Samstag, 25. Oktober 2008

Vor dem Gesetz sind alle gleich, heisst es...

Nach Sepp Blatters Frontalcrash

blick online:

Als Erstes schraubte die Berner Polizei die Kontrollschilder ab

Sepp-Häfeli, Sepp-Deckeli!

Es hätte so viel schiefgehen können bei Sepp Blatters Frontalcrash. Doch die Polizei sorgt sich vor allem um eins: den Ruf des Fifa-Bosses.

Nummer weg. Kaum vor Ort, entfernte ein Polizist Blatters Nummernschild. (Markus Hubacher)
Auf der A8 bei Spiez BE, als er nach dem Tunnel endlich wieder Gas geben kann, hat der Weltfussball-Präsident so richtig Glück im Unglück. Sepp Blatter baut einen Frontalcrash – und bleibt heil.

VIP-Behandlung. Die Berner Polizei wusste, was sich bei Fussball-Boss Sepp Blatter gehört. (Reuters)

Es ist Samstag, 11.30 Uhr:

Blatter überholt mit seinem 525-PS-Boliden gleich mal ein Auto. Touchiert es. Schleudert über die doppelte Sicherheitslinie auf die Gegenfahrbahn – und erwischt einen Golf III.

Beide Fahrzeuge landen in der Böschung. Blatters Mercedes SL 63 AMG auf den Rädern, der Golf auf der Seite. Sein Fahrer wird leicht verletzt. Jetzt aber hat Blatter so richtig Glück – mit den Berner Kantonspolizisten. Sie erkennen sofort, wen sie vor sich haben. Und lassen dem Fifa-Boss den VIP-Service angedeihen.

Zuerst mit tagelanger Diskretion. Das dürre Communiqué vom Unfalltag meldet eine «Kollision von drei Fahrzeugen» und eine «leicht verletzte» Person. Eine kleine Meldung im «Berner Oberländer» bringt am Montag das Bild.

Doch die Polizei sagt nicht, in welchem Auto der Verletzte sass. Sie behält für sich, dass alle drei Lenker zum Alkoholtest mussten. Als BLICK am Mittwoch enthüllt, dass Fifa-Boss Blatter den Unfall verursachte, fällt ein weiteres Detail auf: Am Mercedes fehlt das Nummernschild.

Die Kapo druckst herum: Vielleicht flog das Schild beim Crash davon. Am Donnerstag muss sie zugeben: Ein Polizist hat es noch am Unfallort entfernt. Um zu vertuschen, wer der prominente Fahrer war. «Jede Person hat das Recht auf Persönlichkeitsschutz», sagt Kapo-Sprecher Franz Märki, «auch Personen im öffentlichen Interesse.» Darum habe ein Mitarbeiter das Mercedes-Schild entfernt – nicht aber jenes am Golf. Denn: «Bei diesem mussten wir nicht annehmen, dass er im medialen Fokus steht.» Dafür tut das jetzt die VIP-Fürsorge der Kapo:

«Vor dem Gesetz sind alle gleich», ärgert sich FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Sogar andere Polizeikorps verstehen die Kollegen nicht.

Nur die ebenso leise Fifa dankt die Diskretion. Und freut sich über die gestrige Entwarnung per Alkoholtest: Null Promille bei allen Beteiligten. Bleibt noch eine Frage: Fuhr eigentlich jemand zu schnell? Antwort der Kapo: Stille

Kommentar: Die Informationspraxis der Kantonspolizei Bern entspricht wohl kaum den internen Richtlinien. Ich kann mirnicht vorstellen, dass in den Unterlagen irgendwo steht, Tatsachen müssen möglichst lange vertuscht werden und Fakten sollen nur stückweise herausgerückt werden und zwar erst dann, wenn die Presse Lunte gerochen hat. Eine derartige Informationspraxis wäre alles andere als vertrauensfördernd.

Blatters erfolgreiche Fussballrhetorik:

Ich verstehe den ganzen Wirbel nicht. Das kann ja allen passieren.

blick-online:

In der VIP-Lounge des Dan-Hotels in Tel Aviv (Israel) trifft SonntagsBlick am vergangenen Montag Joseph S. Blatter zum exklusiven Interview.Der Fifa-Chef hat starke Knieschmerzen, doch die Frage, ob er sich beim Autounfall vor zehn Tagen verletzt habe, wehrt er vehement ab. Dabei handle es sich um ein schon viel älteres Leiden. Im Gegenteil, es gehe im gesundheitlich ausgezeichnet.

Die Aufregung um seinen Unfall kann der 72-Jährige überhaupt nicht verstehen.

