Das Machtgefüge in Berlin gerät ins Wanken. Roland Koch, der gestern seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern angekündigte, galt stets als innerparteilicher Rivale der Kanzlerin. Nach der katastrophalen Wahlniederlage 2008 war es zwar ruhig geworden um ihn. Nur wegen strategischer Fehler der SPD gelang es Koch damals, Ministerpräsident zu bleiben. Doch vor wenigen Wochen kehrte er mit Getöse auf die nationale Bühne zurück.
Lautstark forderte er in den vergangenen Wochen rigorose Sparmassnahmen – unter anderem auch bei der Bildung und der Kleinkindererziehung. Kanzlerin Merkel soll den Vorstoss als «Kriegserklärung» verstanden haben, heisst es aus ihrem Umfeld. Denn Koch griff ausgerechnet jene Bereiche an, die sie von Budgetkürzungen verschonen wollte.
Ich vertrat verschiedentlich die Meinung, wenn gespart werden müsste, sollte man überall die Schere ansetzen. Dass die Kanzlerin Bereiche vom Sparprogramm völlig ausgeklammert hatte, war mir unbegreiflich. Doch der Konflikt hat tiefergehende Wurzeln: Koch galt als eine Art inoffizieller Anführer des konservativen CDU-Flügels, der unter Merkel reichlich gestutzt worden war. Nun nutzte er die momentane Schwäche der Parteichefin um seinen Frust los zu werden.
(Ich zitiere Tagi)
Merkel hält interne Widersacher im Zaum
Der Angriff aus Hessen hat die Kanzlerin in der Tat im bisher schwierigsten Moment ihrer Amtszeit getroffen. Deutschland muss Milliarden zur Rettung der europäischen Einheitswährung aufwerfen und gleichzeitig im eigenen Budget den Rotstift ansetzen – ein Widerspruch, den viele Bürger nicht verstehen. Dazu kommt eine grosse Verunsicherung in den eigenen Reihen. Die schwarz-gelbe Koalition ist zerstritten, die Umfragen sind mies.
Doch offenbar hat Merkel immer noch die Kraft, interne Widersacher im Zaum zu halten. Koch soll darauf spekuliert haben, sich als Nachfolger des häufig kranken Finanzministers Wolfgang Schäuble an den Kabinettstisch setzen zu dürfen – oder sonst in Berlin wieder eine Rolle zu spielen. Die Kanzlerin hat ihm angeblich bedeutet, das komme nicht in Frage. Einen wie Koch wolle sie nicht in ihrer Regierung. Der Hesse zog die Konsequenzen.
Ein Rückblick:
(Bild)
Der Paukenschlag des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, ein angekündigter Rückzug stürzt die CDU in Ratlosigkeit und wirft unter Christdemokraten viele Fragen auf.
Bild stellt einige der zentralen Fragen:
• Warum laufen Angela Merkel die starken Männer davon?
Merkel hat sich machtpolitisch als stärker erwiesen. Aus Kochs Generation hat sich mancher CDU-Politiker die Kanzlerschaft zumindest zugetraut – Koch genauso wie wohl der Niedersachse Christian Wulff, Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen und auch der Sauerländer Friedrich Merz, der einst die Unions-Bundestagsfraktion führte, bis er den Posten an Merkel abgeben musste. Und am Ende wurde eben Merkel Kanzlerin. Die meisten starken CDU-Männer aus Merkels und Kochs Generation blieben trotzdem. Aber sie mussten ihre Ambitionen aufs Kanzleramt begraben
Geblieben sind allerdings die Klagen vieler ranghoher Unionspolitiker, Merkel sei zu misstrauisch gegenüber anderen starken Unionspolitikern, binde sie nicht genügend ein. Das schafft bei etlichen Frust.
• Was bedeutet der Rückzug für Angela Merkel?
Der Verlust für die Parteichefin ist enorm: Mit Koch geht einer der letzten profilierten Vertreter des konservativen Flügels, dem schon Ex-Fraktionschef Friedrich Merz und Brandenburgs Ex-Innenminister Jörg Schönbohm fehlen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sprach es gestern offen aus:
„Man muss eben sehen, dass man gute Leute hält, und man muss sich schon Gedanken machen, wenn man gute Leute verliert, das ist einfach auch eine Botschaft des Tages.“
Als Wirtschafts- und Finanzexperte ist Koch unumstritten, verhandelte den schwarz-gelben Koalitionsvertrag mit. Angela Merkel schätzt ihn wegen seiner politischen Standfestigkeit und Verlässlichkeit. Koch ist trotz mancher Differenzen ihr Mann im Bundesrat.
• Droht der CDU die Gründung einer neuen, rechten Partei?
Das ist nicht auszuschließen: Gerade im Westen – NRW, Baden-Württemberg, Hessen – fühlen sich konservative und katholische Wähler von der CDU immer weniger vertreten. Sie sind das Potenzial für eine Neugründung, die z. B. bei den Themen Wirtschaft und konservative Werte die CDU ähnlich schwächen wie auf der anderen Seite die Linkspartei die SPD.
• Wie reagierte die CSU auf den Rücktritt?
Parteichef Horst Seehofer: „Mit Roland Koch verliert die konservative Grundströmung in der Union einen besonders ausgewiesenen und kompetenten Vertreter.“ Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, Koch habe „mit seinem Mut zur Auseinandersetzung entscheidend zur Entwicklung der deutschen Politik“ beigetragen.
Meine Prognose: Angela Merkel wird alle Wirren überstehen. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich Kohls bescheidenes "Mädchen" zu einer Machtpolitikerin durchgemausert hat, die es immer verstanden hat, Rivalen oder politische Konkurrenten geschickt und konsequent aus dem Weg zu räumen. Bis jetzt hatte sie stets Erfolg und sie wird auch jetzt alles tun, um die Macht nicht aus den Händen geben zu müssen. Ich vermute, dass sie dafür auch Koalitionen eingehen würde, die man sich vorher nie hat vorstellen können. Es muss berücksichtigt werden, dass die Kanzlerin aus der früheren DDR alle Ränkespiele und Intrigen kennt, die angewendet werden können, um sich durchzusetzen.
Nachtrag Spiegel:
Kann sie das noch drehen? Welche konkreten Herausforderungen muss Merkel nun bewältigen? SPIEGEL ONLINE zeigt die sieben Plagen der Kanzlerin:
LINKS:
rhetorik.ch aktuell: Merkel im Teich
10. Apr. 2010 ... Rhetorik.ch Artikel zum Thema: Aktuell Merkel · Politikerportraits. In der "ZEIT" vom 4. April fand sich eine Illustration, ... www.rhetorik.ch/Aktuell/10/04_10/index.html - Cached
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