Samstag, 2. März 2013


Weshalb so kompliziert?

Ich war heute an einer Tagung und hörte mir an einer Hochschule 5 Fachreferate von Akademikern an.




Bei einigen Referaten und Präsentationen stelle ich einmal mehr fest, dass viele Dozenten Mühe haben, überzeugend zu referieren.
Heute wurde mir zudem bewusst,  wie man mit wenig Fehlern in einem grossen Hörsaal das Publikum langweilen kann. Das Prinzip ist einfach:


-  Sprich abstrakt!
-  Verzichte auf alles was, anschaulich, bildhaft ist
   und die Zuhörer   stimulieren würde!
-  Verzichte vor allem auf Beispiele!
-  Klammere Humor völlig aus!
-  Wähle Substantive statt Verben!
-  Zeige immer ähnlich aufgebaute Charts ohne Illustrationen
  (8-10 Linien zu 8-10 Worten): Möglichst trocken und mit analoger Schrift!



Mir schien, als hätten jene zwei Referenten, die nach den erwähnten Prinzipien ihren Beitrag präsentiert hatten, folgende Philosophie verinnerlich : Du bist  Dozent an einer Hochschule. Wenn man Dich gut versteht, so wäre dies  suspekt.
Ein Mathematiker an einer Universität in Amerika, erzählte mir einmal: "Wenn die Zuhörer meine Ausführungen verstehen, habe ich kaum Beifall. Wenn ich aber die Sache so kompliziert darstelle, dass mir niemand folgen kann, dann werde ich als Supertalent gefeiert."






An der heutigen Veranstaltung wurde mir bewusst, dass es tatsächlich Dozenten gibt, die das Gefühl haben, je trockener, je unverständlicher, je komplizierter ein Referat präsentiert wird, desto kompetenter würde der Referent eingeschätzt und ernte  hernach beim Publikum Bewunderung.

Ich vermute, diese Dozenten glauben, dass eine ernsthafte,  einfache, verständliche Präsentation  fragwürdig sei.
Was ich bei solchen Präsentationen schlimm finde: Akademiker, die  nicht gelernt haben, komplexe Sachverhalte adressatengerecht zu vereinfachen, werden  von den Studierenden als Vorbild kopiert und wenn diese Studenten dann später auch referieren müssen, reden sie ebenfalls, trocken, abstrakt und über den Köpfen des Publikums hinweg.

Nach der heutigen Veranstaltung fragte mich ein Bekannter: Wie lange bräuchtest Du - bei einem Coaching - den beiden schlechtesten Referenten, sie zu befähigen, den nämlichen Vortrag  lebendig, verständlich, bildhaft und überzeugend zu präsentieren ?

Was gelernt werden müsste, sagt Tucholsky:


Ratschläge für einen guten Redner


von Kurt Tucholsky
Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze.
Klare Disposition im Kopf - möglichst wenig auf dem Papier.
Tatsachen, oder Appell an das Gefühl. Schleuder oder Harfe. Ein Redner sei kein Lexikon. Das haben die Leute zu Hause.
Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet; sprich nie länger als vierzig Minuten.
Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem Wesen liegen. Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache - das steht der Mensch nackter als im Sonnenbad.
Merk Otto Brahms Spruch: Wat jestrichen is, kann nich durchfalln.


LINKS:

Alpha Artikel vom Juli 2005: Mut zum Vereinfachen.
www.rhetorik.ch/Vereinfachen/Vereinfachen.html

Dialogisch präsentieren, Partner wechseln. Lautstärke, Je nach Situation unterschiedlich laut reden. Beim Gebrauch einer Verstärkeranlage im Kammerton ...
www.rhetorik.ch/Praesentation/Praesentation.html

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