Zitat aus Spiegel online:
Ein Tross von rund 50 US-Journalisten reist seit Monaten beinahe jeden Tag mit Hillary Clinton. In jedem Moment behalten sie die Bewerberin im Auge. Wenn die Meute aus Printreportern, Radio- und Fernsehprofis bei einem der Clinton-Wahlkampfauftritte einfällt, trennt meist eine Kordelschnur ihre Stuhlreihen von den gemeinen Wählern. Es ist nicht ganz klar, ob das geschieht, weil die Wähler vor der freien Presse geschützt werden sollen - oder die freie Presse vor den Wählern.
Bei einem Auftritt Clintons am Sonntagmorgen im Örtchen Westerville in Ohio drängt sich letzterer Eindruck auf.
Direkt vor dem Medientross baut sich nämlich eine kräftige Frau in Jeans und Rollpulli auf und hält ein selbstgemaltes Plakat hoch. Darauf steht drohend:
"Lasst nicht die Presse den Präsidenten auswählen!"
Was sie vom Verhältnis der Journalisten hinter ihr zu Clintons Rivalen Barack Obama hält, hat die Frau auch gleich aufs Plakat gepinselt - ein klarer Fall von "boycrush" liege vor. Will heißen:
Nach ihrer Meinung himmeln die Medienleute Obama an wie verliebte Teenager.
Ein paar Schritte weiter, oben auf der Bühne, scheint die Stimmung ähnlich zu sein. Da führt die Frau des Gouverneurs von Ohio, Frances Strickland, gerade Senatorin Hillary Clinton ein - und Strickland sagt: "Natürlich habe ich gestern Abend 'Saturday Night Live' geschaut. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet sie es genau richtig beschreiben." Clinton hört sich die Worte sehr zufrieden an - und scheint quer durch den Saal direkt zum Medientross zu schauen.
Legendärer Verbündeter
Denn Clinton hat die legendäre Satiresendung "Saturday Night Live" (SNL) des TV-Senders NBC als Verbündeten im Wahlkampfendspurt entdeckt.
Genauer: als Kronzeugen für den Vorwurf, die Medien hätten sich gegen sie verbündet und behandelten ihren Rivalen Obama weit unkritischer als sie.
Nur wenige Stunden vor Clintons Auftritt in Westerville trieb die ungewöhnliche Kooperation neue Blüten. Die jüngste Folge der populären Sendung begann mit einem Sketch, in dem "SNL"-Schauspieler Clinton, Obama, sowie die beiden NBC-Moderatoren Brian Williams und Tim Russert imitierten.
In der Parodie stellten die vermeintlichen TV-Moderatoren Clinton eine knallharte Frage nach der anderen, während sie Obama Alibifragen zur Profilierung zuspielten. Sie riefen die Senatorin mit sexistischen Sprüchen zur Ordnung, nahmen sie ins Kreuzverhör zu unmöglichen Politikernamen aus aller Welt: etwa dem des Außenministers von Nigeria. Wenn Clinton passen musste, gaben die Moderatoren die richtige Antwort preis, und stellten Obama dann die identische Frage. Der plapperte brav die Namen nach - und erhielt dafür überschwängliches Lob der Satirejournalisten.
Ende Zitat
Kommentar: Wenn nun Hillary Mitleid erwecken will - mit dem Argument, sie würde als Frau benachteiligt und über eine Satiresendung beweisen will, dass Obama von den Medien bevorzugt werde, so ist dies kein geschickter strategischer Schachzug. Die Oeffentlichkeit erkennt gewiss rasch, dass man nicht als Geschlagene mit dieser "Masche" punkten kann. Nachdem Hillarys Versuche, Obama als Luft-Rhetoriker abzuwerten, ebenfalls misslungen ist, scheint sie nun auf jeden Stohhalm angewiesen zu sein, um die Niederlage nicht dem eigenen Unvermögen zuschreiben zu müssen.
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