Sonntag, 26. Dezember 2010

Narrative Rhetorik ist Gold (Geld) wert


.Einem Schweizer Senior gelingt es seit Jahren, sich  dank seiner sympathischen Art und gut  erfundenen,  auch gut erzählten Geschichten bei  Anhaltern - seit Jahren - kleine bis mittlere Geldbeträge  abgewinnen. Die Opfer sind ihm darob nicht böse.

max le suisse
6 Min. - Vor 3 Tagen
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«Max le suisse» ist dreist, aber auf eine so liebenswürdige Art und Weise, dass ihm die Leute zu Hunderten auf den Leim gehen. Und das wohlgemerkt seit Jahren. Seine Geschichten sind so gut und er trägt sie so überzeugend und sympathisch vor, dass er nicht einmal explizit um Geld bitten muss. Seine Opfer geben es ihm freiwillig. Das hat auch juristische Konsequenzen: Was er tut, ist nicht illegal, hat ein Gericht festgestellt.
Max heisst mit bürgerlichem Namen Matteo Staub, ist 57 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Bellinzona. Er kam 2000 nach Frankreich, offenbar auf der Flucht wegen eines kleineren Finanzvergehens. Er spricht fliessend Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Englisch. Er hat einen sportlichen Teint, schneeweisses Haar und tadellose Manieren. Ein liebenswürdiger Senior, dem offenbar niemand unlautere Absichten unterstellen würde. Genau aus dieser vermeintlichen Vertrauenswürdigkeit schlägt er Kapital.


Auto gestohlen



Üblicherweise stellt er sich hilflos an den Strassenrand und erzählt denen, die anhalten, seine erfundene, aber deswegen nicht minder anrührende Geschichte: Er sei ein Geschäftsmann auf dem Weg zu einer Sitzung, doch sein Auto sei ihm gestohlen worden. Manchmal gibt er sich als CEO der Schweizer Firma «Ecosnow» aus, die Schneekannonen produziert. Natürlich existiert sie nicht. Oder er ist ein Wissenschaftler auf dem Weg an eine Konferenz. Oder wie jetzt an Weihnachten der liebevolle aber schwer geprüfte Grossvater. Denn die Geschenke für seine Enkel waren im Kofferraum, als ihm das Auto gestohlen wurde.



Einige seiner Opfer sind derart berührt von seinen Geschichten, dass sie ihn zum Essen einladen und ihm in manchen Fällen sogar eine Übernachtung unter ihrem Dach anbieten. Und fast alle geben ihm Geld. Immerhin bekommen sie dafür etwas geboten, denn Max ist ein Meister der gepflegten Konversation.

 
Unerschöpfliches Repertoire




«Sie sind ein Wanderer?» Er kennt sich mit der Ausrüstung aus und empfiehlt die Schweizer Berge als Destination. «Sie sind Musiker?» Sofort stimmt er einen Song der Beatles oder der Rolling Stones an und lädt sein Gegenüber ein, für die Saudis in einem Hotel in St. Moritz aufzutreten, dessen Direktor er kennt. «Sie mögen russische Literatur?» Er ist auch in Dostojewski bewandert. «Philosophie?» Er weiss auch über Spinoza Bescheid. «Physik?» Alsbald erklärt er einem die einheitliche Feldtheorie. Oder doch lieber ein leichteres Thema, «Motorräder»? Er besitzt eine Triumph Bonneville und die Fabrik von Moto Guzzi liegt nicht weit von seinem Haus. Sein Repertoire ist unerschöpflich. Wenn er fertig erzählt hat, öffnen sich die Herzen und die Geldbeutel seiner Zuhörer. Zwischen 20 und 100 Euro lassen sie üblicherweise springen.


Französische Medien, darunter «French News Online», berichteten schon mehrmals über den Überlebenskünstler, doch diese Flut an farbigen Details kommt aus einem Blog, den seine Opfer eingerichtet haben. Auf «stopper max le suisse» tauschen sie ihre Erfahrungen aus und warnen andere davor, denselben Fehler zu machen und auf Max hereinzufallen. Dabei sind nicht alle Rückmeldungen negativ. Einer schreibt: «Es hat mich 20 Euro gekostet, dafür hat er mir eine grossartige Geschichte erzählt. Das macht mich nicht ärmer, also wünschte ich ihm alles Gute auf seiner Reise und sagte, hoffentlich sehen wir uns wieder einmal.»


TF1 spricht mit Max' Opfern:

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