Mittwoch, 26. Oktober 2011

Zum zweiten Wahlgang bei den Ständeratswahlen Schaffhausen

Das Schaffhauser Fernsehen wollte von mir  eine Standortbestimmung zu den verbleibenden Ständeratskanditaten aus  der Sicht eines Kommunikationsberaters.

Im ersten Wahlgang hat es HANNES GERMANN mit einem Glanzresultat ins Stöckli geschafft. Ich habe diesen Politiker immer als kompetenten Redner erlebt, der  komplizierte Sachverhalte einfach und mediengerecht ausdrücken konnte. Seine Voten waren stets  gut strukturiert, wenngleich manchmal  der schriftsprachliche Satzaufbau durchschimmert. Bei diesem seriöser Schaffer mit dem guten Leistungsausweis war der grosser Erfolg  vorhersehbar.


Für den  zweiten Wahlgang kämpfen nun Thomas Minder, parteilos (aus der Pool -Position), Matthias Freivogel (SP) und Christian Heydecker (FDP) um den zweiten Sitz.
Herbert Bühl (Kandidat der Oekoliberalen) tritt nicht mehr an. Seine Stimmen könnten somit Freivogel oder Minder zu Gute kommen.


Ich erlaube mir heute  folgende Bemerkungen als parteiloser Berater. Ich hätte dem Fernsehen  nicht zugesagt, wenn ich einen der aktuellen Ständerats - Kandidaten aus Schaffhausen persönlich gecoacht hätte.


Ich habe jedoch als Politbeobachter seit Wochen alle Kandidaten bei zahlreichen Auftritten mitverfolgt und beobachtet.


Dank meiner Erfahrung aus zahlreichen vertraulichen Medienassessments und Analysen  erlaube ich mir deshalb, die Wirkung der Akteure aus meiner Sicht wieder zu geben. Diese Sicht ist selbstverständlich auch nur eine Sicht. Entscheidend ist und bleibt letztlich, welche Wirkung die Kandidaten bei den Stimmberechtigten hinterlassen. Bei meinen Analysen versuche ich mich aber immer in die Wahrnehmung des Publikums zu versetzen.
Grundsätzlich nehme ich sonst bei meinen Analysen nur eine beschreibende Haltung ein.



Ankündigung der Sendung



Marcus Knill

Standbild_marcus_Knill.JPG


Thema im heutigen Polit-Talk sind die Ständeratswahlen. Wir sprechen mit dem Kommunikationsberater Marcus Knill über das Wahlergebnis und die Kandidaten. Der Experte in Medienrhetorik erklärt, weshalb Thomas Minder so gut ankommt und wie die Kandidaten im Hinblick auf den 2. Wahlgang punkten können.



Als Handlauf benutzte ich  bei jedem der  Kandidaten für den zweiten Wahlgang in Schaffhausen folgende vier wichtigen Faktoren, die bei Kommunikationsprozessen von Politikern wichtig sind:

1. Das Sensibilisieren (hinsichtlich Themen)


2. Das Visualisieren (Bilder?)


3. Das Mobilisieren (gelingt dies? Wie steht es mit der Vernetzung?)


4. Das Personifizieren (Image der Person)





http://www.shf.ch/index.php?heute-im-gespraech-26-oktober-2011-marcus-knill




 THOMAS MINDER:






Er setzt das Schwergewicht auf NACHHALTIGKEIT bei den Themen:


- Sorge tragen zur Mutter Erde



- KMU stützen



- Migration

- Banken (Minder ist Vater der Abzockerinitiative)


- Erneuerbare Energie


Thomas Minder spricht mediengerecht,  anschaulich und ausdruckstark (Es darf nicht so weiter gehen wie in Stetten. Da werden Häuser wie Nistkästen bis an den Waldrand gebaut!).


Der parteilose und angeblich unabhängige Kandidat moblilisiert mit eigenen Mitteln und grossen Inseraten. Er hat keine engen Verbindungen zu Parteien und Verbänden. Thematisch tangiert er zum Teil die Thematik der SVP und der Grünen. Der Kandidat kann als Person stark mobliseren (ohne Netzwerk).


Er wirkt als Person sehr engagiert und ist von seiner Botschaft überzeugt. Er  glaubt  das, was er sagt. Es kommt zu einem ähnlichen Effekt wie bei Christoph Blocher. Wer nämlich von dem überzeugt ist, was er sagt, der kann zahlreiche rhetorische Fehler machen. Sie schaden ihm nicht. So spricht Minder vor Mikrofon und Kamera oft zu laut, zu schroff, zu pausenlos.


