Freitag, 10. Oktober 2008

Vertrauensbildende Antworten

Versprechen: Der Bundesrat will alles unternehmen, um die Stabilität des Finanzplatzes Schweiz sicherzustellen.

Quelle Blick-online:

Blick: Ist der Bundesrat vorbereitet, wenn in der Schweiz Ereignisse eintreten, wie wir sie nun zuhauf im Ausland haben? Staatsgarantien, Rettungsaktionen für schlingernde Banken?

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf:

Ja, wir sind auf alles vorbereitet. Das ist unsere Pflicht. Aber wir reden erst über Massnahmen, wenn solche konkret beschlossen werden sollten.

Trotzdem: Selbst Hochschul-Professoren kritisieren, dass der Bundesrat zu wenig ­vertrauensbildende Signale aussendet ...

Nochmals: Der Bundesrat hat verschiedene Szenarien ausgearbeitet und ist jederzeit in der Lage, die geeigneten Massnahmen zu treffen, so solche notwendig sein sollten. Aber es macht keinen Sinn zu sagen: Wenn das geschieht, machen wir das, und falls dieser Fall eintritt, handeln wir so.

Weshalb nicht?

Wir würden auf diese Weise die Verunsicherung wohl nur noch verstärken. Unsere Philosophie ist eine ganz andere: Wir machen politische Aussagen über konkrete Massnahmen erst, wenn diese notwendig und beschlossen sind. Meines Erachtens dient der vom Bundesrat eingeschlagene Weg der Vertrauensbildung.

Eine leise Kritik an ausländi­schen Politikern?

Möglicherweise sind wir etwas besser vorbereitet als andere Länder.

Doch noch konkreter: Wenn eine Schweizer Bank ins Schlingern gerät ...

Der Bundesrat wird alles unternehmen, damit die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes insgesamt sichergestellt werden kann.

Verbesserung des ­Anlegerschutzes?

Ich werde sehr bald etwas Konkretes dazu sagen können. Wir arbeiten daran.

Weshalb gehen Sie am Wochenende nicht zur Weltbanktagung nach Washington?

Frau Leuthard und ich haben vereinbart, dass sie in die USA reist. Uns ist wichtig, dass ich in diesen Tagen in der Schweiz bleibe. Für mich ist ausschlaggebend, dass ich weiterhin direkten Kontakt mit Vertretern der Eidgenössischen Bankenkommission und der Schweizerischen Nationalbank habe, um die tägliche Lageanalyse an den ­Finanzmärkten vorzu­nehmen.

Haben Sie Kontakt mit Ihrem Kollegen Hans-Rudolf Merz?

Ja, wir haben telefoniert. Ich habe ihn über die grösseren Geschäfte informiert.

Wie wirkte er auf Sie?

Sehr munter, sehr präsent. Das ist für mich, wie für alle, eine grosse Erleichterung.

Kommentar: Die Antworten überzeugen, weil Spekulationen, Vermutungen fehlen und die Bundesrätin konsequent bleibt: Die Aussagen sind eindeutig: JA, NEIN. "Wir sagen erst etwas, wenn wir etwas beschlossen haben." Kein Lavieren! Die kurzen und bündigen Aussagen sind glaubwürdig.

Tagi online:

Grösster Kursabsturz seit 17 Jahren

Die Schweizer Börse hat die schwärzeste Woche seit langem hinter sich. Der SMI sackte um 7,79 Prozent auf einen Schlussstand von 5347 Punkten ab. Der Dow Jones befindet sich auf Berg- und Talfahrt.

Auch im Interview vom 10.10.08 gelang es die Vertreterin des Finanzministers, in der katastrophalen Krisensituation vertrauensbildende Worte zu finden.

