Montag, 18. Oktober 2010

Leuenbergers letztes Interview: Was war die Absicht seines sonderbaren Verhaltens?


«Wenn es mit der Kollegialität nicht klappt, muss man halt den Mut haben zu sagen, dass die falschen Personen im Bundesrat sitzen»: Bundesrat Moritz Leuenberger.

«Wenn es mit der Kollegialität nicht klappt, muss man halt den Mut haben zu sagen, dass die falschen Personen im Bundesrat sitzen»: Bundesrat Moritz Leuenberger.
Bild: Reuters

Einerseits antwortete Moritz Leuenberger mutig und eindeutig - verhielt sich aber auch ängstlich oder misstrauisch. Weshalb reagierte Leuenberger so eigenartig?

Das Abschiedsinterview in SONNTAG (17. Oktober 10) wollte Leuenberger mehrfach abbrechen. Er beanstandete die Fragen; sie wären zu pessimistisch. Diese Drohung macht uns bewusst, dass er das Interview steuern wollte. Ich glaube nicht, dass er vor dem Journalisten (Othmar von Matt) Angst hatte. Es ist denkbar, dass er befürchtete, gelenkt zu werden.   Beispiele:


Journalist:

Sie waren auch ein Symbol: der Antipode von Christoph Blocher.

Leuenberger:

Eher er von mir. Das hat man ja immer wieder gesagt, und das hat sicher was.
J:

Sie lobten Blocher aber auch: Während seiner Amtszeit sei in der Regierung wenigstens offen diskutiert worden.

L:

Hab ich das? Kann sein. Aber ich frage mich langsam, wo dieses Interview hinführt. Ich habe keine gutes Gefühl. Befragen Sie mich jetzt zu Blocher?

J:

Aber keine kann wie Sie 15 Jahre als Bundesrat überblicken....


L:

Hören Sie auf zu schmeicheln, das macht mich misstrauisch...

J: 
...und wir möchten wissen...

L:

Mir fehlt die Stringenz unseres Gesprächs.





KOMMENTAR:

Indem Moritz Leuenberger Blocher als Antipode zu ihm bezeichnet, grenzt er seinen Kontrahenden geschickt aus.
Nachdem der Journalist Leuenbergers positive Aussage über Blocher zitiert, wird dem Interviewten unwohl. Abstreiten will er es nicht. Doch versucht er das Zitat in Frage zu stellen. Mit einer gezielten Fragetechnik gelingt es Leuenberger, den Interviewer zu führen, indem er ins Konzept des Interviews eingreift. Der Journalist erkennt das ungehaltene Verhalten des Bundesrates und versucht - mit Lob - die Situation zu entspannen. Doch Leuenberger greift wiederum auf der Metaebene ins Interview ein und entlarvt das positive Vorurteil:
Hören Sie auf zu schmeicheln! Damit irritiert er den Journalisten,  doppelt sogar nach, indem er das Interview auch noch qualifiziert. Nachher spricht der Journalist die EU Frage an. Leuenberger  gesteht eindeutig, dass er für den EU Beitritt ist. Das Gesprächsklima verbessert sich  vorübergehend bis zur folgenden Sequenz:

J: 

Haben Sie als EU Befürworter überhaupt eine Vision für die Schweiz ausserhalb der EU?


L:

Wohin wollen Sie mich lenken? Ich versteh die Frage nicht. Wir sind ja ausserhalb der EU



KOMMENTAR:

Offensichtlich hat Leuenberger das Gefühl, man wolle ihn lenken oder aufs Glatteis führen. Indem er auf "Nichtverstehen" macht, lenkt er das Gespräch und bringt es im  zweiten Teil fertig, seine Botschaften zu platzieren.

FAZIT:

Bereits in meiner Analyse im PERSOENLICH habe ich  auf die unterschiedlich Seiten der  Leuenberger-Auftritte hingewiesen.  Im letzten Interview werden Leuenbergers rhetorische Stärken wiederum sichtbar. Anderseits vertrete ich die Meinung, dass die zitierten Antworten das Publikum eher irritieren und die Leser sich fragen: Weshalb reagiert der Befragte so unwillig? Bei Kommunikationsprozessen sind solche Reaktionen leider meist kontraproduktiv. Es sei denn, der Journalist greife zu unfairen Mitteln. Ich würde  den Interviewer weder qualifizieren noch angreifen. 








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