Sonntag, 30. August 2009

Aussenministerin Calmy-Rey im Gegenwind

Dass die eigenmächtige Aktion des Bundespräsidenten bei der Aussnministerin nicht gut angekommen ist, ist gut nachvollziehbar. Dass sie aber die Auseinandersetzung nicht nur intern ausgetragen hatte und nichgt warten konnte, bis die Geiseln zurückgekehrt sind, ist ein gravierender Kommunikationsfehler, der sich nun rächt.

Ich zitiere die Presse:

Die Intrigantin in der Libyen-Affäre?

Tagi online:

Laut einem Zeitungsbericht werfen die Bundesräte Ueli Maurer und Doris Leuthard Micheline Calmy-Rey vor, eine Intrige gegen Merz zu führen. Anstoss der Empörung waren drei verschickte SMS.

Kommunikationsfauxpas: Micheline Calmy-Rey.

Kommunikationsfauxpas: Micheline Calmy-Rey. Bild: Keystone

Eine SMS-Affäre um Aussenministerin Calmy-Rey empört Ueli Maurer und Doris Leuthard, wie die Zeitung «Sonntag» berichtet. Wurden die Befreiungsbemühungen für die Geiseln vom Aussenministerium EDA unterminiert?

Der Unmut über Micheline Calmy-Reys Kommunikation in der Libyen-Frage ist gross. Es waren SMS aus dem EDA, welche die drei Magistraten auf die Palme trieben. Noch während Merz am Freitag vor einer Woche die Journalisten über seine Reise nach Libyen informierte, erhielten mehrere Medienleute ein SMS aus dem EDA: «Dfae direktion für völkerrecht hat gestrigen vertrag vor der unterzeichnung nicht gesehen.» Damit distanzierte sich das EDA offiziell vom Abkommen, das Merz am Tag zuvor mit Libyen geschlossen hatte.

Schockiert über Desavouierung

Im Finanzdepartement spricht man inzwischen von einer

«unglaublichen Desavouierung des Bundespräsidenten». Man sei «schockiert» über diesen Vorgang.

Es sei ein «unverzeihlicher» Vorgang, der Konsequenzen haben müsse, wenn die zwei Schweizer Geschäftsleute aus Libyen wohlbehalten in der Schweiz zurück seien. Merz selber hatte am Montag via Bundesratssprecher André Simonazzi von den SMS erfahren, weiss die Zeitung «Sonntag» zu weiter zu berichten.

Der Bundespräsident sei «fassungslos» gewesen, heisst es. Verärgert über den Vorfall ist man auch im Verteidigungsdepartement VBS. Das VBS würde sich nie so verhalten. «So etwas würde es bei uns nie geben. Das ist unvorstellbar und undenkbar», sagt Bundesrat Maurers Sprecher Jean-Blaise Defago zum «Sonntag». Auch Bundesrätin Leuthard reagiert. Wäre das in ihrem Departement passiert, wäre eine Administrativuntersuchung eröffnet worden, sagte Doris Leuthard persönlich gegenüber Drittpersonen, wie Recherchen belegen.

SMS aus Frust verschickt?

Das EDA selbst will die SMS-Affäre offiziell nicht kommentieren. Kenner gehen davon aus, dass es Mitarbeiter der Direktion für Völkerrecht waren, welche das SMS verschickten: Aus Frust über das Vertrags-Ergebnis von Merz, nachdem sie monatelang um jedes Wort gerungen hatten. Keine Stellung nimmt auch der Bundesratssprecher. «Über Diskussionen im Bundesrat sage ich nichts», lässt Simonazzi verlauten. Eine Aussage, aus der sich schliessen lässt, dass die SMS-Affäre in der Regierungssitzung vom Mittwoch ein Thema war. Micheline Calmy-Rey persönlich machte am Montag den ersten Schritt auf Hans-Rudolf Merz zu – und lieferte damit eine Geste der Entschuldigung. (mbr)

Libyen-Krise: Was verschweigt Calmy-Rey?

Hat ein interner Streit die Heimkehr der zwei in Libyen festgehaltenen Schweizer zusätzlich verzögert? Aussenministerin Calmy-Rey und ihr Botschafter in Libyen sollen grosse Differenzen gehabt haben.

Setzt die Schweiz unter Druck: Revolutionsführer Moammar al-Qadhafi

Setzt die Schweiz unter Druck: Revolutionsführer Moammar al-Qadhafi

Die Krise

Die beiden Schweizer sitzen seit über einem Jahr in Libyen fest – auf Befehl von Staatschef Moammar al-Qadhafi. Libyens Herrscher ist gekränkt, weil die Genfer Polizei seinen Sohn Hannibal und dessen Ehefrau am 15. Juli 2008 in Genf verhaftet hat und eine Nacht lang festhielt. Qadhafi Junior und seine Frau sollen Hausangestellte misshandelt haben. Worauf Vater Qadhafi zwei Schweizer, die in Libyen arbeiteten, in den schlimmsten Kerker von Tripolis werfen liess. Die beiden wurden zwar schnell wieder aus dem Gefängnis entlassen, warten aber seither in der Schweizer Botschaft auf die Erlaubnis auszureisen.

