Mittwoch, 8. Juni 2011

«Als Quotenzugpferd wäre Kachelmann interessant für Sender wie RTL»

 

(Zitat Tagi)

 

Wird Jörg Kachelmann ins Fernsehen zurückkehren? Experten halten dies für möglich – und sie sagen, was es für ein TV-Comeback braucht.

Erinnerung an bessere Zeiten: Jörg Kachelmann als TV-Wettermoderator im Jahr 2009.



Erinnerung an bessere Zeiten: Jörg Kachelmann als TV-Wettermoderator im Jahr 2009.
Bild: Keystone





«Er ist nicht mehr der nette und sympathische Kachelmann»: Marcus Knill, Kommunikationsexperte.





«Als Privatperson sollte Kachelmann die Öffentlichkeit im Moment nicht suchen; auch nicht in den Social Media»: Franco Gullotti, Experte für Rechtskommunikation.

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«Wollen Sie Jörg Kachelmann wieder auf der Mattscheibe sehen?», fragte die «Bild»-Zeitung, nachdem der Schweizer TV-Wettermoderator vom Landgericht Mannheim freigesprochen worden war. Und das Ergebnis der Umfrage war klar: Mehr als jeder zweite Deutsche will Kachelmann als Wettermoderator zurück. Ausserdem zeigte ein Monitoring von Ethority, einer deutschen Marketingagentur für Social Media, dass Facebook- und Forennutzer sowie Twitterer und Blogger wenige negative Kommentare über den 52-jährigen Meteorologen äusserten. Ein prominenter deutscher Medienpsychologe, Jo Groebel, erachtet ein TV-Comeback als möglich, wie er dem «Kurier» sagte, «weil Kachelmann die Öffentlichkeit braucht» – «vielleicht als Moderator einer Talkshow über persönliche Schicksalsschläge und grosse Dramen». Für eine solche Sendung sei Kachelmann geradezu prädestiniert.
Noch grösserer Promi- und Bekanntheitsstatus nach Prozess


Nach Ansicht von Experten ist der Weg zurück ins Fernsehen allerdings noch lang – sofern Kachelmann dies überhaupt möchte. «Er ist nicht mehr der nette und sympathische Kachelmann», sagt der Schweizer Kommunikationsexperte Marcus Knill im Gespräch mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. Der Freispruch, der im Übrigen noch nicht rechtskräftig sei, habe ihn nicht reingewaschen. «Das Negativ-Image als Folge des Vergewaltigungsprozesses und der Frauengeschichten wird an ihm hängen bleiben.» Dennoch: «Die Chance ist da, dass Kachelmann nach einiger Zeit wieder im Fernsehen auftreten darf», sagt Knill. Ein TV-Comeback sei allerdings nur möglich, wenn das Verfahren in Mannheim abgeschlossen ist und nicht neu aufgerollt wird.
Laut Knill hat Kachelmann einen Promi- und Bekanntheitsstatus, der durch den international stark beachteten Prozess zusätzlich verstärkt wurde. Dieser Status sei ein Kapital, das Kachelmann nutzen könnte, um zum Beispiel ein Buch über seine Geschichte zu schreiben (Drehbuch für einen Film?). Oder er könnte wieder als Moderator für das Fernsehen arbeiten. «Als Quotenzugpferd wäre Kachelmann interessant für deutsche Privatsender wie RTL», sagt Knill. «Und die ARD, für die er gearbeitet hatte, hat eine Rückkehr nicht zum Vornherein ausgeschlossen.»


«Zahlreiche unglückliche Kommunikationsaktionen»


Franco Gullotti, Jurist und Experte für Rechtskommunikation in Winterthur, ist der Ansicht, dass Kachelmann nicht so schnell ins Fernsehen zurückkehren werde. Öffentlich-rechtliche Sender wie ARD oder grosse Privatsender wie RTL würden kaum das Risiko eingehen, Kachelmann im Moment zu engagieren. Vor allem nicht, solange der Prozess andauere. «Die beschädigte Reputation von Kachelmann könnte auf den Fernsehsender zurückfallen.» Allenfalls könnte er es bei einer kleinen lokalen TV-Station versuchen.
Es würden ein paar Jahre vergehen, bis eventuell ein Comeback bei einem grossen Sender möglich sein werde, sagt Gullotti. Dies habe auch mit «zahlreichen unglücklichen Kommunikationsaktionen» rund um den Prozess in Mannheim zu tun. Die Anwälte von Kachelmann hätten mit Nebenklagen gegen Medien immer wieder weiteren Stoff für Geschichten geliefert. Das möge juristisch Sinn machen, Kachelmanns Reputation habe es nicht geholfen. Im Gegenteil: «Diese zusätzliche und unnötige Publizität schadete Kachelmann, da er immer wieder Schlagzeilen lieferte.»


