Die ellenlange Geschichte über einen Kassensturzbeitrag, einen umstrittenen Schönheitschirurgen, einer Miss und allfällige rechtliche Nachwehen ____________________________________________________________________________
Zur ersten BLICK geschichte:
In der Sendung auf SF 1 sah man, wie der Chirurg an den Brüsten von De Filippis ausgedehnt Mass nahm und diese als «asymmetrisch» bezeichnete. Nach Angaben von Nick D`Agostino gab es nach dem TV-Bericht Drohungen gegen die junge Frau und seine Miss-Organisation: «Diese Leute haben sich empört, dass eine gewählte Miss sich oben ohne am Bildschirm zeigt.»
Zum «Kassensturz»-Einsatz steht Jessica De Filippis nach wie vor. In einem Mail schreibt sie dem «Blick»: «Ich war damit einverstanden, dass der «Kassensturz» diese Berichte gemacht hat.» D`Agostino hingegen entrüstet sich, der Fernsehsender sei zu weit gegangen: «Wir sind geschockt über den Beitrag und distanzieren uns davon.
Im Blick hat sich Kurt Felix zum umstrittenen Kassensturz-Beitrag über Schönheitschirurg Peter Meyer-Fürst geäussert. Er zeigt sich verwundert, dass die Verantwortlichen keine Sendeerlaubnis eingeholt haben.
"Ich hätte nach solchen Aufnahmen wahrscheinlich ins Gefängnis gehen müssen, gestützt auf einen Artikel im Strafgesetzbuch: Wer ein fremdes, nicht öffentliches Gespräch (...) aufnimmt (...) und auswertet (...), wird mit Gefängnis oder Busse bestraft“, so Felix.
Zu seiner Zeit liess sich der "Versteckte Kamera"-Moderator für seine Sendungen immer von Strafrechts- und Ethikfachleuten beraten. Oftmals hörte er: "Was du machst, ist eigentlich nicht zulässig." Trotzdem wusste Felix:
"Das A und O war immer eine schriftliche Sende-Erlaubnis". Nur einmal habe er keine solche Erlaubnis eingeholt, weil die Szene harmlos schien. Aber: "Schon gab es Lämpe", sagte Felix im Blick.
In der Regel sei jedes zehnte Opfer der versteckten Kamera mit einer Ausstrahlung nicht einverstanden gewesen. "Wir haben die Aufnahmen grundsätzlich an Ort und Stelle gelöscht", so Felix. Dennoch hätten sie in fünf Fällen eine Klage bekommen. Die aussergerichtlichen Einigungen seien jeweils "ziemlich happig" gewesen.
Peter Meyer-Fürst, der 70-jährige Schönheitschirurg, der jüngst die Brüste der Miss Argovia durchknetete und ihr schleunigst zur Vergrösserung riet, ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt.
«Halt dich von Meyer-Fürst fern, wenn du nicht gern gehäutet wirst», unterschrieb Karikaturist Nico seine Zeichnung im Sonntagsblick. Das Bild diente zur Illustration eines Artikels, in dem Praktiken und finanzielle Probleme des Senioren-Operateurs aus Zürich beschrieben wurden.
Insbesondere der Umgang von Peter Meyer-Fürst mit Wahrheiten, Amtsverfügungen und Pfandversprechen interessierte den Autoren - und vorher bereits die Gerichte. Der selbst ernannte «Busen-Meyer», der in einem Kassensturz-Beitrag die Brüste der Miss Argovia so gründlich kontrollierte, dass es der schönen Aargauerin «nicht mehr wohl war», hatte sich 1997 von einem englischen Ehepaar eine halbe Million Dollar geliehen. Als Sicherheit gab der schneidige Chirurg seinen Bentley und ein Gemälde von Picasso im Darlehensvertrag an.
Kredit nie zurückbezahlt
Als das Ehepaar nie irgendeinen Cent vom geliehenen Geld zurückbekam, wandte es sich an die Schweizer Behörden. Bis im September 2006 vergeblich: Weder Geld noch Zins bezahlte Meyer-Fürst bis dato. Die Sicherheiten Bentley und Picasso rückte er auch nicht heraus. Eine aufgebrummte Verdienstpfändung des Betreibungsamts Thun umging er. Bis vor vier Monaten, also über zehn Jahre lang, hatte er vom Kredit nichts zurückbezahlt. Der Kreditgeber ist übrigens längst verstorben.
Obwohl er seine Schulden offensichtlich nicht bezahlen kann, feiert Meyer-Fürst gerne mit den Reichen und Schönen. Mit schnell wechselnden jungen Begleiterinnen ist der Chirurg, der laut eigenen Aussagen weit über 10'000 Operationen und davon allein 2000 Brüste gemacht hat, an den Promipartys zu Gast.
