sie hat ja nicht nur diesen wunderbar friedensstiftenden einfachen Artikel, sie hat auch Substantive ohne eindeutiges Geschlecht. Wer in England (oder in vielen anderen englischsprachigen Ländern dieser Welt, klar) seiner Frau sagt, er habe sich mit seiner Nachbarin getroffen, kann dies perfekt in einem neighbour verbergen, bei dem der Ehepartner an einen Nachbarn denken soll.

Die Franzosen und "die" Mond

Sehr praktisch, auch wenn man nun umgekehrt Klage führen könnte, dass der Bestseller von Bernhard Schlink, "Der Vorleser", nur umständlich ins Englische zu übersetzen ist, jedenfalls bei einem reader das Geschlecht offen bleibt. Aber die Vorteile der Deutschsprecher halten sich in Grenzen, wenn man an die armen Deutschlerner denkt, die sich nicht nur die Substantive, sondern auch noch diese Artikel merken müssen.
Wobei die Engländer mit ihrem Einwegartikel nicht einmal den größten Nachteil haben. Was machen erst die Spanier, die eine männliche Brücke kennten (le puente) und im Deutschen nur weibliche überqueren können? Oder die Franzosen mit einem weiblichen Mond (la lune), dessen Geschlechtsumwandlung im Deutschen sie nicht nur gequält zur Kenntnis nehmen, sondern auch an unseren romantischen Fähigkeiten zweifeln lassen.
Und nun Herr Professorin.
Man kann die Aufregung in Deutschland über die falsche Grammatik verstehen, aber die falsche Grammatik ist natürlich nicht das wirkliche Problem. An falsche Grammatik kann man sich leider gewöhnen – falls man sie denn überhaupt bemerkt. Wer vom letzten Tag diesen Jahres spricht, verletzt grammatische Spielregeln meist ganz ungerügt, obwohl dieser kein Adjektiv ist, sondern ein Demonstrativpronomen, das im Genitiv korrekt dieses heißt. Was diesen Jahres recht ist, müsste also Herr Professorin billig sein.
Ist es aber nicht. Denn da ist etwas anderes in uns berührt als die Frage der grammatischen Korrektheit. Die Empörung sitzt einfach tiefer, nicht im Verstand, sondern mehr in der Seele, jedenfalls in dem Organ, das es mit Emotionen zu tun hat. Und nun muss ich es sehr vorsichtig ausdrücken, weil es sehr missverständlich sein könnte. Es geht natürlich um den Feminismus. Ist der gut oder schlecht? Quatsch! Aber es gibt Felder, auf denen der Feminismus gut oder schlecht war. Und nun lasse ich jedenfalls meinen Emotionen freien Lauf und sage: Auf dem Feld der Sprache war er manchmal komisch.

Aber wehe, wenn es zwickt

Die meisten werden sich noch gut daran erinnern, wie die ersten Beamtinnen und Beamten auftauchten. Gut so. Dann kamen die Bürgerinnen und Bürger, die die heutigen Politikerreden noch länger machen als ohnehin schon. Befriedigend so. Und dann hörten wir von einem Vorschlag, den gewohnten Werbespruch von der Frage an den Arzt oder Apotheker umzuformulieren in die nach der Ärztin oder dem Arzt oder der Apothekerin oder dem Apotheker.
Das reicht. Die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache, auch mit ihren Artikeln und Substantiven, die das Geschlecht verraten. Wir (ich spreche jetzt für die meisten, hoffentlich auch für Feministinnen und Feministen) sind bereit, dem Feminismus zu geben, was des Feminismus ist. Aber nicht die deutsche Sprache, wie wir sie mögen. Und wir mögen sie möglichst korrekt, möglichst so, wie die meisten anderen sie auch schön finden. Mit einem Herrn Professor und einer Frau Professorin, die wir – Chapeau! – den Feministinnen verdanken.
Am Anfang soll übrigens ein bloßer Scherz gestanden haben. Woran man wieder einmal sehen kann, dass man gut über Dinge scherzen kann, die niemandem weh tun. Aber wehe, wenn da etwas zwickt oder zwackt.
Karl-Heinz Göttert ist Professor für Germanistik an der Universität Köln

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