Nach meinem Dafürhalten krankt die SVP dort, wo letztes Jahr andere Parteien versagt haben: Statt zu agieren, reagiert sie und muss sich zu stark nach der Schattenfigur Blocher ausrichten.
Ich zitiere Tagi-online:
Orientierungslose SVP zerfleischt sich selbst
Meist verkörpert er den gemütlichen Typ aus dem Zürcher Säuliamt. Doch wenn Toni Bortoluzzi etwas gegen den Strich geht, wird er ungemütlich. Gegen den Strich ging ihm, dass die SVP-Fraktion sein Idol Christoph Blocher vor drei Wochen nicht zum Bundesratskandidaten erkor, bevor überhaupt eine Vakanz besteht. Und seinen Unmut kriegt der Thurgauer Unternehmer Peter Spuhler zu spüren – er hat die Blocher-Nomination am lautesten bekämpft.
Spuhler füge als ehemaliges Mitglied des UBS-Verwaltungsrats der Partei «enormen Schaden» zu, verkündet nun Bortoluzzi. Denn mit diesem Mandat verkörpere Spuhler die Verfilzung von Politik und Wirtschaft. Was Bortoluzzi mit der Aktion bewirken möchte, bleibt im Dunkeln, er war gestern nicht zu erreichen. Der Ausspruch zeigt jedoch zweierlei: Erstens, wie tief die Verletzungen über die Entthronung Blochers bei einem Teil der Fraktion reichen müssen. Zweitens, wie orientierungslos die Partei derzeit dasteht, wenn sie sich der Selbstzerfleischung hingibt. Es gehe wohl dem Blocher-treuen rechten Flügel um Christoph Mörgeli darum, wieder mehr Einfluss zu erlangen, mutmasst der Solothurner Nationalrat Roland Borer.
Harsche Reaktionen
Die unerwartete Attacke verhärtet nun die Fronten zwischen den Blocher-Adlaten und jenen, welche die Partei erneuern möchten. «So ein Unsinn!», ärgert sich Borer. Der Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht sagt: «Bortoluzzi würde sich besser zurücknehmen. Das ist ja lächerlich und unverständlich.» Der Angriff auf Spuhler sei parteistrategisch so ungefähr das Dümmste, was man tun könne, bedauern andere Schwergewichte – selbst solche, die an der denkwürdigen Fraktionssitzung Blocher die Stange hielten. Umso mehr, als Spuhler den tatkräftigen Wirtschaftsführer repräsentiere und damit ein wichtiges Wählersegment abhole. Der Angeschossene selbst goutiert die Sache ebenso wenig, möchte sich aber dazu nicht äussern.
So harsch die Reaktionen ausfallen: Die Diffamierung Spuhlers ist keine Einzelaktion. Auch andere Fraktionsmitglieder, die gegen die Blocher-Nominierung waren, berichten von unschönen Erfahrungen. So wurde der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann, noch vor kurzem von Ueli Maurer als möglicher Bundesrat ins Spiel gebracht, von Pfarrer Gerhard Blocher kürzlich als Opportunist abgekanzelt und gilt nun plötzlich als zu wenig standhaft. Dem Zürcher Nationalrat Jürg Stahl kamen seltsame Gerüchte über sein Liebesleben zu Ohren. Und sein Kollege Bruno Zuppiger, ein Blocher-Anhänger, der aber von andern Parteien immer wieder als valabler Bundesratskandidat ins Spiel gebracht wird, sieht sich vom innersten Blocher-Kreis als politisch «zu eigenständig und unberechenbar» gebrandmarkt. Zudem werden längst entkräftete Vorwürfe gegen ihn aufgewärmt aus der Zeit, als er im Zürcher Gewerbeverband tätig war.
Stimmung des Misstrauens
Diese Vorkommnisse schüren das Misstrauen innerhalb der Partei. Er frage sich manchmal, wem er was noch erzählen könne, sagt Jürg Stahl. Und fügt an: «Ich bin in Sorge. Ich befürchte, dass die Partei von ihren Tugenden abkommt. Wir haben bisher engagiert Sachpolitik betrieben, und wir haben die Kameradschaft untereinander grossgeschrieben.» Und Alex Kuprecht findet, statt sich öffentlich selbst zu zerfleischen, müsse die Partei endlich zur Sachpolitik zurückfinden.
Dort hat sie in letzter Zeit sichtbar an Tempo verloren, wie etliche Fraktionsmitglieder bestätigen. Zum Beispiel bei der Finanzmarktkrise: Lange blieb die SVP auffällig ruhig. Als der Bundesrat letzten Donnerstag sein Hilfspaket ankündigte, verbreitete die Oppositionspartei ein Communiqué, in dem sie das Massnahmenpaket unterstützte und gleichzeitig festhielt, über die Bedingungen werde sie sich in der Dezembersession äussern.
Inzwischen überlegt sich die SVP, etwas mehr Tempo zu machen. Ein Papier zum Thema ist in Erarbeitung, wann es der Öffentlichkeit vorgestellt wird, will Fraktionschef Caspar Baader noch nicht sagen. Früher, so bemängeln mehrere Parteimitglieder, hätte der ehemalige Präsident Ueli Maurer mit den Sachkundigen quasi über Nacht ein Konzept und die Argumentationsgrundlage dafür erarbeitet. Negativ komme auch der schlecht kommunizierte Zickzackkurs zur Personenfreizügigkeit bei der Basis an, sagen sie. Das Malaise habe mit dem gegenwärtigen Führungsmanko zu tun, glauben Roland Borer und Alex Kuprecht. Sie fragen sich, warum das Partei- oder Fraktionspräsidium nicht eingreifen und die öffentlichen Diskreditierungen stoppen, damit sich die Partei hernach geeinigt der Sachpolitik widmet. «Wir müssten doch die Differenzen ausdiskutieren und wieder zusammenstehen wie einst», sagt Hannes Germann und hofft auf eine klärende Diskussion, wenn Christoph Blocher Ende Monat aus den USA zurückkommt. Nur er könne die Fraktion wieder einen, glaubt auch Bruno Zuppiger.
Fraktionschef Caspar Baader sagt, er führe mit den Betroffenen persönliche Gespräche. «Man darf den personellen Differenzen nicht zu viel Bedeutung zumessen», glaubt er. «Jetzt gehen halt die Wogen bei uns wieder etwas höher, das gab es auch früher immer wieder.
Kommentar: Wenn sich die SVP professionell beraten liesse, müsste sie sofort eine Standortbestimmung vornehmen und die interne und externe Kommunikation koordinieren. Sonst sehe ich schwarz. Ob sich jedoch Christoph Blocher selbst an diese Richtlinien halten würde? Ich zweifle daran. Er wird immer mehr zum Problem.
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