Kachelmann-Attacken auf Medien via Twitter sind «nicht klug»


Wäre er Kachelmanns Reputationsmanager, würde Gullotti dem TV-Moderator raten, sich ausschliesslich auf den Prozess zu konzentrieren, bis es zu einem letztinstanzlichen Urteil kommt. Ausserdem: «Als Privatperson sollte Kachelmann die Öffentlichkeit im Moment nicht suchen; auch nicht in den Social Media.» Genau das macht aber Kachelmann: Auf Twitter kommentiert er das Wetter. Aber nicht nur: Immer wieder attackiert er das deutsche Medienhaus Burda, das unter anderem die Zeitschrift «Bunte» herausgibt, die manche wenig schmeichelhafte Artikel über Kachelmann veröffentlichte. Diese Twitter-Attacken sind «nicht klug», sagt Gullotti. «Denn damit bleibt er viel stärker Thema in den Medien. Es ist ein Fehler, Medien gegen sich aufzubringen.»
Auch Kommunikationsexperte Knill meint, «dass Medienschelten der grösste Fehler sind, den Kachelmann in seiner Situation machen kann». Dies könnte sich kontraproduktiv auswirken. Eigentlich sei Kachelmann ein Medienvollprofi, sagt Knill. Und er verweist auf die Auftritte Kachelmanns in Mannheim. Kachelmann wisse, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentieren müsse, denn er kenne die Wirkung von Bildern. «Alle Auftritte Kachelmanns vor Gericht schienen inszeniert. Er war immer rasiert und sauber gekleidet, stets beherrscht und gefasst. Nie wirkte er griesgrämig. Alle Auftritte waren bedacht.»


Eigene Firma Meteomedia und Radio Basel als gute Ausgangslage


Knill räumt Kachelmann gute Chancen für ein öffentliches Comeback ein. Nach einer Weile des Wartens könne er den Karriereknick Schritt für Schritt wieder wettmachen und dabei Vertrauen aufbauen. Mit seiner Firma Meteomedia habe Kachelmann eine gute Ausgangslage. Dazu komme das Engagement bei Radio Basel, das seinem Freund Christian Heeb gehört. Laut Heeb werde Kachelmann gelegentlich ein Projekt präsentieren, das sehr schnell grosse Beachtung finden werde.


Klar ist, dass Kachelmanns Weg zurück über ein besseres Image führen muss. Der Vorwurf der Vergewaltigung wird allerdings an ihm hängen bleiben, wie Gullotti sagt. Vielleicht nicht juristisch – aber als moralischer Beigeschmack. «Wer im Gerichtssaal gewinnt, verliert unter Umständen im Gerichtssaal der Öffentlichkeit.» Kachelmann habe dereinst die Chance, durch Taten sein Image zu verbessern. «Dabei sehe ich Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit in der Kommunikation als die beste Strategie, sein Image zu verbessern. Es geht darum, Schwächen oder Fehler einzugestehen», erklärt Gullotti. Ein Beispiel dafür sei Tiger Woods, der nach seinen sexuellen Eskapaden öffentlich Reue gezeigt und sich entschuldigt hat. Die Reputation des Golfstars sei weitgehend wiederhergestellt.


«Zusätzliche öffentliche Auftritte sind nicht ausgeschlossen»


Und was meint Kachelmann, dessen Comeback nach dem Freispruch Anlass für Spekulationen ist? Kachelmann schweigt wie schon im Prozess in Mannheim. Kachelmann will sich zurzeit nicht in den Medien äussern, wie sein Sprecher von der PR-Firma Farner Consulting in Zürich auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagte.
Unmittelbar nach der Urteilseröffnung des Landgerichts Mannheim hatte der Farner-Mann verlauten lassen, dass «Kachelmann ab sofort seine Kraft wieder ganz der Meteomedia Gruppe widmen können wird». Dazu gehörten seine Kommentare zum Wettergeschehen in Medien wie Radio Basel, Radio Primavera und Twitter. Und weiter: «Zusätzliche öffentliche Auftritte sind in Zukunft nicht ausgeschlossen.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)




ZUSAETZLICHE BEMERKUNG ZUR THEMATIK COMEBACK KACHELMANNS:




Ist für ihn ein Comeback möglich?




