Gedanken nach einer überraschenden Begegnung mit Helmuth Rilling
Gestern traf ich zufälligerweise im Gartenhotel in Winterthur einen weisshaarigen Herrn an einem Tisch im Park unter grossen Bäumen, versunken in eine Partitur - eine Kaffeetasse vor sich und eine Zigarillo in der einen Hand. Die Person kam mir bekannt vor und ich erlaubte mir beim Vorbeigehen diese Herrn anzusprechen. Ich sagte, ich gehe davon aus, dass er beim Notenlesen die Töne höre. Ein Wort gab das andere und ich erfuhr, dass ich den bekannten Dirigenten, Musikpädagogen und Bach-Interpreten Professor Helmuth Rilling vor mir hatte. Er bereitete sich für die Proben für das Abonnementkonzert 11 (Joseph Haydn "Die Schöpfung") vor.
Ich wurde mir bewusst, dass ich bei den Analysen von Kommunikationsprozessen auch ganzheitlich vorgehe. Ich bezeichne dies gerne als holistisches Wahrnehmen. Mich faszinierten die Berührungspunkte Musik und Kommunikation. Der Dirigent lud mich nach dem Gespräch zum Konzert ein und ich werde heute abend das Konzert besuchen und mitverfolgen können, wie der Dirigent seine Vorbereitung im Garten konkret umsetzt. Ich bin mir sicher, dass der Künstler in seinem "Kosmos" den ganzen Himmel - aber auch die kleinsten Sterne während des ganzen Konzertes wahrnehmen kann. Mir wurde schon im kurzen Gespräch unter den prächtigen Bäumen im Park des Gartenhotels in Winterthur bewusst, welch Wunderwerk das menschliche Gehirn ist.
Was zudem erstaunlich ist, dass Architekten, Philosophen, Dirigenten, Autoren - generell Menschen, die mit dem Kopf arbeiten - jung bleiben. Im Internet habe ich zu Hause recherchiert und gelesen: Bach-Kenner Helmuth Rilling feierte vor wenigen Tagen - am 29. Mai - seinen 75. Geburtstag.
Helmuth Rilling arbeitet immer noch leidenschaftlich, perfekt und voller Lebenskraft . Von ihm las ich folgende Aussage:
1. Das ganzheitliche Wahrnehmen ist ein Kunst, die geübt werden kann
2. Wer geistig arbeitet, bleibt jung. Für Menschen, die sich an einer Tätigkeit begeistern können und aktiv bleiben, gibt es keine geistige Pensionierung.
Zur Aufführung des Konzertes in Winterthur noch ein paar Worte.
Im Internet fand ich über
Joseph Haydn - der Komponist | |||||
Im grössten Teil des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hielten viele Musiker und Musikliebhaber Joseph Haydn für einen vergnüglichen Vorläufer Mozarts und Beethovens. Manche seiner Symphonien, Streichquartette, Klaviersonaten und andere Werke wurden damals oft aufgeführt. Der grösste Teil seiner Musik allerdings blieb unbekannt.
************************************** Die Aufführung (DIE SCHOEPFUNG) war für mich ein grosses Erlebnis. Im Gegensatz zu meinen Analysen bei rhetorischen Auftritten, verzichte ich bewusst auf eine Musikkritik. Doch schildere ich ein paar persönliche Gedanken, die mir während des Konzertes durch den Kopf gegangen sind. Helmuth Rilling gelang es, mich mit den Solisten, dem Chor und mit dem Orchester in die Klangwelt Haydns zu versetzen. Es war eine Welt der Lobpreisungen, der Glücksgefühle. Freude und Seligkeit dominierten. Haydn klammerte bei seiner "Schöpfung" den Sündenfall aus. Er wird nur indirekt im Text angekündigt.
