Sonntag, 14. Dezember 2008

Die jüngste Bundesratswahl ist nicht der erste Krimi

Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass Nationalrat Bäumli war, der am Schluss Maurer seine Stimme gegeben hat. Er wollte die SVP in der heutigen Krisensituation in die Regierung einbinden und fand es nicht richtig , jemanden zu wählen, der die Wahl ausgeschlagen hat. Heute wissen wir auch, dass Sprengkandidat Walter sich selbst die Stimme nicht gegeben hatte. Falls er nämlich dies getan hätte, wäre er schon im zweiten Wahlgang Bundesrat geworden. Seine nachträglichen Aeusserungen geben mir heute zu denken. Denn, der nachträgliche Aerger , nicht Bundesrat geworden zu sein verdeutlicht uns, dass er wahrscheinlich die Wahl doch angenommen hätte. Die linksgrünen Strategen wussten demnach ganz genau, mit welche Figur ihr "Spiel" im Hintergrund aufgehen könnte. Nachträglich beanstandet nun Walter, die SVP habe keinen echten Zweiervorschlag gemacht. Es ist jedoch offensichtlich, dass bei einem sogenannten "echten" Zweiervorschlag (Maurer-Walter) der Hardliner abgewählt worden wäre. Dies wussten die SVP Strategen. Bei jeder Kombination - mit einem gemässigten Kandidaten - wäre der "echte" SVP Kandidat ausgeschieden worden. Das Vorgehen mit Blocher als aussichtsloser Kandidat ist somit - aus der Sicht der SVP - nachvollziehbar. Die Partei konnte es sich nicht leisten, ein drittes Mal von der SP, den GRUENEN und Teilen der CVP über den Tisch gezogen zu werden. Walters nachträgliche Verlautbarungen finde ich ungeschickt. Er verlor mit diesem nachträglichen Vorwurf an Glaubwürdigkeit. Es wird deutlich, dass sein Verzicht nicht ernst gemeint war. Er wäre sehr gerne Bundesrat geworden. Ich hätte an seiner Stelle geschwiegen.

20 Minuten listete alle früheren Krimis auf:

Die spannendsten Krimis der letzten 50 Jahre

Die Nichtwahl von Lilian Uchtenhagen und Christiane Brunner, die Wahl von Christoph Blocher – Bundesratswahlen haben immer wieder für Spannung und Überraschungen gesorgt. Ein Rückblick auf das letzte halbe Jahrhundert.

Lilian Uchtenhagen und Christiane Brunner wurden nicht gewählt, Christoph Blocher schaffte es 2003 und war vier Jahre später wieder draussen. (Bilder: Keystone)

1959: Vier von sieben Bundesräten treten gleichzeitig zurück. Das eröffnet der in der Regierung nicht vertretenen SP die Möglichkeit, auf einen Schlag zwei Sitze zu erobern. Den Ausschlag gibt schon damals die CVP. Sie unterstützt den Anspruch der Sozialdemokraten, ihr Generalsekretär Martin Rosenberg wird zum Drahtzieher der Wahl. Die CVP tritt freiwillig einen Sitz an die SP ab, die FDP wird dazu gezwungen, die bis 2003 gültige Zauberformel (2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 SVP) ist geboren. Gratis erhält die SP ihre beiden Sitze aber nicht: Ihr offizieller Kandidat Walter Bringolf wird wegen seiner kommunistischen Vergangenheit von den Bürgerlichen abgelehnt, sie wählen den Basler Hans-Peter Tschudi.

1973: Eine Dreiervakanz führt zu für schweizerische Verhältnisse gerade revolutionären Zuständen: Keiner der offiziellen Parteikandidaten wird gewählt. Als erstes wird erneut die SP übergangen: der Aargauer Arthur Schmid gilt als zu links, gewählt wird der Solothurner Willi Ritschard. Danach kommt es zu Retourkutschen: Der offizielle CVP-Bewerber Enrico Franzoni scheitert gegen den Zuger Hans Hürlimann, der Genfer Freisinnige Henri Schmitt unterliegt Parteikollege Georges-André Chevallaz (VD).