Minder profitiert eindeutig vom Bonus--> Neu, frisch, unverbraucht, parteilos. Viele Bürger zeigen nämlich derzeit hinsichtlich der grossen Parteien  Verdrossenheit, Unbehagen bis hin zu  Misstrauen. Sie ärgern sich, dass die Minder- Initiative auf die lange Bank geschoben wird und hoffen, dass der neue Ständerat nun in Bern als Ständerat Druck ausüben kann.


Fazit: Thomas Minder ist besessen von seiner Mission. (Die BILANZ schreibt bei ihm, er habe einen heiligen Eifer) Er muss aber aufpassen, dass er mit seinem ausgesprochenen Sendungsbewusstsein nicht zu missionarisch wirkt und er im  Wahlkampf (zweiter Teil) keine  Schlammschlacht führt. Dies würde für ihn zum Bumerang. Mich hat es beispielsweise gestört, dass Thomas Minder in seinen Inseraten für sich selbst Mitleid erweckt hatte.  Das hätte  er persönlich nicht für sich selbst tun sollen. Wenn er den Sitz ins "chambre de réflexion" schaffen will, müsste er  die Balance finden zwischen Härte und Flexibilität.



MATTHIAS FREIVOGEL






Sein Herz schlägt für Minderheiten


Er verspricht stets:  Lösungen zu suchen,


 ist Atomgegner


Seine Forderungen müsste der Staat erfüllen.


Die fragwürdigen  SP Botschaften (Abschaffung der Armee, Ueberwindung des Kapitalismus) klammerte er geschickt aus und unterstrich vor allem die jüngste SP Message (Für ALLE statt für WENIGE)


Zum Visualisieren:


Freivogel hat aus meiner Sicht das beste Plakat im Wahlkampf. Professionell gemacht. Das Gesicht gross und bildfüllend - mit vertrauenserweckenden Augen - und dem grossgeschrieben Namen versehen. Dieses eindrückliche Plakat (war an verschiedenen Orten ganz gross aufgemacht). Es unterscheidet sich wohltuend von der Schwemme dilletantischer Plakate, die meist viel zu viele Informationen enthielten.
Auch die Worte der SP Botschaft  (Für ALLE statt für WENIGE) weckt bei den Lesern das richtige Bild.
Matthias Freivogel  spricht aus meiner Sicht viel mediengewandter als beim letzten Wahlkampf. Er nutzt Bilder, sieht sich sich als Brückenbauer und will hier zuerst das Fundament bauen.
Bei den jüngsten Auftritten spricht er zudem viel narrativer (erzählender) und schildert in diesem Wahlkampf auch konkrete Details.
Ferner ist er viel AusDRUCKstärker als früher. Doch stört vielfach seine belehrende Art. (Blick, Stimme, Zeigefinger).


Fazit: Er ist ein ernst zu nehmender Kandidat. Falls er die Stimmen Bühls erhält und die Schaffhauserinnen und Schaffhauser die Finanzierung der Wünsche über die Steuerzahler (Gefahr der Schuldenerhöhung) akzeptieren, könnte er zusätzlich punkten.


CHRISTIAN HEYDECKER





Als FDP Kandidat setzt er sich beim Themenkatalog für weniger Bürokratie ein.
Er will einen gesunden Haushalt (anstatt sich bis zum Bankrott zu verschulden, setzt er aufs Sparen). Dies im Gegensatz zur SP, die  uns früher stets gewarnt hat:"Wollt ihr den Staat zu Tode sparen?"
Heydecker will ferner eine funktionierende Energieversorgung, die günstig und sicher ist, ohne Abhängigkeit vom Ausland.



Heydecker müsste aber als PERSON  spürbarer sein.  Ich hatte in den letzten Jahren mit vielen FDP Kandidaten aus anderen Kantonen zu tun gehabt und immer wieder gesehen: Weil die Partei angeschlagen ist und das schlechte Partei Image sie ständig belastet (Banken, Villiger, Bosse, Boni, Swissair, Honegger, Spoerry, Kopp), können derzeit bei der FDP nur  überzeugende Persönlichkeiten   Erfolg haben. Dies ist durchaus  möglich (Beispiel Doris Fiala). Auch Heydecker müsste jetzt auf das Image der eigenen Person setzen. Das wäre auch  auf der letzten Etappe noch möglich. Denn Image schlägt Fakten d.h. Das Image einer Persönlichkeit ist immer wichtiger als das sachlich Argument.




