Mittwoch, 1. Juni 2011

 Kachelmann und die Medien

Ich habe verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die Medien im Fall Kachelmann eine eigenartige Rolle gespielt haben. Richter haben bestätigt, dass sie sich auch vom Medienecho beeinflussen lassen. Jedenfalls übten die Medien mit der Skandalierung Druck aus auf das Gericht. Vieles war aussergewöhnlich. Was störend war: 

Die Medien nahmen zu wenig Rücksicht auf die Privatsphäre des Angeschuldigten. Es kam zu Vorverurteilungen. Der Medientsuami  war aussergewöhnlich. Ein Journalist wird nun diese Geschichte in einem Buch "Anatomie eines Skandals" analysieren.

Leider ist heute noch vieles unklar und unbefriedigend.

Weder Schuld noch Unschuld ist bewiesen. Gutachen und Gegengutachten brachten während der langen Zeit keine Klarheit. Der Freispruch basiert lediglich auf dem Grundsatz: Im Zweifelsfall für den Angeklagten.

 

  Ich zitiere NZZ:

 

Kachelmann-Richter rügt Medien scharf

«Persönlichkeitsrechte der Beteiligten mit Füssen getreten»

Von den Medien bedrängt: Jörg Kachelmann. (Bild: Keystone/ap)Zoom


Von den Medien bedrängt: Jörg Kachelmann. (Bild: Keystone/ap)

Ein wesentlicher Teil des schriftlichen Urteils im Fall Kachelmann besteht aus einer Verurteilung der journalistischen Vorgehensweise. Nach Meinung des Landgerichts Mannheim hat diese nichts mehr mit öffentlicher Kontrolle der Justiz zu tun.


Neun Seiten umfasst das schriftliche Urteil, mit dem das Landgericht Mannheim am Dienstagmorgen den Schweizer Wettermoderator Jörg Kachelmann vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung freigesprochen hat. Auf drei dieser neun Seiten kritisiert das Gericht die Medien scharf. Vor allem im Internet existierten offenbar keine Grenzen, stellt das Gericht mit Befremden fest. In Meinungsforen und Blogs seien im Laufe des Verfahrens die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, des mutmasslichen Opfers, aber auch der Richter mit Füssen getreten worden. Eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, habe für die Betroffenen nicht bestanden.


Unzulässige Ferndiagnosen

Das Gericht setzte die Medienkritik mit dem Vorwurf fort, auch angeblich Sachkundige hätten der Versuchung nicht widerstehen können, ohne Kenntnis der Akten und ohne an der Verhandlung teilgenommen zu haben, Ferndiagnosen zum Besten zu geben. Die öffentliche Debatte sei geprägt gewesen von vorschnellen Prognosen und dem einseitigen Präsentieren von Fakten. Das habe zwar Schlagzeilen garantiert, der Wahrheitsfindung sei es aber in hohem Masse abträglich gewesen. Eine Gerichtsverhandlung sei auch nicht dazu da, einer breiten Öffentlichkeit Unterhaltung zu bieten.

Meinungsumfragen als Scherbengericht

Mit Befremden habe das Gericht auch von Meinungsumfragen Kenntnis genommen, heisst es weiter im Urteil. Wenn auf diesem Weg über Schuld oder Unschuld des Angeklagten entschieden werde, verkomme das Gerichtsverfahren zu einem reinen Event. Dem Ansehen der Justiz werde mit solchen Methoden massiver Schaden zugefügt. «Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte hat diese Form der Medienarbeit nichts zu tun», schliesst das Gericht seine scharfe Kritik an den Medien.


Fazit:

Kachelmann und die Medien (aus meiner Sicht):

Ein Teil der Medien hat gegen das Grundprinzip verstossen, dass Journalisten immer unbeteiligte Beobachter eines Geschehens bleiben müssen.

Gutachter wurden bei diesem Monsterprozess kritisiert, bevor die Gutachten vorgestellt worden sind.

Mit der Gewichtung von Zeugenaussagen wurde versucht, Stimmung gegen oder für eine Sichtweise zu machen.

Die einmalige Medienschlammschlacht hat  sich auch auf die Zeugenaussagen ausgewirkt.

Problematisch finde ich, dass von Medien Geld gezahlt wurde für Interviews. Für die Interviewten besteht nämlich dann die Gefahr, dass sie ihre Sicht möglichst dramatisch darstellen.

Nach amerikanischer Manier versuchten die Verteidiger die Medien für ihre Interessen zu instrumentalisieren. In dieser Hinsicht haben bei diesem Prozess  auch die Staatsanwälte nachgezogen.

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