Es hat sich immer wieder gezeigt, dass Prominente trotz Gerichtsverhandlungen und Imageeinbussen wieder zurückfanden  in den Beruf und in den Prominentenstatus.
Thomas Borer konnte die Geschichte mit der Nackttänzerin nie bewiesen werden (es konnte bis heute nicht geklärt werden, ob die Geschichte wahr ist). Es kam zum Vergleich und heute ist Thomas Borer wieder ein gefragter Berater. Den Botschafterjob verlor er.
Moderator Michael Friedmann verschwand von der Medienbühne, als ihm fragwürdige Machenschaften mit Frauen und Drogengeschichten nachgewiesen werden konnten. Dank eindeutigem Mea Culpa gelang ihm ein Befreiungsschlag. Heute  ist er wieder am Bildschirm.
Andreas Türck konnte nachweisen, dass man ihn zu Unrecht in den Schmutz gezogen hat. Doch zeigte sich in diesem Fall, dass hinsichtlich Image immer etwas kleben bleibt nach der Volksweisheit: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Türck wollte nicht mehr zurück. Er konnte trotz Rehabilitation getroffen werden.  



Bei Jörg Kachelmann kam es zwar zu einem Freispruch, doch ist damit nicht bewiesen, dass er die Klägerin  nicht vergewaltigt hat. Der Fall könnte weiter gezogen werden. Die Staatsanwaltschaft hat jedenfalls bereit Berufung eingelegt. Es ist somit noch offen, ob der Schaden für Kachelmann irreparabel ist, den der Monsterprozess angerichtet hat. Gibt es bei ihm einen Karriereabbruch oder nur einen Karriereknick? Alles ist offen. Ich habe Jörg Kachelmann als Medienprofi am Bildschirm erlebt. Ich habe jüngst aus zuverlässiger Quelle gehört, dass  sich Kachelmann persönlich fürchtet, dass die Geschichte neu aufgerollt wird oder irgend eine andere Frau ihn böswillig beschuldigen könnte.




Nachtrag:


«Ich habe Menschen verarscht»


Von Vincenzo Capodici.     
Jörg Kachelmann hat der «Zeit» das erste Interview nach dem Freispruch gegeben. Er spricht über seine Wut, seine Fehler, seine Pläne. Und er macht klar, dass er mit allen rechtlichen Mitteln um seine Ehre kämpft.


«Ich habe heute ein wunderbar geordnetes Berufs- und Privatleben. Ich weiss, was richtig und was falsch ist»: Jörg Kachelmann. (Ausriss: «Die Zeit»)


Die «Zeit» im Pro-Kachelmann-Lager

Jörg Kachelmann ist am vorletzten Dienstag am Landgericht Mannheim vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden – gemäss dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten». In der renommierten Wochenzeitung «Zeit» meldet er sich erstmals öffentlich zu Wort. Und das ist wohl kein Zufall. Sabine Rückert, Gerichtsreporterin der «Zeit», die auch am heute erschienenen Interview beteiligt war, gehörte von Anfang an dem Pro-Kachelmann-Lager an. Und Rückert spielte auch eine zentrale Rolle, als Kachelmann Ende November 2010 seinen Verteidiger auswechselte. Der Hamburger Anwalt Johann Schwenn, der Reinhard Birkenstock ersetzte, ist ein guter Bekannter der «Zeit»-Journalistin Sabine Rückert. (vin)



 



«Ich habe nicht unbedingt an einen Freispruch geglaubt», sagt Jörg Kachelmann in einem grossen Interview mit der deutschen Wochenzeitung «Zeit» (Artikel online nicht verfügbar). Denn im Laufe des Prozesses, der Ende Mai nach über 40 Verhandlungstagen zu Ende ging, habe er den Glauben an die deutsche Justiz verloren. «Ich habe im Gerichtssaal so viel Irrationalität kennengelernt, vor allem auch von den Mannheimer Staatsanwälten, dass ich bis zum Schluss mit der menschlichen Irrationalität rechnen musste.» Er wisse nicht, ob er eine Verurteilung persönlich verkraftet hätte. Er habe jedoch viele zuvor noch unvorstellbare Dinge verkraftet. So habe er 132 Tage in Untersuchungshaft gesessen. «Unschuldig im Knast», wie er betont.