Der 12. Juli dürfte für den in Libyen festgehaltenen ABB-Kadermann Max Göldi und für den anderen Schweizer ein bitterer Moment gewesen sein: Es war der Tag, an dem die letzte Schweizer Geisel in Mali, von den Entführern freigelassen wurde. Die zwei Schweizer in Libyen warten seit über einem Jahr darauf, dass sie heimkehren dürfen.

«Wieso findet man Lösungen für Mali aber nicht für Libyen», wundert sich Nationalrat Gerhard Pfister (CVP). «Und wieso interessiert es niemanden, ob Bundesrätin Calmy-Rey tatsächlich alles unternommen hat, damit die Geiseln in Tripolis endlich heimdürfen?» Besonders ein Punkt gibt dem Zuger Parlamentarier zu denken: dass mitten in der Krise der Schweizer Botschafter in Libyen, Daniel von Muralt, in Rente gegangen ist.

Keiner im EDA kennt den arabischen Raum besser als der Diplomat mit Berner Wurzeln. Er hat sein halbes Leben im Nahen Osten und Nordafrika verbracht. Von Muralt kennt Land und Leute und ist mit der Kultur vertraut. Als Pfister die Aussenministerin vergangenen Juni in der Fragestunde des Nationalrates darauf ansprach, präzisierte sie: «Der Schweizer Botschafter ist nicht zurückbeordert worden. Er ist in Pension gegangen.» Aber ist das wirklich die ganze Wahrheit? Von Muralt sagt dazu (noch) nichts.

Wann wird von Muralt tatsächlich pensioniert?

Aber Personen aus seinem familiären Umfeld erzählen, der Botschafter werde offiziell erst am 13. Februar 2010 pensioniert. Diese Leute erzählen auch: Der Botschafter beziehe bis Ende August noch Ferien. Trifft dies zu, steht er auch jetzt noch auf der Lohnliste des EDA. Hat sein Abgang also einen anderen Grund?

Seit Wochen gehen in der Bundesverwaltung darüber verschiedene Geschichten herum: Botschafter Daniel von Muralt und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sollen mächtig Krach haben – weil sie unterschiedlicher Meinung waren, wie man das Problem mit Libyen lösen könne. Als Folge davon sei von Muralt in die Schweiz zurückgekehrt. Ob freiwillig oder nicht, ist nicht klar.

Der Streit wird aber auch durch E-Mails belegt, die der Botschafter an Personen in der Bundesverwaltung verschickte. So hat der Botschafter im Herbst 2008 den Vorschlag eingebracht, der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin solle direkt mit dem libyschen Staatschef telefonieren und verhandeln. Denn Moammar al-Qadhafi lehnte und lehnt ein Gespräch mit der Schweizer Aussenministerin ab – weil diese nicht seinem Rang entspricht. Couchepin wäre dazu auch bereit gewesen. Aber Micheline Calmy-Rey legte sich quer.

Libyen hat neuen Botschafter nicht akkreditiert

Viel weiter ist die Aussenministerin mit ihrer eigenen Strategie aber nicht gekommen. Die zwei Geiseln sitzen immer noch in der Schweizer Botschaft in Tripolis, während Qadhafi als Gast des G-8-Gipfels in Italien Helvetien als Mafialand beschimpft, sein gesamte Vermögen von Schweizer Banken abzog und und nebenbei die Einreise eines neuen Schweizer Botschafters monatelang blockierte.

Nach dem Abgang von Muralts im April musste das EDA zudem einen Diplomaten von Kairo nach Tripolis verschieben, damit die zwei Geiseln nicht mutterseelenallein in der Botschaft zurückbleiben. Erst Mitte Juli erhielt der vom Bundesrat als neuer Botschafter gewählte Stephano Lazzarotto eine Einreisebewilligung. Er wird laut EDA vorerst in Libyen aber nur als Geschäftsträger fungieren. Weil Qadhafi keinen neuen Schweizer Botschafter akreditieren will?

Und jetzt muss Micheline Calmy-Rey trotzdem die Hilfe des Bundespräsidenten in Anspruch annehmen – das hat der Bundesrat im Juni so entschieden. Ein Treffen mit Qadhafi fand bisher aber nicht statt. Merz hofft nun auf Vermittlerdienste des Sheiks von Abu Dhabi. Und Micheline Calmy-Rey? Für sie wird die Geschichte auch dann noch nicht zu Ende sein, wenn die zwei Geiseln heimreisen dürfen.

Das EDA war bisher nicht für eine Stellungnahme erreichbar. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Prognose: Nach der Rückkehr der Geiseln folgt bestimmt das grosse interne Wäsche waschen im Bundesrat. Ich vermute, dass trotz internen AUseinandersetzungen wiederum mehr an die Oeffentlichkeit dringt, als es dem Bundesrat lieb ist. Kommt dazu: Wer immer schweigt und die Medien zappeln lässt, muss sich nicht wundern, wenn sich Journalisten Informationen aus anderen Kanälen beschaffen. Das sind dann oft Kanäle, die weniger glaubwürdig sind als der eigene Mediensprecher. Wer nicht informiert, muss erklären, warum er zur Zeit nichts sagen kann und müsste auch bekannt geben, wann die nächsten Informationen zu erwarten sind. In dieser Hinsicht war es leider beim Bundesrat gar nicht zum besten bestellt.

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