Sonntag, 29. November 2009

Nach Denkzettel - konsternierter Bundesrat

Es war eine echte Sensation:

Medien, Parteien, Politiker und Politologen waren sich sicher: Die Minarettinitiative wird eindeutig abgelehnt.Bei Befürworterstimmen von bereits 40 % hätte ich auch bei einer Niederlage von einem Achtungserfolg der Initianten gesprochen. Dass nun die Proteststimmen der Initiative zum Durchbruch verhelfen würde, hat niemand erwartet. Auch der Bundesrat wurde am linken Fuss erwischt.

Mit einem überraschenden und klaren Ja zum Minarettverbot hat das Schweizer Stimmvolk Regierung und Parlament kalt geduscht. Der Bundesrat rechnet international mit negativen Konsequenzen - und bemühte sich um Schadensbegrenzung

Kommentar:

Niemand hatte es erwartet, dass die Minarettinitiative angenommen würde.

Die Ueberraschung des Abstimmungsresultates bestätigt mir die These: Bilder und Emotionen beeinflussen mehr als sachliche Argumente und Worte. Die Umfragen und Prognosen sahen alle eine deutlichen Ablehnung. Nach meinem Dafürhalten gelang es den Initianten in der Schlussphase immer mehr, die Frage der Minaretttürme mit der verhüllten Frau auf Themen zu verlagern, die das seit Jahren beschäftigt:

Frauenfrage im Islam

Steinigungen

Zwangsheirat

Beschneidungen

Probleme der Lehrer mit islamischen Mädchen im Schwimmunterricht

Extremisten

Hassprediger

Selbstmordattentäter

Terroristen

Ueberfremdung

Kampf der Religionen usw.

Während der letzten Wochen kamen die Befürworter zwangsläufig in allen Sendungen ständig zu Wort. Die Polarisierung - hervorgerufen durch das provokative Plakat führte zu dieser grossen Medienpräsenz. Viele Unentschlossene konnte nach und nach mobilisiert werden. Es kam zu einer unheiligen Allianz von Frauenrechtlerinnen (Julia Onken), Rechstaussengruppierungen, religiösen Gruppierungen und Leuten, die glaubten, der Islam könne unsere Verhältnisse destabilisieren. Möglicherweise spielte auch noch die Furcht vor Racheaktionen und die Irangeschichte in die Hände der Befürworter.

Ich stellte wie beim Kniefall bei Ghadaffi schon beim Karikaturenstreit fest (Leserechos): Die Schweiz darf es nicht zulassen, dass wir erpresst werden. Es gab Stimmen, die sagten: Wenn wir diese Gruppen ins Land lassen, die uns gefährlich werden könnten, bekommen wir nur zusätzliche Probleme. Nach der These: Wenn militante Gruppen einmal da sind, könnten sie hier agieren. Nachher sei es jedoch kaum mehr möglich diese auszuschaffen. Das Inserat mit dem STOPP suggerierte fälschlicherweise: Mit der Befürwortung könnten künftig Extremisten abgehalten werden, in die Schweiz zu reisen. Der Initiativtext wurde sicherlich zu wenig genau gelesen.

Was ich auch noch festgestellt hatte: Unzählige Bürger schummelten bei Umfragen. Sie sagten nicht offen, dass sie die Initiative unterstützen. Doch legten sie dann doch heimlich ein JA in die Urne. Künftig müsste man diese Gruppe bei Umfragen besser berücksichtigen. Das überraschende Resultat ist auch darauf zurückzuführen, dass viele nur mit dem JA eine Proteststimme abgeben wollten. Sie wussten nicht, dass die Summe der Proteststimmen so viel bewirken können.

Damit haben sie nicht gerechnet (v. r.): Bundesrat Leuenberger, Bundesrätinnen Leuthard und Widmer-Schlumpf gestern in Bern. (Keystone)

Nach der Wahl: Die Unterlegenen wollen den Volksentscheid nicht akzeptieren

Nach dem überraschenden Resultat kam es in den meisten Medien (In- und Ausland) zu gross aufgemachten Beiträgen, die zweifelten an der Rechtmässigkeit des Resultates. Einige forderten: Die Angelegenheit müsste nicht nur vom Bundesgericht, sondern auch von fremden Richtern (Europa) geprüft werden, in der Hoffnung, das Resultat sei ungültig.

Erstaunlich war, wie viele Kommentatoren und Journalisten am schweizerischen demokratischen System mit Volksabstimmungen zu zweifeln begannen.

Von "Volks- DIKTATUR", "Die Mehrheit hat nicht immer recht" konnte man lesen.

Es gab organisierte Demonstrationen gegen das Urteil des Volkes.

Es wurden schlimme Szenarien an die Wand gemalt (Nun komme es zu Racheakten):

- Geldentzug

- Die Schweiz werde mit wirtschaftlichen Konsequenzen rechnen müssen (Fremdenverkehr, Handel usw.)

Was mir auffiel: Dem Tagesanzeiger muss das Resultat recht sauer aufgestossen sein. Dies machten mir die Beiträge nach der Abstimmung bewusst

Kommentar: Ich finde, jetzt sind alle Parteien und Meinungsmacher gefordert, die Bedenken der Bevölkerung ernst zu nehmen. Es geht letztlich gar nicht um die Minaretttürme, sondern um Imigrationsfragen und zahlreiche Detailprobleme im Umgang mit Islamisten, die sich nicht integrierenlassen. Aber auch mit Frauen auf der Strasse, die das Gesicht ganz verhüllen und Ihre Kinder vom Schwimmunterricht fernhalten. Frau Julia Onken hat erkannt, dass es nun darum geht, die Frauenfrage neu aufzurollen. Diese Woche sah ich in einem deutschen Warenhaus einen Mann, der immer 10 Schritte vor "seinen" verhüllten Frauen einher ging. Solche Bilder sprechen für sich und werden von der Oeffentlichkeit wahrgenommen. Ich bin überzeugt, dass persönliche Erlebnisse und Beobachtungen das Abstimmungsverhalten in der Schweiz enorm beeinflusst hatten.

Nachtrag NZZ-online:

Enorme Lust auf direkte Demokratie

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