Dienstag, 25. Dezember 2012

Die Sehnsucht nach verschneiten Weihnachtstagen ist gross.
Die Sehnsucht nach verschneiten Weihnachtstagen ist in uns verankert

(Quelle Berner Zeitung)
Seltsam. Die biblische Weihnachtsgeschichte spielt ja unter Palmen. Jesus liegt in einer Krippe und ist selten von mehr als einem Hudel umwickelt. Auch Maria und Josef tragen keine Winterjacken, die Hirten auch nicht. Von Schnee keine Spur! Und trotzdem sehnt man sich in unseren Breitengraden nach weissen Weihnachten, nach Pulverschnee auf den Pisten, nach Schneeflöcklein, die an Heiligabend still und leise auf festlich geschmückte Häuser fallen. Der Versuch einer Erklärung:
(Quelle: Berner Zeitung)

1. Wetterprognose

 Das Wetter an Weihnachten ist aber seit Wochen eines der beliebtesten Small-Talk-Themen. Es hilft an (verregneten) Weihnachtsessen über peinlich stille Gesprächssituationen hinweg, füllt Zeitungen und Fernsehsendungen und macht so viel Spass, weil wir jedes Jahr dasselbe diskutieren können. Im Thema «Weisse oder grüne Weihnachten» kennt sich jeder aus, und alle haben eine Meinung.

2. Eine Weihnachtsgeschichte

Vielleicht ist Charles Dickens schuld an unserer Sehnsucht nach Schneemengen. Obwohl am 25.Dezember in England fast nie Schnee liegt, beginnt Dickens seine berühmte Weihnachtsgeschichte (im Original: «A Christmas Carol in Prose» – «Ein Weihnachtslied in Prosa») mit dem Satz: «Marley ist tot», und dabei fallen Schneeflocken leise vom Himmel auf die kalte, arme Stadt. Das Märchen von Ebenezer Scrooge, einem Geizhals im London der 40er-Jahre (des 19.Jahrhunderts!), der von einem Geist heimgesucht wird, wurde x-mal verfilmt. Vorgelesen. Im Theater gespielt. Wenigstens für alle Engländer heisst es: An Weihnachten schneit es. So wie in der Geschichte von Charles Dickens .
3. Leise rieselt der Schnee
«Schneeflöckchen, Weissröckchen» und «Leise rieselt der Schnee» sind nicht die einzigen Melodien, die in uns falsche Erwartungen erwecken. Eines der beliebtesten Weihnachtslieder, mittlerweile auch bei uns, ist «Jingle Bells, Jingle Bells». Der Song wurde in der Nähe von Boston geschrieben, einer Gegend in den USA, die im Winter im Schnee versinkt, und ist, man glaubt es kaum, ursprünglich gar kein Weihnachtslied. Aber ein ziemlich winterliches. Die erste Zeile von «Jingle Bells» heisst «Dashing through the snow in a one-horse open sleigh» und wird übersetzt mit: «Wir rasen durch den Schnee, in einem einspännigen offenen Pferdeschlitten.»

4. Father Christmas&Co

Was hierzulande das Christkind, ist anderorts in ähnlicher Form Väterchen Frost (Russland), Julenissen (Norwegen), Father Christmas (England) oder der Joulupukki (Finnland). Und diese Weihnachtsmänner oder Böcke rutschen durch Kamine, sitzen auf Schlitten, stapfen durch den Schnee. Wenn es denn welchen hat.

5. White Christmas

Bing Crosby, der Schlingel. Er sang 1947 (!) den von Irving Berlin komponierten Song so gut, dass es noch heute auf der ganzen Welt tönt: «I’m dreaming of a white Christmas.» Diese Crosby-Version gilt übrigens mit geschätzten 50 Millionen verkauften Singles als die meistverkaufte Single aller Zeiten. Kein Wunder, formen sich in unseren Köpfen Bilder von schneebedeckten Hügeln und putzigen Häuslein, wenn Bill Crosby uns schon Anfang Dezember die Ohren voll schmalzt.

6. Güezi

Spitzbuben, Kipferl oder Zimtsterne: Wie schön ist es, Puderzucker oder Zuckerguss über die Güezi zu streuen oder giessen. Und wie toll ist es für alle Hobbybäckerinnen und Backburschen zu behaupten: Das ist Schnee! Sogar die Küche führt uns also ab vom nicht verschneiten Pfad. Dabei brauchen wir fröhlich und genauso überzeugt Zutaten, die tatsächlich in den Gebieten von Jesus und Maria und Josef anzusiedeln sind: Datteln, Feigen, Rosinen, Zimt. Aber sehen diese Güezi auch so lecker aus? Eben.

7. Prozentsätze

 Der Kreis schliesst sich, wir sind wieder beim Wetter: In den Bergen liegt oft schon Schnee, bevor die ersten Spitzbuben und Zimtsterne uns in den Niederungen erfreuen. In den Tälern siehts anders aus. Und auch wenn man in den Niederungen gerne die guten alten, schneereichen Zeiten verklärt, sind grüne Weihnachten die Regel. Meteo Schweiz schreibt auf ihrer Website zu diesen Verklärungen von Tannenbäumchen im Pulverschnee und Christkindlis, die Stiefel tragen müssen, weil sie sonst stecken bleiben: «Im Gegensatz zu dieser Scheinwelt sind im schweizerischen Mittelland grüne Weihnachten häufiger als weisse. So lag in Bern in den vergangenen 81 Jahren (1931–2011) nur in 42 Prozent, in Zürich nur in 43 Prozent der Jahre an mindestens einem der Weihnachtstage mindestens ein Zentimeter Schnee. Wirklich weisse Weihnachten mit Schnee an allen drei Weihnachtstagen gab es in Bern lediglich in 26 Prozent.  


