Sein Pseudonym prangt an unzähligen Wänden in ganz Zürich. Seinen wahren Namen will «Puber» logischerweise nicht verraten, schliesslich geht der von ihm angerichtete Schaden in die Hunderttausende. Stattdessen will er wissen, warum man über ihn schreiben wolle. Ein Grinsen umspielt den Mund des Mittzwanzigers, der mittelgross, sportlich und nach eigener Angabe Schweizer ist. In einem asiatischen Restaurant findet sich ein ruhiger Winkel, wo sich Puber äussern will.
Wer sind Sie eigentlich? Ich bin der Puber.
Woher wissen wir, dass Sie der echte Puber sind? Keine Ahnung, vielleicht lüge ich Sie auch an.
Wie zum Beweis krizzelt er zwei «Puber»-Schriftzüge auf den Notizblock des Reporters: einen Tag und die aufwendigere Variante davon, einen sogenannten Throw-up. Er benötigt dafür nur Sekunden.
Woher kommen Sie? Ich bin von hier. Das bin ich auch. Züri, für immer und ewig. Ich bin hier aufgewachsen, ich liebe diese Stadt, Mann.
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Was ist die Botschaft, wenns denn eine gibt? Ich will, dass alle Menschen mich sehen. Jeder, jeder, jeder. Hausfrauen, Geschäftsmänner. Dass sie meine Sachen sehen und fragen: Was ist das?
Angesprochen auf die Meinung anderer, zuckt er mit den Schultern. Für jene Sprayer, die mit mehr Gestaltungswillen ans Werk gehen, hat Puber nur Spott übrig. Er bezeichnet sie als «ZHDK-Studenten», als «Michis», die nach zwei Wochen U-Haft in die Hosen scheissen würden.
Sie überschreiben auch Werke von anderen Sprayern. Das gilt als Respektlosigkeit.
Die müssen das nicht persönlich nehmen. Für mich ist jede Wand rein. Ausser wenn da schon ein Freund etwas gemacht hat.
Warum haben Sie mit der Sprayerei angefangen?
Es gehört einfach zu mir, ich lebe in meiner eigenen Welt. Es ist selbstverständlich, dass ich, wenn ich rumlaufe, meinen Namen hinschreibe. Ich will einfach überall meinen Namen sehen. Es geht nicht um das Künstlerische – und auch nicht um den Adrenalinschub.
Was ist Ihnen wichtig im Leben? Was treibt Sie an?
Sprayen und ficken, das ist das Geilste. Frauen und Sprayen, das hat für mich Priorität. Wenn ich hier rumlaufe und tagge, dann gibt mir das keinen grossen Kick. Aber bei einer harten Action, wenn wir S-Bahnen machen, dann schon.
Wenn er Züge mit seinem Schriftzug versieht, schliesst sich Puber mit seiner Crew zusammen. Sonst ist er am liebsten allein unterwegs. Einen Stift hat er immer dabei, meist auch zwei Spraydosen.
Wie viele Graffiti haben Sie schon gemacht?
Viele, viele, viele! Throw-ups sicher Hunderte, Tags Tausende.
Wissen Sie eigentlich, wie viel Schaden Sie mit Ihren Sprayereien schon angerichtet haben?
Hunderttausende, vielleicht Millionen, keine Ahnung (grinst). Aber letztlich sind diese Summen übertrieben. Die SBB zum Beispiel verrechnen 17'000 Franken für einen S-Bahn-Wagen. Dabei kostet die Reinigung höchstens 500 Stutz. Aber die schlagen noch 10'000 extra drauf, weil der Wagen aus dem Verkehr gezogen werden müsse. Das ist doch auch Abzocke! Die Bahnbillette werden wegen den Tags sicher nicht teurer.
Ein schlechtes Gewissen kennen Sie nicht?
Nicht eine Sekunde, keine Hundertstelsekunde, nie.
Mit Ihren Graffiti richten Sie genauso Schaden an, wie wenn Sie jemanden bestehlen würden.
Nein. Das ist etwas anderes. Wenn andere bei mir etwas hinsprayen wollen, dann sag ich denen, vertaggt den ganzen Block, von vorne bis hinten! Ist mir doch scheissegal.
Auf dem kurzen Gang zur Primetower-Baustelle, wo sich Puber gerne mit einer seiner Sprayereien fotografieren lassen würde, passieren wir mindestens ein Dutzend «Puber»-Tags auf Rollläden von Mehrfamilienhäusern, auf Ladentüren und Betonmauern. Bei der Baustelle findet Puber sein Kunstwerk nicht. Vielleicht habe er es auch weiter hinten gemacht, er habe keine Ahnung mehr. Beim Bahnhof Hardbrücke schliesslich finden sich noch mehr von seinen Tags. Bereitwillig rückt Puber seinen Pullover zurecht und wirft sich für die Kamera in Pose. Die Pendler wissen nicht, wer da vor ihren Augen fotografiert wird. Als Puber ihre fragenden Blicke spürt, lächelt er. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
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