Mittwoch, 30. März 2011

Die SVP und die Atomdebatte



Ich zitiere Tagi:



SVP-Chef Toni Brunner weiche der AKW-Diskussion aus, kritisiert Grüne-Präsident Ueli Leuenberger. Brunner: «Ich diskutiere gern mit ihm, zum Beispiel über Migration und Europa.»
Liegen sich vor dem Hintergrund der Atomdebatte in den Haaren: Grüne-Chef Ueli Leuenberger (l.) und Toni Brunner, SVP-Präsident.
Liegen sich vor dem Hintergrund der Atomdebatte in den Haaren: Grüne-Chef Ueli Leuenberger (l.) und Toni Brunner, SVP-Präsident.
Bild: Keystone

Kommentar:

Persönlich vertrete ich bei der Krisenkommunikation die Meinung, dass es falsch ist, zu schnell langfristige Entscheide vorschnell zu treffen. ENSI hatte nach der Katastrophe nach meiner Sicht bedacht gehandelt, indem sie die Vorkommnisse in Japan verfolgte und als Sofortmassnahme von allen Kernkraftwerken in der Schweiz hinsichtlich Erdbebensicherheit, Ueberflutung und Notstromgruppen (zur Kühlung) einen Bericht verlangte (Termin 31.1.).
Nach meinem Dafürhalten hat Deutschland unbedacht gehandelt, indem - ohne Grund - sofort 7 Werke abgestellt worden sind.


Ein Arzt, der bei einem Patienten unter Zeitdruck einen wichtigen Eingriff vornehmen muss, der klärt zuerst alles und prüft auch in Ruhe, ob alles richtig vorbereitet ist - obschon es um Leben und Tod geht.

Bei der Krisenkommunikation hat sich das Antizyklische Verhalten gelohnt: "Taxifahrer fahren sie langsam, es eilt!"

Aus meiner Sicht darf man deshalb der SVP im jetzigen Zeitpunkt  keinen Vorwurf machen, wenn sie  nicht mit den Wölfen geheult hat. Nach der Klärungsphase hingegen, müsste sich die Partei schon noch  zu einer klaren Positionierung bekennen.


Ich zitiere Tagi online und Basler Zeitung:



Das Schweigen der SVP


Wie lange kann sich die Volkspartei der Atomdebatte entziehen? Politexperten sagen, wo bei der Schweige-Strategie die Risiken lauern.
1/4 Politikerrunde in der «Arena»: Wo normalerweise führende SVP-Strategen mitdiskutieren, vertrat diesmal der Solothurner Walter Wobmann (links) die Partei. Das Thema: «AKW-Ausstieg, aber wie?».
Die SVP ist bekannt für klare Positionen und deutliche Stellungnahmen. Doch seit die Folgen des Tsunamis in Japan den öffentlichen Fokus auf die Energiepolitik gelenkt haben, ist es um die Volkspartei still geworden.
«Wir, ich meine die SVP, hängen nicht an der Kernkraft als solcher», lautete die sibyllinische Antwort von Alt-Bundesrat Christoph Blocher im Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz auf die Frage, ob ein neues AKW hermüsse. Im Parteicommuniqué pocht die SVP auf «Sachlichkeit» in der Beurteilung der Situation. Sachlichkeit – kein Attribut, das sich die SVP üblicherweise auf die Fahne schreibt.
Die Parteiverantwortlichen fehlen in den öffentlichen Auseinandersetzungen fast gänzlich. So auch in der «Arena», wo meistens prominente SVP-Köpfe Teil der Politikerrunde sind, diesmal aber der Solothurner Nationalrat Walter Wobmann zum Thema «AKW-Ausstieg, aber wie?» mitdiskutierte. Dass die SVP in der Atomdebatte Berührungsängste hat, zeigt auch die Traktandenliste der Delegiertenversammlung vom vergangenen Wochenende in Lugano: Japan und die Energiepolitik waren mit keinem Wort erwähnt.