1983: Die SP will mit der Zürcher Nationalrätin Lilian Uchtenhagen erstmals eine Frau in die Landesregierung bringen. Sie ist den Bürgerlichen aus verschiedenen Gründen nicht genehm, unter anderen werden frauenfeindliche Klischees wie «nicht belastbar» bemüht. Der Baselbieter FDP-Nationalrat Felix Auer weibelt am Abend vor der Wahl für seinen Wunschkandidaten Otto Stich. Damit wird der Mythos von der «Nacht der langen Messer» geboren, denn Stich wird prompt gewählt. Die SP-Spitze will in die Opposition gehen, doch die Basis entscheidet sich für den Verbleib im Bundesrat.

1993: Erneut versucht es die SP mit einer Frau, diesmal mit der Genfer Nationalrätin Christiane Brunner. Erneut machen die Bürgerlichen gegen sie mobil, erneut werden üble Klischees bemüht, bis hin zu abfälligen Sprüchen über Brunners äussere Erscheinung. Und erneut wählen sie einen Mann, den Neuenburger Francis Matthey. Doch diesmal spielt die SP nicht mit: Matthey erbittet eine Woche Bedenkzeit und wird so lange von Parteichef Peter Bodenmann und Co. bearbeitet, bis er die Wahl ablehnt. Als Alternative zu Christiane Brunner präsentiert die SP die Gewerkschafterin Ruth Dreifuss, die auch gewählt wird.

1999: Die CVP-Bundesräte Flavio Cotti und Arnold Koller treten gleichzeitig zurück. Viele sehen darin ein Manöver der Partei, um ihre Zweiervertretung vor den Wahlen im Herbst gegen die erstarkte SVP zu verteidigen. Dank Unterstützung von FDP und SP gelingt es. Die Wahl wird trotzdem spannend, denn die CVP präsentiert ein buntes Kandidatenfeld ohne klare Favoriten. Am Ende kommt es zu Zufallsergebnissen: die 35-jährige Innerrhoder Regierungsrätin Ruth Metzler schlägt ihre St. Galler Amtskollegin Rita Roos im vierten Wahlgang knapp, nachdem beide im dritten Wahlgang noch gleichauf gelegen hatten. Den zweiten Sitz holt der Freiburger Nationalrat Joseph Deiss mit einer Stimme Vorsprung auf den Zuger Peter Hess.

2000: Für die Nachfolge von Adolf Ogi nominiert die SVP ein Zweierticket mit der Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer und dem Thurgauer Regierungsrat Roland Eberle. Beide gelten als Vertreter des Zürcher Parteiflügels und sind dem Parlament deshalb nicht genehm. Es wählt im sechsten Wahlgang den Berner Ständerat Samuel Schmid.

2003: Nach den Wahlen im Oktober ist die SVP stärkste Partei. Sie präsentiert Christoph Blocher als Kandidaten und fordert ultimativ einen zweiten Sitz im Bundesrat auf Kosten der CVP. Diese will nicht nachgeben, es kommt zu einem wochenlangen Psychodrama, das am 10. Dezember mit der Abwahl von Ruth Metzler endet. Weil einige Linksaussen-Parlamentarier ihr die Stimme verweigern, wird Blocher Bundesrat.

2007: Die SVP legt bei den Wahlen nochmals zu. Darauf kommt es zum Schulterschluss von CVP, SP und Grünen. Sie wollen die Wiederwahl von Christoph Blocher verhindern. Wie 24 Jahre zuvor kommt es zu einer «Nacht der langen Messer»: Das welsche Quartett Christophe Darbellay (CVP), Christian Levrat, Alain Berset (beide SP) und Ueli Leuenberger (Grüne) lanciert die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf als Alternative und bearbeitet unschlüssige Parlamentarier. Der Coup gelingt: Am 12. Dezember wird Christoph Blocher abgewählt. Widmer-Schlumpf erbittet einen Tag Bedenkzeit und nimmt dann die Wahl an. Die SVP geht in die Opposition, es kommt zur Abspaltung der regierungstreuen Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP).

Der jüngste Krimi wird in diesem Abriss nicht mehr geschildert. Folgende Bilder erinnern uns an den jüngsten Wahlkrimi, den wir ausführlich geschildert hatten.

Bilder sagen oft mehr als Worte.

2008

«Hätte Walter das Amt zugetraut»

«Ich schwöre!» Ueli Maurer wird als 111. Bundesrat vereidigt. (Keystone)

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