Vera Dillier als ehemalige Prostituierte beschuldigte den Chirurgen öffentlich
Nicht überall freut man sich über die Auftritte des Arztes: Vera Dillier, die Jet Setterin, die jetzt im Kassensturz erzählt, dass Meyer-Fürst sie einmal mit entblösstem Glied untersuchte, sagte bereits vor einem Jahr im Sonntagsblick: «In St.Moritz ist er nicht mehr gern gesehen.»
Meyer-Fürst hält auch von Frau Dillier nicht mehr allzu viel. Er bezeichnete gestern auf Tele-Züri die Jet-Set-Lady als Ex-Prostituierte, die als Escort-Dame in Europa und Übersee unterwegs war.
«Löcher im Brustgewebe von der Grösse eines Zweifrankenstücks»
Die Probleme des Mannes, der nebst vielen anderen etwa Iris Berben oder Ivana Trump zu straffem Gesicht und grösserer Oberweite verholfen hat, gehen Jahre zurück. 1997 wurde Meyer-Fürst nach jahrelangem Rechtsstreit zu sieben Tagen Gefängnis verurteilt. Grund: Er hatte die Zehe einer Patientin operiert – ohne dass sie je ihre Einwilligung zum Eingriff gegeben hatte.
In einem Artikel beleuchtet die Zeitschrift «Bilanz» bereits 1993 diverse Massaker, die Meyer-Fürst an verschiedenen Patientinnen veranstaltet hatte. Von «irreparablen Masken» und «Löchern im Brustgewebe in der Grösse von Zweifranken-Stücken» ist im Artikel die Rede. Meyer-Fürst erwirkte per vorsorglicher Verfügung, dass die Bilanz nicht an den Kiosken verkauft werden durfte.
Meyer-Fürst musste die gesamten Prozesskosten zahlen
Erst vier Jahre später kam es zu einem definitiven Urteil. Meyer-Fürst sah von seiner geforderten Wiedergutmachung von 2,24 Millionen Franken keinen Rappen. Im Gegenteil: Ihm wurden die Verfahrenskosten von 78'000 Franken aufgebrummt. Er bezeichnete das Urteil laut Sonntagszeitung als «absolut widersprüchlich.»
Die «Bilanz» durfte ab sofort öffentlich behaupten, Meyer-Fürst habe «anstatt auf mögliche Probleme hinzuweisen, Patientinnen zu zusätzlichen kosmetischen Eingriffen überredet, weil’s im Gleichen gehe.»
Derart gebeutelt war es für Meyer-Fürst damals wohl ein schwacher Trost, dass das von der Krankenkasse CSS gegen ihn angestrengte Verfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung in mehreren Fällen eingestellt wurde. Die «Bilanz» konnte er allerdings nicht mehr daran hindern, den Satz zu verbreiten, dass er in den Verdacht geraten sei, «unentschlossenen Frauen den Entscheid zugunsten eines operativen Eingriffs etwas zu erleichtern mit dem Hinweis auf eine hilfsbereite Geldquelle: die Krankenkasse.»
Die Konsequenzen?
Muss der siebzig Jahre alte Meyer-Fürst jetzt mit Konsequenzen rechnen? Wohl kaum. Laut einem heutigen Artikel im Blick liegen zwar beim Gesundheitsdepartement des Kantons Zürich Beschwerden gegen ihn vor. Doch Johannes Thieler vom Departement lässt keinen Handlungsbedarf erkennen: «Das sind alte Fälle, die keinen Bezug zu sittlichen Verfehlungen haben».
Wir vermuten, dass die Geschichte keine weiteren rechtlichen Konsequenzen mehr haben wird.
Die Medien können zufrieden sein. Sie haben ihre Story verkaufen können: Die Story mit einer Miss, welche vor laufender Kamera an den Brüsten betastet wurde, einer ehemaligen Prostituierten, die sich profilieren konnte, einem fragwürdigenSchönheitschirurgen und einer umstrittenen Sendung mit einer (illegalen?) versteckten Kamera, die dennoch die notwendigen Bilder liefern durfte. Ein Chirurg, der sich wohl aus finanziellen Gründen kaum noch wehren kann und ein Publikum, das sich amüsieren durfte und wir, die zu einer ungewöhnlichen Mediengeschichte kamen.
NACHTRAG 20.2.07
Quelle BLICK (ZITAT):
Wochenlang haben die Anwälte des Chirurgen Peter Meyer-Fürst gearbeitet, jetzt präsentieren sie BLICK die Strafanträge gegen:
Recherchen mit "versteckter Kamera" - ein heikler Bereich
Die Konsumentensendung "Kassensturz hatte jüngst mit einer versteckten Kamera und einem Lockvogel (der 19 jährigen Miss Argovia) die fragwürdigen Untersuchung des Schönheitschirurgen Peter Meyer-Fürst dokumentiert und gesendet. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Arzt der jugendlichen Operationswilligen nicht von der Brustoperation abgeraten hatte und er den attraktiven Busen der jungen Frau unnötig oft berührt hatte.
Zu den rechtlichen Aspekten
Wer Tatsachen aus dem Privatbereich eines anderen auf einen Bildträger aufnimmt, wird auf Antrag - gemäss Strafgesetz - bestraft.