«Die Bevölkerung nicht ernst nehmen»


Wie lange kann sich eine Partei im Wahljahr einem Thema entziehen, das die Bevölkerung augenscheinlich beschäftigt? «Eine Partei, die zu einem zentralen Thema keine Stellung nimmt, hat ein Problem», sagt Politologe Georg Lutz. «Stur auf dem angestammten Standpunkt zu beharren, hiesse, die Bevölkerung nicht ernst zu nehmen. Anderseits sind die Parteien, welche im Sog des Mainstreams umschwenken, auch nicht besser.»
Ein Problem könnte für die SVP jene Minderheit ihrer Basis werden, die atomkritisch eingestellt ist, sagt Lutz. Die Hoffnung der SVP, das Interesse an dem Thema würde in den kommenden Monaten abklingen, dürfte sich nach Lutz nicht erfüllen: «Es erreichen uns fast stündlich neue Hiobsbotschaften aus Japan, die Aufräumarbeiten werden Jahrzehnte dauern.»


«SVP-Wählern ist das Umweltthema weitgehend egal»


Aus SVP-Sicht sei die Nicht-Kommunikation richtig, sagt Politberater Louis Perron auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. «Als Parteistratege würde ich auch versuchen, das Thema zu ignorieren, statt wie die andern Parteien eine Pirouette zu drehen.» Die Wählerschaft der SVP unterscheide sich von jener der Mitteparteien sehr stark, «den SVP-Wählern ist das Umweltthema weitgehend egal». CVP und FDP hingegen kämen von den Grünliberalen unter Druck. «Vielen jungen und urbanen Mittewählern ist der Umweltschutz wichtig, nach dem Unglück in Japan mehr denn je.»
Sollte ein Paradigmenwechsel in der Energiepolitik stattfinden, habe die SVP ein Problem, sagt Perron. Kurzfristig sei die Medienabsenz für die Partei nicht gravierend, da sie den gekauften Raum weitgehend dominiere. «Die SVP hat genug Geld, um mit Inseraten und Plakaten präsent zu bleiben.»


«Die SVP verhält sich richtig»


Kommunikationsberater Marcus Knill beurteilt die Zurückhaltung der SVP aus Sicht der Krisenkommunikation: «Die SVP verhält sich zurzeit richtig. Man soll erst entscheiden, wenn Informationen da sind. Also frühestens morgen Donnerstag, wenn das eidgenössische Nuklearinspektorat erste Angaben macht über die Sicherheit in Schweizer Atomkraftwerken.» Die Begründung von Parteipräsident Toni Brunner, in der Krise sollten keine weitreichenden Entscheide gefällt werden, sei plausibel, sagt Knill. «Natürlich müsste die SVP diesen Grundsatz auch in andern Situationen beherzigen, wenn beispielsweise ein Flüchtlingsstrom die Schweizer Grenze passieren würde und ebenfalls internationale Vereinbarungen abgewartet werden müssten.»
Wird das Unglück in Japan zum Wahl-GAU für die Schweizerische Volkspartei? «Das hängt davon ab, was zum zentralen Streitthema bei den Wahlen wird», sagt Politologe Claude Longchamp. Ob die Energiedebatte bald an Dramatik verliert, darüber sind Wahlkampfexperten geteilter Meinung. Jedenfalls werde die SVP laut Longchamp alles daran setzen, dass das für die Wahlen entscheidende Meinungsklima durch eines ihrer Themen erzeugt werde, also durch Migration, Kriminalität oder EU.


«Ländlich-konservative Wähler könnten sich umorientieren»


«Wenn die SVP jetzt auf das Thema AKW aufsteigt, fördert sie das vor allem von den Grünen gesuchte wertehaltige Pingpong», sagt Longchamp. «Ein Umdenken wie bei der BDP, teilweise auch bei FDP und CVP, kommt für die SVP nicht infrage, also bleibt nur die harte Verteidigung der Kernenergie. Die würde im Moment grosse Angriffsfläche bieten.»
Doch das Schweigen habe Risiken. Laut Longchamp könnten sich zweifelnde Teile der Wählerschaft, vor allem der ländlich-konservativen, umorientieren Richtung BDP oder Grünliberale. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

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