Die SVP beherrscht die Klaviatur des Mobilisierens
Analog Politologe Perrin frage ich mich, ob die SVP nicht schon zu lange auf der Erfolgswelle reitet und es im Herbst nicht zu einer Abnützung kommen könnte. Unbestritten ist jedoch, dass die Partei im Politmarketing und im Themenmanagement den andern Parteien weit überlegen ist.
Ich zitiere Tagi-online:
Mit Inbrunst bei der Sache:
Bundesrat Ueli Maurer, SVP-Vizepräsidentin Nadja Pieren und alt
Bundesrat Christoph Blocher singen die Nationalhymne. (27. August 2011)
Bild: Keystone
Kandidaten für den National- und Ständerat
unterzeichneten einen «Vertrag mit dem Volk». Sie gaben damit ihr
Wahlversprechen ab. Im Vertrag versprechen die SVP-Politiker gegenüber
ihren Wählern, sich gegen einen EU-Beitritt, für das Stoppen der
Masseneinwanderung und die Ausschaffung krimineller Ausländer
einzusetzen.
Bereits vor vier Jahren hatte die Partei ihre
Wahlkämpfer ein Dokument mit den zentralen Themen der Partei
unterschreiben lassen. Damals gehörte auch der Einsatz für die Senkung
der Steuern zu den Versprechen. Derartige Verträge mit dem Volk haben
auch schon im Ausland mehreren Politikern zum Erfolg verholfen.
Herr Perron, die SVP setzt
an ihrer Delegiertenversammlung stark auf Symbolik, lässt einen Vertrag
mit dem Volk unterzeichnen, verzichtet aber bewusst auf Reden. Gehen
der SVP die Argumente aus?
Nein, das glaube ich nicht. Es gibt im Wahlkampf
zwei wichtige Dinge:
Form und Substanz. In diesem Sinn spielte die SVP gestern virtuos auf
der Klaviatur des politischen Marketings. Darin ist die Partei in der
Schweiz führend. Die SVP inszeniert sich und ihre Kandidatinnen. Der
Event von gestern ist vor allem Handwerk, Kampfeswille - und viel Geld.
Inhaltlich hat man gestern in Oerlikon aber relativ wenig vernommen.
Das stimmt, das war aber auch gar nicht die Absicht hinter der
Veranstaltung.
Es ging nur um die Inszenierung der Partei und der
eigenen Leute. Ich habe aber gewisse Zweifel, dass die SVP mit ihrer
Initiative gegen die Masseneinwanderung den Geschmack einer breiten
Öffentlichkeit trifft.
Warum? Ausländerthemen ziehen doch immer.
Das ist klar, aber hier ist die SVP für einmal zu wenig nah beim Volk.
In den Kantonen Genf und Tessin wurde die Partei von kleinen
Gruppierungen rechts überholt. Das Mouvement des Citoyens Genevois und
die Lega dei Ticinesi konnten mit den Themen der ausländischen
Arbeitskräfte punkten. Die Initiative war wohl vor allem eine Reaktion
auf diese Wahlschlappen. Zusätzlich zum Tessin und Genf ist die
Einwanderung im Kanton Zürich vielleicht noch ein Thema wegen den vielen
Deutschen Neuzuzügern. Ob die Partei im Rest der Schweiz damit gross
punktet, bezweifle ich.
Wird die SVP erneut die grosse Wahlsiegerin?
Die SVP hat in den letzten 20 Jahren die politische Schweiz
richtiggehend umgepflügt.
Keine Partei mobilisiert ihre Leute besser als
die Volkspartei. Es zeigen sich aber gewisse Ermüdungserscheinungen.
Zudem fehlt der Partei im Wahlkampf ein Knallerthema wie die Initiative
zur Ausschaffung krimineller Ausländer oder die Minarett-Initiative. Ich
denke, dass sich der Prozentanteil der SVP nicht gross verändern wird.
Die
SVP bricht ihre Positionen im Vertrag mit dem Volk auf drei Punkte
herunter. Die SP dagegen philosophierte monatelang über ihr neues
Parteiprogramm.