Für das «Zeit»-Interview, das sich über ganze drei Seiten erstreckt, hat sich Kachelmann auf einer Wiese fotografieren lassen. Er trägt ein offenes, rotes Holzfällerhemd, darunter ein weisses T-Shirt, und Jeans. Die Hände stecken lässig in den Hosentaschen. Kachelmann ist ein Medienprofi, der die Wirkung von Bildern kennt. Er weiss, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss. Die Fotos erinnern an den netten und sympathischen Kachelmann, der er vor dem Mannheimer Prozess war.

«Das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat – das ist kriminell»

Der 52-jährige TV-Moderator beteuert erneut seine Unschuld. Und er erklärt, weshalb er im Gerichtssaal geschwiegen habe. «Was sollte ich auch mehr sagen als die kurze Wahrheit: ‹Ich habe keinem Menschen Gewalt angetan!›» An diesem «Schwachsinn», der über ihn erzählt worden sei, habe er sich nicht beteiligen wollen. «Ich hätte an jedem Prozesstag hundertmal aufstehen und sagen müssen: ‹Das ist gelogen›.»

Im Interview gibt sich Kachelmann auch selbstkritisch und räumt Fehler ein. «Ich habe Frauen belogen und ihnen Räubergeschichten erzählt. (...) Ich habe Menschen verarscht. Es gibt keine Entschuldigung dafür.» In die Reue mischt sich aber auch Wut – Wut auf seine frühere Geliebte Sabine W. «Das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat, als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte – das ist keine Verarsche. Das ist kriminell.»

Kachelmann schreibt ein Buch mit dem Titel «Mannheim»

Trotz allem: Kachelmann möchte nicht resignieren und nicht auswandern. Er bleibt in der Schweiz und in Deutschland: «Ich will was unternehmen.» Neben der Arbeit in seiner Firma Meteomedia und den Engagements bei Radio Basel und Radio Primavera hat er ein konkretes Projekt. So schreibt er an einem Buch, das bald herauskommt. «Es soll den Titel ‹Mannheim› tragen. Mannheim als Sinnbild des Elends.»

Kachelmann macht klar, dass er mit allen Mitteln um seine Ehre kämpft. «Ich werde die Behauptung nicht auf mir sitzen lassen, dass ich gewalttätig gewesen sein soll.» Zivil- und strafrechtlich werde er versuchen, alle Leute zu belangen, die das behauptet haben. «Alles, was deutschen, schweizerischen und amerikanischen Anwälten einfällt, möchte ich in die Schlacht werfen.» Kachelmann klagt, dass seine über 80-jährige Mutter gelitten habe wegen der Vorwürfe von Sabine W. und dass seine Kinder in die Sache hineingezogen worden seien. Auf allzu private Fragen über die Ehe mit der jungen Frau, die er noch während des Prozesses heiratete, reagiert Kachelmann gereizt: «Das geht Sie einen Scheiss an!» Er sagt lediglich, dass sie ihm in der schwierigen Zeit sehr geholfen habe.

«Finanziell hat mich das komplett fertiggemacht»

Im Alltag bewegt sich Kachelmann sehr vorsichtig, und er hat neue Gewohnheiten entwickelt. Er fliege zum Beispiel nicht mehr mit der Lufthansa, weil er vor seiner Festnahme am Frankfurter Flughafen mit dieser Airline geflogen war – und weil die Passagiere der Lufthansa unter anderem die «Bunte» zu lesen bekommen. Kachelmann vermeidet auch Situationen, in denen er mit einer unbekannten Frau allein ist – weil jemand noch einmal derartige Vorwürfe gegen ihn erheben könnte. Und er lässt sich in Baden-Württemberg, wo Schwetzingen und Mannheim liegen, nicht mehr blicken.

Der TV-Moderator lässt durchblicken, dass er dringend Geld braucht. «Finanziell hat mich das alles komplett fertiggemacht.» Scherzend ruft er im Interview die Leserinnen und Leser der «Zeit» auf, ihm ein Seegrundstück in Kanada für eine knappe Million Euro abzukaufen. Den letzten 15 Monaten kann Kachelmann auch Positives abgewinnen. Er habe viel Zeit zum Nachdenken gehabt. «Ich habe heute ein wunderbar geordnetes Berufs- und Privatleben. Ich weiss, was richtig und was falsch ist.» Und er weiss jetzt, wer seine wahren Freunde sind, nachdem er 97 Prozent seines Bekanntenkreises verloren habe. «Es taugen nur ganz wenige, aber die taugen tierisch viel.»
(Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)



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