Sonntag, 2. September 2007

Politbeobachter Kurt Siegenthaler als Hellseher?

Ein Leser unseres virtuellen Buches fragte mich in einem Mail:

"Gestern beobachtete ich die ARENA vom 31.8.07 Kurt Siegenthaler (SF DRS stellte ihn zwar im Internet als Peter Siegenthaler vor) . Als erfahrener Journalist und Medientrainer sagte Siegenthaler vor der Kamera - übrigens in Anwesenheit des Chefredakteurs der Weltwoche Roger Köppel - er lese die Weltwoche nie. Dennoch verurteilte er dieses Wochenmagazin. Wie kann ein intelligenter Medienspezialist über etwas urteilen, das er gar nie liest? Ist Siegenthaler ein Hellseher?"

Kommentar:

Ich habe mir die Arena angesehen und angehört. Dabei stellte ich tatsächlich fest, dass der erfahrene Journalist Siegenthaler nicht gewillt war, die Weltwoche zu lesen. Offensichtlich lehnt er sie ideologisch ab. Es erstaunte mich ebenfalls, dass er die Weltwoche verurteilten konnte, ohne sie zu lesen. Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass ein Medienprofi sein eindeutiges Urteil über das "Hörensagen" fällen kann . Ein Journalist - wie auch ein Politiker - müsste bereit sein, auch jene Medienprodukte zu lesen, die eine andere Meinung vertreten. Dies gehört zum Job! Mich störte es schon früher - beispielsweise bei Alt- Nationalrätin Ursula Hafner (SP)- als sie erklärt hatte, sie rede nicht mit Ueli Maurer von der SVP. Als Coach rate ich stets: Bemühen Sie sich, auch eine missliebige Gegenmeinung anzuhören. Wir müssen mit dem Gegenüber oder mit einem Autor nicht einverstanden sein. Kommunikationskanäle abbrechen bringen uns nie weiter. Wer Dialoge ablehnt, killt Kommunikationsprozesse. Wir müssten bereit sein, auch Zeitungen unterschiedlichster Prägung zu lesen. Kurt Siegenthaler hätte in der ARENA durchaus sagen können: "Ich kaufe die Weltwoche nie. Dieses Blatt will ich nicht unterstützen. Doch habe ich sie stets gelesen. Ich kenne deren Inhalt." Siegenthaler darf nicht über eine Zeitung den Stab brechen, wenn er sie gar nicht gelesen hat. In meinem Beruf musste ich früh lernen, unzählige Medien zu konsumieren, auch Beiträge, mit denen ich nicht einverstanden bin. Dank dieser Oeffnung beim Medienkonsum, erkannte ich, dass es gar nicht schlecht ist, wenn Probleme von unterschiedlichsten Seiten aus beleuchtet werden. Leute, die nur die eigenen Meinung hören oder lesen wollen, verengen ihren Horizont. Es kommt gleichsam zu einer geistigen Inzucht. Horizonterweiterungen sind immer hilfreich. Hoffentlich hat Kurt Siegenthaler das nicht so gemeint, wie er es in der ARENA gesagt hatte. Sonst wäre er tatsächlich ein Hellseher.

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