Die SVP macht da alles richtig,
sie setzt kurze Botschaften und
wiederholt sie immer wieder. Das mit dem SP-Parteiprogramm war ein
Betriebsunfall. Normalerweise haben die Parteileitungen ihre Schäfchen
im Griff. An jener legendären Parteiversammlung entstand eine
Eigendynamik. Plötzlich wurden mehrere Anträge der Juso angenommen. Am
Schluss hatte die SP ein Parteiprogramm, das die Leitung eigentlich gar
nicht wollte. Die SP könnte durchaus nochmals verlieren. Unter Christian
Levrat setzt sie auf eine gewerkschaftsfreundliche Linie, bei der der
Verteilungskampf zentral ist. Diese Strategie wird nicht aufgehen. Der
frustrierte Familienvater, wenn ich die Strategie mal so zusammenfassen
darf, wählt schon längst nicht mehr SP.
Wie beurteilen Sie den bisherigen Wahlkampf der SVP?
Die SVP hat viermal hintereinander die Nationalratswahlen gewonnen, weil
sie den anderen Parteien betreffend Wahlkampf, Politmarketing und
Themenmanagement haushoch überlegen war. Der Vorsprung schmilzt aber.
Ich würde dem Wahlkampf der SVP die Note 5 geben.
Gestern hat die SVP zudem das Kosovo-Schlitzer-Inserat auf Druck der Verlage abgeschwächt. Das war doch knallhartes Kalkül.
Absolut. Seit 1992 geht die SVP nach dem gleichen Muster vor:
Sie erregt
Aufmerksamkeit mit einer Kampagne an der Grenze des guten Geschmackes
und kommt dann - im Sog der öffentlichen Entrüstung - auch im
redaktionellen Teil der Medien unter. Erstaunlich ist die Passivität der
anderen Parteien.
Und FDP-Präsident Fulvio Pelli radelt mit dem Velo durchs Land...
Die Idee find ich gar nicht mal so schlecht. Pelli ist keiner, der in
einer Arena glänzen kann. Aber er ist ein sympathischer Politiker aus
einem schönen Teil der Schweiz. Den Ansatz, ihn mal anders zu zeigen,
macht also durchaus Sinn. Wirtschaftsminister Schneider-Ammann wird der
FDP bei den Wahlen aber schaden. Und auch mit der Initiative für weniger
Bürokratie politisiert die FDP komplett am Volk vorbei. Die Partei wird
wohl weiter verlieren.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Ende Zitat
Kommentar: Ich gehe mit Politologe Perrin einig. Bei der SVP könnte es zu gewissen Ermüdungserscheinungen kommen.
Der Erfolg beim Botschaftenmanagement, Mobilisieren und des Beeinflussens basieren auf folgenden bewährten Kommunikationsgrundsätzen:
- Mit Provokationen schafft sich die SVP Aufmerksamkeit und wenn sich die Gegner über die Plakate aufregen, helfen sie eigentlich der Partei zu einer Gratisverbreitung der Kernbotschaft. Oft wird das provokative Plakat (als schlechtes Beispiel) nochmals abgebildet.
- Auf allen Plakaten wird die Kernbotschaft vereinfacht und gut visualisiert (Bilder sagen mehr als Worte)
- Die Dachbotschaft ist immer einfach und kurz. Die Reduktion des Vertrages mit dem Volk wurde auf drei Punkte reduziert
- Die Partei versteht, das Volk (und die Arbeiterschaft, die eigentlich zur SP gehört) zu mobilisieren, weil sie auf die Stimme des Volkes auf Probleme, die dem "Otto Normalverbraucher" unter den Nägel brennen, eingeht
- Nicht nur Christoph Blocher versteht es, sich zu inszenieren
- Dank mediengerechter, verständlicher, bildhafter, einfacher Aussagen können die Medien die Akteure der SVP nicht einfach totschweigen und ausklammern. Die Auftritte der SVP Exponenten (Brunner, Blocher, Ricklin, Amstutz, Mörgeli usw. bringen Einschaltquoten
- Durch die gefüllte Kampfkasse ist es nicht so einfach, die Parteiexponenten der SVP auch in den linksfreundlichen Medien einfach auszuklammern
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Aus Tagi:
Blochers Stimmenfangmaschine läuft auf Hochtouren