Mittwoch, 10. August 2011

Heute im Gespräch - Politik: Marcus Knill

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Heute in unserem Polit-Talk zu Gast ist der Kommunikationsberater Marcus Knill. Wir sprechen heute mit dem Experten über das tragische Attentat in Norwegen, insbesondere zum Thema: Extremismus in der Politik.
Die Sendung sehen Sie heute ab 18:15 Uhr im Fernsehen und ab 18:30 Uhr online.





EXTREMISMUS in der politischen Kommunikation



Kommentar zum "Gespräch" im Schaffhauser Fernsehen vom 10. August




(Claudio Della Giacoma befragt Marcus Knill)




Wir müssen uns bei dieser Thematik mit allen Formen der Kommunikation von politischen Akteuren befassen, die zur Erreichung ihrer Ziele extreme Mittel einsetzen.
Bei allen Formen des Extremismus, ob von links oder rechts, von Fundamentalisten und religiösen Fanatikern gilt es zu unterscheiden, ob das extreme Gedankengut verbal mit gängigen Beeinflussungsmethoden verbreitet wird oder ob die Heilslehre mit Gewalt durchgesetzt wird, indem sogar  Gegner getötet werden.



"Terrorismus muss erkannt und bekämpft werden - unabhängig von seinen ideologischen Wurzeln. Die Wurzeln sollten wir früh beachten, um einer allfällige Bedrohung vorzubeugen




Jeglicher Extremismus, jeder Fanatismus, jedes fundamentalistische Gedankengut ist gefährlich.



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Vor allem dann, wenn mit Gewalt eine Gesellschaft angeblich gerettet,  verbessert oder verändert werden will. Dies gilt für ALLE terroristische Vorgehensweisen, ob sie von rechts, links, vom Islam oder von anderen fundamentalistischen Gruppierungen kommen.






In einer offenen Gesellschaft müssen wir Diskussionen immer zulassen. Doch dürfen Meinungen nie mit Gewalt durchgesetzt werden.



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Auseinandersetzungen gilt es verbal auszutragen.  Nach einer terroristischen Handlung folgen meist Schuldzuweisungen und es besteht die Gefahr von Ueberreaktionen. Nach einem Anschlag von Oekoterroristen könnten beispielsweise grüne Anliegen mundtot gemacht werden. Anschläge von fanatischen Vertretern des heiligen Krieges führten zu einer Sippenhaft aller Islamisten  und Amerika konnte neue einschneidende Ueberwachungsmassnahmen einführen. Auch nach dem Anschlag in Norwegen war der Ruf nach dem Verbot rechtextremer Parteien zu hören, wie auch die Forderung, Killerspiele zu verbieten, weil sie der Massenmörder konsumiert hatte. Wir müssen aufpassen, dass wir nach extremen Situationen nicht  mit extremen Massnahmen wie Verboten,  Fichen anlegen, Kontrollen usw. überreagieren und wie  in totalitären Ueberwachungsstaaten  die Meinungsfreiheit unbedacht einschränken.

Auch Leser, die nicht zu den Weltwochelesern zählen, fanden folgende Aussage des  Weltwoche - Chefredaktors hilfreich:

"Wer kritisch über  Zuwanderung redet, ist noch kein Breivik, sondern einfach ein besorgter Mensch, der die Probleme nicht unter den Teppich gekehrt haben möchte."

Und ergänzte:

"In der Schweiz können Leute über Minarette abstimmen und müssen nicht zu anderen Methoden greifen."

Mit dieser Formulierung hat Chefredaktor Köppel bei der Thematik "Wahnsinnstat und Politik" bewusst gemacht, dass wir nach dem Verbrechen eines Psychopathen nicht plötzlich alle gebrandmarkt werden dürfen die sich islamkritisch äussern.






Es gilt generell, Worte vermehrt ernster  zu nehmen



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Das Klima in der politischen Landschaft  ist eindeutig härter geworden. Dies ist aber nicht neu. Doch werden die Bilder und Formulierungen zunehmend martialischer (unverfrorener, streitbarer). Medien mit der zunehmenden Boulevardisierung, der Tendenz zum Personifizieren, Emotionalisieren unterstützen diesen Trend. Ob Medien oder Parteien. Alle wünschen letztlich Aufmerksamkeit.
Dieser Trend hat einen Nachteil: Der Dialog und die gesunden Streitkultur kann vergiftet werden. Worte müssten wir heute in allen Belangen wieder viel ernster nehmen. Das gilt überall -  in den Familien, im Beruf und in Schulen.
Wer unbedacht übers Ziel hinausschiesst, rechtfertigt seine Ueberzeichnung meist damit, indem gesagt wird:



- Es war ja nicht so gemeint.



- Ich musste provozieren, um etwas zu bewegen.




Ich zitiere Talmud:


Achte auf Deine GEDANKEN,
denn sie werden zu Worten.

Achte auf Deine WORTE,
denn sie werden zu Handlungen.

Achte auf Deine HANDLUNGEN,
denn sie werden zu Gewohnheiten.

Achte auf Deine GEWOHNHEITEN,
denn sie werden Dein Charakter.

Achte auf Deinen CHARAKTER
denn er wird Dein SCHICKSAL.





Respekt und Wertschätzung sind gefragt


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Obwohl es zulässig ist, Klartext zu reden und Auseinandersetzungen nicht ausgewichen werden soll, gilt für alle Exponenten extremer Meinungen: Trotz klarer Position müssen die Gegner stets mit Respekt behandelt werden. Gefragt ist: Wertschätzung des Gegenübers. Nach dem Harvardprinzip: Ich verstehe Dich, doch ich bin mit Deiner Meinung gar nicht einverstanden.





FAZIT:
Grundsätzlich ist politische Kommunikation martialischer geworden. Dies ist jedoch keine neue Entwicklung, aber in den letzten Jahren hat sich der Trend nochmals verschärft. Was sicher gesagt werden kann: Der Massenmörder Breivik ist kein Resultat dieser Kommunikation allein. Bei ihm haben viele Faktoren mitgespielt. Er ist zum guten Teil ein Psychopath.

Heute greifen Linke und Rechte den Gegner hart an. Zum Teil werden Grenzen überschritten. Vor allem dort, wo andersdenkende Menschen in ihrer Würde verletzt werden. Eine gewisse politische Inkorrektheit in Ehren. Wenn jedoch  der Respekt gegenüber  dem "Gegner" völlig verloren geht, wird es gefährlich. Es wird dadurch legitimiert, dass man gewisse Menschen angreifen (zerstören) kann.  Der Weg von der verbalen zur handfesten Gewalt wird somit kürzer.

 Politiker, die hart austeilen, können  sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Tragen sie doch auch zum destruktiven Klima mit bei.

Wir müssen unbedingt klare Grenze ziehen - zwischen harten  Voten einerseits und verbaler,  physischer, psychischer Gewalt anderseits. Terror ist immer  abzulehnen. Diese Differenzierung wird leider zu wenig gemacht.

Ich bin mir bewusst, dass eine Diskussion länger dauern würde,  wenn man auch noch die notwendige Gewalt gegen  Terroristen oder Diktatoren beleuchten müsste.

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