Samstag, 13. November 2010

Schneider Ammanns Berater bieten nur schriftliches Exklusivinterview an

Berater raten den Klienten in der Regel, aktiv zu kommunizieren. 

Die sonderbare Strategie mit dem bewussten Verzicht auf mündliche Interviews ist fragwürdig. Denn sie suggeriert: Der Klient könnte versagen.

 Quelle TAGI:

 

Dass Bundesräte von sich aus auf die Medien zugehen, wenn sie ein Interview geben wollen, ist nichts Aussergewöhnliches. Dass sie wie Johann Schneider-Ammann die Regeln diktieren, aber schon

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Bietet sich an - aber nur schriftlich: Bundesrat Johann Schneider-Ammann. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)

Erstmals hat sich Bundesrat Johann Schneider-Ammann in einem Interview zur Ausschaffungsinitiative der SVP geäussert.  Ob die Antworten des schriftlich geführten Interviews der «Berner Zeitung» wirklich aus der Feder Schneider-Ammanns stammen, ist jedoch fraglich. Ein Bericht der «Basler Zeitung» lässt den Schluss zu, dass sie von Schneider-Ammanns PR-Abteilung beantwortet wurden.
So zumindest wäre es gelaufen, wenn die «Basler Zeitung» auf ein Angebot aus dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) eingestiegen wäre, vermutet die Zeitung. Gemäss Bericht habe sich das EVD Anfang Woche auf die Suche nach einer Tageszeitung gemacht, welche ein exklusives Interview mit Schneider-Ammann zur Steuergerechtigkeitsinitiative führen sollte.
Dass Bundesratsinterviews nicht immer auf Wunsch der Journalisten, sondern auch dann zustande kommen, wenn Bundesräte gerne eine Botschaft platzieren wollen, ist ein offenes Geheimnis. Besonders ist am vorliegenden Fall aber, dass Schneider-Ammann die Kriterien für das Interview diktieren wollte. Da der Departementschef zu beschäftigt für ein Interviewtermin sei, müsse das Interview schriftlich geführt werden, habe es aus dem EVD geheissen.


«Basler Zeitung» verzichtete auf Interview


Die «Basler Zeitung» verzichtete auf das Angebot. «Wir wären bereit gewesen, mit Schneider-Ammann ein mündliches Interview zu führen», erklärt der stellvertretende Chefredaktor Urs Buess auf Anfrage. Uns leuchtete nicht ein, weshalb jemand Zeit haben sollte, ein Interview schriftlich zu beantworten, wenn er keine 20 Minuten Zeit hat für ein Treffen.
EVD-Informationschef Christophe Hans versteht die Aufregung nicht. Schneider-Ammann habe Justizministerin Simonetta Sommaruga und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zugesichert, sich für die beiden Abstimmungen vom 28. November zu engagieren. Dies, weil beide Vorlagen wirtschaftspolitische Aspekte beträfen und ihm wichtig seien. «Da die Agenda stark belastet und die Zeit knapp ist und mehrere Anfragen von Medien eingegangen waren, hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann entschieden, zwei schriftliche Interviews zu geben - eines zur Ausschaffungs- und eines zur Steuergerechtigkeitsinitiative und that's it», sagt Hans zu 20 Minuten Online.


Weiteres Interview noch diese Woche



Das Interview zur Ausschaffungsinitiative hat die «Berner Zeitung» publiziert. Wer das Interview zur Steuergerechtigkeitsinitiative drucken wird, wollte Hans nicht sagen. Es werde aber noch in dieser Woche erscheinen. Den Vorwurf, dass der FDP-Bundesrat im Abstimmungskampf im Interesse der Wirtschaftsverbände handelt, wollte der Departementssprecher nicht gelten lassen: «Bundesrat Schneider-Ammann vertritt aus voller Überzeugung die Meinung des Bundesrats. Bundesräte äussern sich im Vorfeld von Abstimmungen oft zu Vorlagen ihrer Kollegen.»
Die Interviewpraxis Schneider-Ammanns löst in zahlreichen Redaktionen Irritationen aus. David Sieber, Chefredaktor der «Südostschweiz», sagt beispielsweise, es sei nichts Aussergewöhnliches, wenn Bundesräte einer Zeitung ein Interview anböten. Wenn jemand aber die Konditionen diktieren wolle, sei das sonderbar. «Wir stimmen Interviews mit Bundesräten zu, wenn diese eine Botschaft verbreiten wollen. Gleichzeitig müssen sie aber auch bereit sein, über Themen zu sprechen, die wir setzen», so Sieber.


Schneider-Ammanns PR-Stelle


«Nie und nimmer würden wir uns auf solche Bedingungen einlassen», sagt Iwan Städler, Inlandchef des «Tages-Anzeigers», auf Anfrage. Damit würden die Leser irregeführt. «Denn jeder Journalist weiss genau, dass bei einem schriftlichen Interview die Antworten nicht von Schneider-Ammann, sondern von seiner PR-Stelle beantwortet und vom Bundesrat nur noch abgenickt werden.» Zwar gebe es Situationen, in denen ein schriftliches Interview unumgänglich sei, beispielsweise wenn sich ein Bundesrat gegen schwere Vorwürfe verteidige, aber keine Zeit für ein mündliches Gespräch finde. «Hier war das aber eindeutig nicht der Fall», sagt Städler.


«Berner Zeitung» hatte keine Bedenken


Keine Bedenken zum Abdrucken des Interviews mit Schneider-Ammann zur Ausschaffungsinitiative hatte die «Berner Zeitung». Der zuständige Redaktor sagt auf Anfrage, er habe ursprünglich ein Interview mit Sommaruga führen wollen: «Weil diese aber erst kurz vor dem Abstimmungstag Zeit gehabt hätte, bot Sommarugas Medienstelle als Ersatz ein Interview mit dem EVD-Chef an.» Bei diesem seien im Übrigen auch zwei, drei schriftliche Nachfragen möglich gewesen.



FAZIT: Dass sich ein Bundesrat  von Experten beraten lässt, ist im Medienzeitalter eine Selbstverständlichkeit. Doch geht es bei Medienkommunikationsprozesse auch um die Wirkung der  Kommunikations- Strategie. Bei Schneider Ammann wurde die Strategie im TAGI entlarvt. Ich bin sicher, dass ihm der Verzicht auf mündliche Interviews mehr geschadet hat, als wenn er - gut vorbereitet und professionell gebrieft- mündlich geantwortet hätte.

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