Schliesslich könne so etwas doch jedem einmal passieren! Und über die Spekulationen, dass er selber die Nummernschilder des Mercedes abgeschraubt habe, kann Blatter nur lachen. Dazu habe es überhaupt keine Veranlassung gegeben. Denn ohnehin seien die Schilder nicht auf ihn persönlich, sondern auf die Fifa eingelöst. Mit diesem Firmenfahrzeug fuhren auch andere Personen. Die Berner Kantonspolizei habe ihm nur einen einzigen Gefallen getan: Ihn auf den nächsten Polizeiposten chauffiert, da sein Mercedes nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Dort habe ihn später seine Tochter abgeholt und ins Wallis gefahren. Zum genauen Unfallhergang darf Blatter keine Angaben machen, da die Ermittlungen immer noch ­laufen. Dies bestätigt auch der zuständige Untersuchungsrichter: «Die Polizei hat eine Anzeige bei mir eingereicht», sagt Matthias Wiedmer (40) und geht sogar einen Schritt weiter: «Hätte Blatter kein Gesetz verletzt, hätte die Polizei mir ­lediglich einen Bericht zugestellt.» In den kommenden Tagen wird Wiedmer die Akten genaustens studieren, um zu entscheiden, für welches Verfahren er sich entscheidet: «Ob ich Blatter zur Einvernahme vorlade, wird sich zeigen», so der Untersuchungsrichter. D. R. (21)*, Fahrer des VW Golf, den Blatter abgeschossen hat, will sich nicht zum Unfall äussern. Nach Aussagen seines Vater habe er sowieso kaum etwas vom Unfall ­mitbekommen: «Es ging alles so schnell», weiss A. R. (51)*. Sie ­beide hätten jedoch volles Ver­trauen in die Justiz und Blatter werde seine gerechte Strafe schon erhalten.

Nachtrag 8.2.09

Sepp Blatter muss 600 Franken Busse zahlen

Für ein gefährliches Überholmanöver mit seinem 525-PS-starken Mercedes ist FIFA-Präsident Sepp Blatter vom Untersuchungsrichteramt IV Berner Oberland zu einer Busse von 600 Franken verurteilt worden. Mehr...

Es wird vermutet, dass Sepp Blatter während der Fahrt telefoniert hat.

Blick 9.2.09:

Da ist etwas faul

Inkognito: Ein Polizist montierte das Nummernschild von Sepp Blatters Unfall­wagen ab. (Markus Hubacher)

Bloss 600 Franken Busse wegen Verletzung der Verkehrsregeln, zuzüglich einer bescheidenen Schreibgebühr von 250 Franken. Lächerlich wenig für einen Mann, der pro Jahr 1 Million Franken Aufwandsentschädigung kassiert. Da ist etwas faul, glauben Experten. «Das Urteil ist fragwürdig, gar unmöglich», sagt Strassenverkehrsgesetz-Experte und Opferanwalt Marco Unternährer. «Eine Busse ist immer abhängig vom Einkommen. Sie muss weh tun.» Bei Sepp Blatters Verdienst hätte sie mehrere Tausend Franken betragen müssen. «600 Franken Busse wären vielleicht angemessen für einen Unfallverursacher mit einem Jahresgehalt von 80´000 Franken. Nicht aber für Blatter.» Unternährer: «Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Richter das Urteil begründet. Ein anderer Lenker hätte eine bedingte Freiheitsstrafe riskiert.» Der Weltfussballverband Fifa hüllt sich in Schweigen. Das milde Urteil, das die «SonntagsZeitung» gestern publik machte, will Medienchef Nicolas Maingot nicht kommentieren. «Ich kenne den Fall nicht.» Da hat er nicht gut aufgepasst: Denn die Fakten zu Blatters Unfall enthüllte BLICK schon im vergangenen Herbst. Am 18. Oktober 2008 ist der Fifa-Präsident Richtung Wallis unterwegs, am Steuer seines über 200´000 Franken teuren und 525 PS starken Mercedes. Nach dem Spiezwiler Tunnel überholt Blatter ein Auto. Er touchiert es und schleudert auf die Gegenfahrbahn – frontal in einen Golf. Die ausgerückten Polizisten erkennen sofort, wen sie vor sich haben. Und schon damals meinten es die Beamten gut mit Blatter. Diskretion! Es gibt nur eine dürre Mitteilung: «Kollision von drei Fahrzeugen», eine «leicht verletzte» Person. Kein Wort über den prominenten Unfallverursacher. BLICK fragte damals die Polizei, warum auf dem Unfallfoto bei Blatters Mercedes das Nummernschild fehlt. Antwort: Vielleicht flog das Schild beim Crash davon. Tage später muss die Polizei zugeben: Ein Polizist hat es entfernt. Um zu vertuschen, dass Blatter den Unfall verschuldet hatte.

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