Bei den Aufnahmen in der Praxis des Chirurgen ging es eindeutig um einen Privatbereich.
Wer widerrechtlich in seiner Persönlichkeit verletzt wird, kann gemäss Zivilgesetzbuch alle Beteiligten einklagen und unter anderem Schadenersatz und Genugtuung verlangen.
Laut Bundesgericht gibt es auch das Recht auf das eigenen Bild. Eine fokussierte Abbildung ist demnach nur erlaubt, wenn der Betroffene zustimmt oder "überwiegende öffentliche Interessen" diese Abbildung rechtfertigen.
In bestimmten Situationen kann der Täter - also zunächst der Reporter - wegen "Wahrung berechtigter Interessen" ausnahmsweise freigesprochen werden.
Das Bezirksbereicht Dielsdorf hat schon einmal solche Interessen anerkannt. Es ging um einen Versicherungsmann, der während der Beratung gefilmt wurde und geklagt hatte. Das Fernsehen hatte bei diesen Aufnahmen das Gesicht unkenntlich gemacht und die Stimme verstellt.Damals konnte nur mit versteckter Kamera die notorische Abstreiterei des Sachverhaltes dokumentiert werden. Dieser Fall wurde ans Obergericht weitergezogen.
Gemäss Datenschutzgesetz dürfen persönliche Einzelheiten und Angaben nur nach Treu und Glauben bearbeitet werden. Die Bearbeitung muss verhältnissmassig sein.
- Man könnte die Information nicht anders beschaffen
Aehnlich sind die publizistischen Richtlinien von SF (2005 ) formuliert.
Medienrechtlich und medienethisch ist somit - nach Studer - die verdeckte Kameraarbeit streng eingegrenzt.
Nach Studer müssten bei einer allfälligen Klage die Reporter und das SF Kader den Richter davon überzeugen, dass die Aufnahmen im heiklen Privatbereich der Arztpraxis gefilmt wurden - was zwar verboten ist - aber nur, um "berechtigte öffentliche Interessen" zu wahren.
Der Kassensturz müsste auch erklären können, was bei einer Erstuntersuchung "nötig" oder "unötig" ist. Das Kassensturzteam müsste vor allem den Richtern beibringen, dass die zelebrierte Identifizierung von Meyer-Fürst verhältnismässig gewesen ist.
Der betroffenen Arzt hatte sich dem Kasensturz gegenüber nicht erklären wollen. Es ist so. Niemand kann mit einer Verweigerung einen kritischen Beitrag sabotieren. Es kann aber auch niemand zu einer Stellungnahme genötigt werden.
NACHTRAG 1.9.07
"Kassensturz" | ||
Verdeckt gefilmte Bilder waren unzulässig | ||
Ubi heisst Beschwerde gut. | ||
Der "Kassensturz" des Schweizer Fernsehens hätte verdeckt gefilmte Bilder aus der Praxis eines Schönheitschirurgen nicht senden dürfen. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hiess eine entsprechende Beschwerde gut.
Ausgestrahlt wurde der Beitrag am 6. Februar dieses Jahres. Er enthielt Bilder, die mit versteckter Kamera in der Praxis eines Zürcher Schönheitschirurgen aufgenommen worden waren. Sie zeigten unter anderem, wie der Arzt die Brust einer als "Lockvogel" eingesetzten jungen Frau untersucht.
Einstimmiger Entscheid
Die sechs anwesenden Mitglieder der UBI hätten einstimmig entschieden, dass die Ausstrahlung dieser Bilder in diesem Fall unzulässig gewesen sei, sagte Pierre Rieder, Leiter des Sekretariats der UBI, auf Anfrage. Für die Frage, ob verdecktes Drehen an sich zulässig ist, sei die UBI aber nicht zuständig.
In einem zweiten Punkt wies die UBI die Beschwerde gegen den "Kassensturz"-Beitrag ab: Mit 4 zu 2 Stimmen entschied sie nach der öffentlichen Beratung des Falls am Freitag, dass der kritisierte Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt habe.
Das Urteil der UBI kann vor Bundesgericht angefochten werden. Möglich ist dies nach Angaben von Rieder aber erst, wenn die schriftliche Begründung vorliegt.
Für Ombudsstelle DRS zulässig
Die Ombudsstelle DRS kam zum Schluss, dass die verdeckte Recherche im Fall des "Kassensturz"-Beitrages legitim gewesen sei. Völlig zu Recht sei das Fernsehen der Frage nachgegangen, wie Schönheitschirurgen arbeiten, befand Ombudsmann Achille Casanova.
Hingegen habe der Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot teilweise verletzt, hielt der Ombudsmann im April fest. Die Autorinnen des Beitrags hätten einige ihrer Behauptungen ungenügend ausrecherchiert. Das Publikum habe deshalb nicht ausreichend die Möglichkeit gehabt, sich eine eigene Meinung zu bilden.
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