Vor allem faszinierte mich der Dirigent, der - ohne Partitur - auswendig, sich voll und ganz in das Werk versenken konnte. Damit verspürte ich bereits die ersten Berührungspunkte zur angewandten Rhetorik. Ich sah bestätigt: Nur wer sich hundertprozentig in eine Präsentation versetzen kann und Freude am Tun verspürt, wird letztlich im Beruf an die Spitze kommen. Beim Dirigenten war diese Begeisterung immer zu verspüren und er war vom ersten bis zum letzten Ton voll präsent. Die Aufführung war denn auch ein grosser Erfolg. Helmuth Rilling bat mich nach der Aufführung, mit ihm zusammenzusitzen. Er erzählte unter anderem, dass er gestern im Garten nicht die Partitur der Schöpfung studiert habe (wie ich vermutet hatte), sondern, dass er bereits eine neue Auftragskomposition durchgearbeitet habe, die demnächst in Amerika uraufgeführt werde. Beim Anhören der Schöpfung stellte ich fest, dass nicht nur im Text Gegensätze erwähnt werden. Der Dirigent hat sich auch mit Spannungsfeldern auseinander zu setzen. In Kommunikationsprozessen ist der "Umgang mit Gegensätzen" stets ein zentrales Thema. Sie müssen auch da unter einen Hut gebracht werden (Kürze und Redundanz/Fakten und Emotionen usw.) Während des Konzertes notierte ich mir verschiedenste Spannungsfelder und Gegensätze, die mir auffielen Chaos-Ordnung Licht-Finsternis leise Töne- laute Töne Wort und Musik usw. Mir wurde bewusst, dass die Kunst des Dirigenten - beim Zusammenspiel von Chor, Orchester, Solisten - vielfach auch darin besteht, verschiedenste Gegensätze unter einen Hut zubringen. Mich beschäftigt seit Jahren bei Kommunikationsprozessen die Thematik "Umgang mit Gegensätzen" und das Wort "Balance": Siehe LINKS:
Helmuth RillingHelmuth Rilling, 1933 in Stuttgart geboren, ist Dirigent, Lehrer und Botschafter Bachs in der ganzen Welt. 1954 gründete Helmuth Rilling die Gächinger Kantorei, 1965 kam das Bach-Collegium Stuttgart als instrumentaler Partner dazu. Ab dieser Zeit datiert die intensive Beschäftigung Helmuth Rillings mit dem Werk Johann Sebastian Bachs. Er hat außerdem zur Wiederentdeckung der romantischen Chormusik beigetragen und fördert durch regelmäßige Kompositionsaufträge die zeitgenössische Musik. Mit seinen Ensembles gibt Rilling weltweit Konzerte und ist gefragter Gastdirigent bei führenden Orchestern in Europa, den USA und Kanada. Eine besondere Freundschaft bindet ihn seit über dreißig Jahren an das Israel Philharmonic Orchestra. Seit 1970 ist er künstlerischer Leiter des von ihm mitbegründeten Oregon Bach Festivals, eines der profiliertesten Musikfestivals in den USA. 1981 gründete Helmuth Rilling die Internationale Bachakademie Stuttgart. Die internationale Arbeit mit jungen Menschen ist zentraler Bestandteil der Arbeit Helmuth Rillings; ihr bisheriger Höhepunkt war 2001 die Gründung des Festivalensembles Stuttgart, bei dem junge Sänger und Instrumentalisten aus mehr als 20 Nationen zusammenkommen. Außerdem leitet er regelmäßig Workshops für junge Musikerinnen und Musiker in aller Welt, die so genannten Bachakademien. Schallplatten-, Hörfunk- und Fernsehproduktionen dokumentieren das Schaffen Helmuth Rillings. Als erster Dirigent spielte er sämtliche Kantaten J. S. Bachs ein; zum Bach-Jahr 2000 erschien unter seiner künstlerischen Gesamtleitung mit der EDITION BACHAKADEMIE die Gesamtaufnahme des Bachschen Werkes auf 172 CDs. Für sein vielfältiges Engagement wurde Helmuth Rilling u.a. mit dem Internationalen UNESCO Musikpreis und dem Theodor-Heuss-Preis ›Taten der Versöhnung‹ ausgezeichnet und 2003 zum Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences gewählt. 2008 erhielt der Dirigent anlässlich seines 75. Geburtstages die Große Staufermedaille in Gold, die höchste Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg. Mit der Einspielung von Krzysztof Pendereckis Credo gewann er den Grammy 2000 für die beste Chor-Darbietung und wurde erneut 2001 für die Einspielung von Deus Passus von Wolfgang Rihm nominiert. Auf CD sind zuletzt Werke von Haydn, Händel, Gubaidulina (Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes, ausgezeichnet mit dem Echo Klassik 2008) sowie Brittens War Requiem erschienen. 2007 trat Helmuth Rilling u. a. erneut in der New Yorker Carnegie Hall auf und dirigierte dort Bachs Matthäus-Passion. 2008 stand u.a. ein Auftritt im Petersdom auf dem Programm. Im März 2009 leitete Rilling die Gächinger Kantorei Stuttgart in Konzerten mit dem Israel Philharmonic Orchestra, eine Zusammenarbeit mit dem New York Philharmonic Orchestra steht bevor.
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