- Der Bund wolle Einlagesicherungen verstärken (Offen sei nur noch die Höhe dieses Schutzes - die EU habe sich für 80 000.-- Fr entschieden)

- Offen sei noch, welche Guthaben es betreffe. Der Bundesrat werde erst kommunizieren, wenn es etwas zu kommunizieren gebe. Nur weil andere Staaten kommunizierten, müsse die Schweiz ihre geplante Massnahmen nicht schon heute bekannt geben

- Die Bundesrätin schloss nicht aus, dass sich die Krise auch auf die Schweiz auswirken kann

- Die Kantonalbanken in der Schweiz würden eine stabilisierende Rolle spielen

- Der Bundesrat habe sich mit allen möglichen Szenarien eingehend auseinander gesetzt. Massnahmen gebe er jedoch erst bekannt, wenn dies notwendig werde.

Illustration nzz-online:

Nachtrag Sonntagsblick:

Widerspruch Eveline Widmer-Schlumpf (l.) hält Doris Leuthards Versprechen, die ­Grossbanken im Notfall zu retten, für realitätsfremd. (Keystone)

Der Bundesrat liess auch letzte Woche kaum etwas zu den Notfallplänen verlauten, die für den Fall eines Grossbanken-Crashs ausgearbeitet worden sind. Man habe die Lage im Griff, sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am vergangenen Donnerstag bloss.

Gleichentags redete dann (Im Gegensatz zu Eveline Widmer Schlumpf) allerdings Wirtschaftsministerin Doris Leuthard (45) munter drauflos: «Was wir auf jeden Fall nicht wollen – dass eine Grossbank in eine ernsthafte Krise hineingerät bis hin zu einem Konkurs», sagte sie Radio DRS. «Das würde der Bundesrat mit Sicherheit verhindern.» Diese Aussage sorgte im Finanzdepartement (EFD) für Verärgerung. Umgehend korrigierte man Leuthards Statement: Der Bundesrat treffe Vorkehrungen, damit die Banken gar nicht erst in eine Lage geraten, in der sie Staatshilfe nötig hätten.

«Leuthard hat sich ungeschickt geäussert und sich nicht an die Sprachregelung des Bundesrats gehalten», heisst es im EFD. Sprecherin Tanja Kocher sagt dazu nur: «Ich bin überzeugt, Doris Leuthard ist auf der Linie des Bundesrats.»

Auch Widmer-Schlumpf soll über Leuthard «not amused» gewesen sein. Aus ihrem Umfeld heisst es, Leuthards Statement entspreche nicht den realen Möglichkeiten. Nähme man sie beim Wort, müsste der Schweizer Staat mit einem Bruttoinlandprodukt von 510 Milliarden Franken im Falle eines UBS-Crashs eine Bank mit einer Bilanzsumme von 2000 Milliarden retten – ein Ding der Unmöglichkeit.

Auch SVP-Finanzexperte Hans Kaufmann (60, ZH) schüttelt den Kopf über die Wirtschaftsministerin: «Leuthard kann ihr Versprechen nicht einhalten. Für eine solche Rettungsaktion fehlt nicht zuletzt die rechtliche Grundlage.»

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich Leuthard im Zusammenhang mit der Finanzkrise um Kopf und Kragen redet.

Den ersten Patzer leistete sie sich am 17. September. Zwei Tage nach dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers sagte sie in einem BLICK-Interview: «Wir sehen null Indizien für eine Rezession.» Damit sorgte Leuthard bei Economiesuisse für Verwunderung: Dort rechnete man damals für 2009 bereits mit rezessiven Quartalen. Seither sieht alles noch düsterer aus.

SonntagsBlick weiss: Am Donnerstag, kurz vor Leuthards Abflug an die IWF-Tagung in Washington, rief Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer (60) die Wirtschaftsministerin persönlich an – um ihr zu sagen, er werde am Freitag in der «Arena» vor einer Rezession warnen. Was er dann auch tat.

Zur Kritik an Leuthard will sich das Volkswirtschaftsdepartement nicht äussern: «Kein Kommentar.»

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