Der Traum von weisser Weihnacht ist und bleibt verankert - trotz  diesjähriger frühlingshafter Tage

Weshalb bleiben Mani Matters Texte zeitlos?

Aus 20 Min

Heimeliges und Unheimeliges

Wer wie der Schreibende mit Mani Matters Liedern gross geworden ist, der weiss auch, dass sie mit ihm wachsen. Ihre Einfachheit und Bildhaftigkeit, ihr Schalk, aber auch ihre Drastik leuchten dem kindlichen Gemüt ein und gefallen ihm. Schon das Kind aber wittert hinter dem Bild das Gleichnis, hinter dem Gefälligen das Tief- und Abgründige. Im bequemen Kleid des Mundartlieds steckt eine Kunst, die sperriger ist, als man beim ersten Hören vermuten würde. «Ich probiere in meinen Chansons immer, Heimeliges mit Unheimeligem zu verbinden», sagte Matter kurz vor seinem Tod in einem Interview mit der Zeitschrift «Femina».
Das Berndeutsche mit seiner urwüchsigen Kraft wirkt gern behäbig, gemütlich – staatstragend. Dies allein kann es gleichwohl nicht gewesen sein, was einen Liedermacher, der Dynamit ans Bundeshaus legen wollte, in bürgerlichen Kreisen vor der Ächtung bewahrte. Natürlich hat Matter, der Beamte und Jurist, in seinem Lied nicht zur Sprengung des Bundeshauses aufgerufen, sondern sie im Gegenteil verhindert – doch davon sollten wir uns nicht täuschen lassen. Denn das Fazit lautet: «louf i am Bundeshus sider verby / mues i gäng dänke, s'steit numen uf Zyt / s'länge fürs z'spränge paar Seck Dynamit».

Keine plakativen Schuldzuweisungen

Was hat Matter also davor bewahrt, als Subversiver geächtet zu werden? Immerhin sprechen wir von einer Zeit, in der das ominöse Zivilverteidigungsbuch Kalte-Kriegs-Hysterie verbreitete und das Bürgertum sich über die Studentenrevolte entsetzte. Wenn es nicht das harmlos anmutende Berndeutsch und wohl auch nicht das Witzig-Gefällige in seinen Liedern war, dann vielleicht sein Verzicht auf plakative Schuldzuweisungen, seine Weigerung, eindeutige Lösungen zu benennen.
Er fragt vielmehr, er zweifelt. «Ich wirke nicht wie ein rotes Tuch für das Publikum. Das ist ein Vorteil. Die Leute haben mir gegenüber vielleicht weniger Vorurteile als andern gegenüber, die ihr ‹Engagement› mit dem Holzhammer zum Ausdruck bringen», erklärte Matter 1971 in einem Interview mit dem «Bieler Tagblatt».
Was wäre aus Mani Matter geworden, wäre er nicht so früh aus dem Leben gerissen worden? Wäre er zu einer Art «Mani National» geworden, hätte er sich zurückgezogen, vielleicht gar sich selbst demontiert? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass sein Werk seinen frühen Tod überstanden hat. Und dass wir einen Kloss im Hals spüren, wenn wir sein Lied «Di Strass won i drann wone» hören:

«Ir Lüt, i wonen anere Strass
und nid symbolisch meinen i das
i wonen anere Strass, wi gseit
wo zum Fridhof geit

i cha vom Fänschter us d'Umzüg gseh
mit Efeuchränz und Bluemebouquet
wen alben eine derhär chunnt da
mit de Füess vora

en andre vilicht mahneti das
geng dra, gly näm dr Schryner scho ds Mass
ou ihm für ds tannige letschte Chleid
und das tät ihm leid

ig aber findes schön das mys Bett
vorlöifig no ke Holztechel het
und das i geng no dr Himel gseh
fröit mi drum descht meh

die Strass won i drann wonen isch zwar
so dänken i e Sackgass s'isch wahr
hingäge für mi und i gniesse das
no ke Einbahnstrass»

Eine etwas eigenwillige, aber äusserst kreative filmische Umsetzung des Liedes «Di Strass won i drann wone» hören Sie hier:
(Video: Youtube/hotchilli88)

Vor vierzig Jahren verunglückte Mani Matter tödlich. Der wohl bedeutendste Schweizer Liedermacher war plötzlich verstummt. Warum sind seine Lieder immer noch lebendig?

Bildstrecke im Grossformat »

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Mani Matter wurde am 4. August 1936 geboren. Seine Mutter, die schon 1953 starb, war Niederländerin; sein Berner Vater war Fürsprecher. Zuhause sprachen die Eltern mit den Kindern Französisch, obwohl das nicht ihre Muttersprache war. Mani hiess Hans-Peter, wurde von seiner Mutter aber Jan genannt. Seine Schwester Helen machte daraus «Nani»; woraus dann sein Pfadfindername «Mani» wurde.

Kommentar: Matter  war er ein höchst aufmerksamer Beobachter. Er vermochte die Texte verständlich, in knappster, verdichteter Form wiederzugeben. Die Beschränkung auf das Wesentliche, machen  seine Texte eingängig. Sie sind heute noch aktuell und beliebt. Matter vermied den erhobenen Zeigefinger oder die eindeutige politische Parteinahme.