Zur Vernetzung (zum Moblilisieren):
Pelli verzichtet leider auf eidgenössischer Ebene immer wieder auf Koalitionen. Das ist erfreulicherweise in Schaffhausen nicht der Fall. Ohne das bürgerliche Netzwerk mit SVP, Gewerbetreibender, und bürgerlich denkenden Gruppierungen hätte  Heydecker in Schaffhausen kaum  Chance, aufzuholen oder  Minder noch zu schlagen.
Deshalb war der Entscheid der SVP, Heydecker zu unterstützen, für Heydecker von grosser Bedeutung.


Hinsichtlich dem Kommunikationsverhalten stellte ich beim FDP Kandidaten fest:


Es besteht beim Visualisieren seiner Botschaften ein Defizit. Hier ist  Nachholbedarf. Bei allfälligen Schlammschlachten - die in der zweiten Phase denkbar sind - darf Heydecker auf keinen Fall die Nerven verlieren.
Bei seinen Auftritten habe ich festgestellt, dass Heydecker im Stress- Situation und bei Podiumsgesprächen ein anderes Blickverhalten hat, als bei persönlichen Dialogen und Interviews. Bei den ersten Podiumsveranstaltungen riss er beispielsweise die Augen weiter auf und der Blickkontakt als "Brücke zum DU" fehlte zu oft. Anderseits sprach er dann bei Interviews ( Dialogen) sehr natürlich und war viel weniger verbissen. Gestik, Blick Stimme stimmten dann völlig überein.


Wenn nun Heydecker gewinnen will, müsste er jetzt alle bürgerlichen Kräfte überzeugen und moblilisieren. Er sollte bei allen Auftritten, wie bei einer Small-Talk Situation locker und unverkrampft seine eindeutigen Botschaften (die er bis anhin - stets ohne Weichspüler - vermitteln konnte) nur noch bildhafter vermitteln. Er muss nun als Person überzeugen. Auch bei ihm gilt, was ich bei Hans Minder geschrieben habe. Alles, was ein Politiker sagt, muss verinnerlicht sein und  dialogisch aber auch bildhaft vermittelt werden (Detail, Geschichte, Beispiel).



Das Rennen ist somit völlig offen. Es ist spannend mit zu verfolgen, wer auf der letzten Strecke den Finish gewinnt. Chancen hätten alle drei:



Matthias Freivogels Chance: die Bürgerlichen versplittern die Kräfte und er ist der lachende Dritte.


Thomas Minders Chance: Er hat einen Bonus als Sieger der ersten Runde. Er holt zusätzliche Stimmen aus dem Bühl- Lager und schafft auch die zweite Runde dank der Parteilosigkeit und der Verdrossenheit viele Bürger den etablierten Parteien gegenüber.


Christian Heydecker überholt Minder, weil der Bürgerblock spielt und er in den kommenden Wochen das Bild des engagierten Kämpfers vermitteln konnte.


Ich wiederhole: Das Rennen bleibt somit tatsächlich offen.



LINK:


18. Okt. 2009 ... Sowohl die Person als auch die Präsentation beeinflussen den Inhalt wesentlich. Fakten werden durch die Person oder die Darstellung gefärbt. ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/10_18/index.html


29. Okt. 2010 ... Anlässlich eines Intensivseminares mit Führungskräften arbeitete ich jüngst mit Steffen Lukesch vom Schweizer Fernsehen zusammen. ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/10/10_29/index.html
30. Dez. 2010 ... Die BBB Formel. von Marcus Knill. Vergleichen Sie auch die AAA Regel. B otschaft. Was ist die Key Message? Beispiel. Ein Beispiel für die ...
www.rhetorik.ch/BBB/BBB.html




Siehe auch- Beitrag im Schaffhauser Fernsehen (Mittwoch, 26. Oktober Politgespräch):


vor 3 Tagen ... Polit-Talk Gespräch im Schaffhauser Fernsehen. Im ersten Wahlgang zur Schaffhauser Ständeratswahl hat es Hannes Germann (SVP) mit ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/11/10_26/index.html
 

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