Die Wahlen bleiben spannend.
Nachlese des dritten Dreikampfes ums Kanzleramt mit Vergleichen zum zweiten Streitgespräch.
Von Marcus Knill*
Vor dem dritten Triell sahen Umfragen die SPD im Aufwärts- und die Union im Abwärtstrend. Schon beim zweiten Streitgespräch hat Schwarz / Grün aufgeholt. Scholz bleibt in der Pole-Position. Ob es der SPD gelingt, den Erfolg am Wahltag umzusetzen? Trotz Aufholjagd ändert sich nicht viel. Das Rennen bleibt offen.
Im letzten Wettstreit haben sich alle drei Akteure rhetorisch deutlich verbessert. Sie wollen offensichtlich sympathisch wirken und nicht zu aggressiv. Es kommt zu mehr Duellen. Zoff gibt es um den Mindestlohn. Die Forsa- Blitzumfrage sieht Scholz vor Laschet und Baerbock.
Bereits im zweiten Streitgespräch waren die Kandidaten auffallend synchron gekleidet, gleichsam uniformiert. Alle im dunkelblauen Anzug. Dunkelblau wirkt stets neutral und seriös. Es ist die sachlichste aller Farben und unterstreicht Kompetenz. Die Herren, beide mit weissem Hemd und dunkelroter Kravatte. Gab es da Vorgaben des Senders? Der Vorteil der gleichen Kleidung: Diskussionen über Muster und Kravattenfarben entfallen. Inhalte werden aufgewertet. Im dritten Dreikampf wechseln Scholz und Baerbock auf schwarz.Schwarz tragen Menschen, die etwas zu sagen haben, Priester, Künstler, Regisseure usw. Beide Herren tragen jetzt eine blaue Kravatte. Aeusserlichkeiten sind auch bei Fernsehauftritten keine Bagatelle.
Bearbocks lila Pumps im zweiten Triell lenkten zu stark ab. Alles was von der Botschaft oder dem Argument ablenkt, ist schlecht. Baerbocks Schuhe sind im dritten Auftritt nicht mehr gut zu sehen.
Zu den Akteuren:
Armin Laschet überraschte im zweiten Triell als Kämpfer. Er war sofort im Angriffsmodus. Im letzten Dreikampf bleibt er seiner Strategie treu, Emotionen zeigen, Unterschiede zu Mitbewerbern herausschälen. Er spricht nicht mehr ständig unter Hochdruck. Er wechselt vermehrt auf moderatere Register, ohne mit den schneidenden Handflächen zu gestikulieren (wohl beeinflusst durch seine Berater). Laschet ist eher bieder, freundlich, gemütlich, ein deutscher Michel.
Wie schon bei seinem dämliche Patzer im Katastrophengebiet (Lachszene) wusste Laschet im zweiten Triell immer noch nicht, dass man ständig gefilmt werden kann, wenn Kameras anwesend sind. So hat er in seinen Unterlagen gelesen, während Baerbock gesprochen hat. Er vermittelte somit das Bild eines schlechten Zuhörers.
Beim letzten Auftritt steht er immer voll präsent da. Er greift beide Kontrahenten an, indem er widersprüchliche Aussagen aufdeckt.
Im rhetorisch perfekten Schlussstatements (zweites Triell) über das VERTRAUEN - war Laschet unglaubwürdig. Worte und Fakten stimmten nicht überein. Wer kann einem Politiker vertrauen, dem sogar seine Partei lange kein Vertrauen geschenkt hat.
In allen Triells hat Laschet bewiesen, dass er nicht so langweilig ist, wie es oft gesagt wird. Bei der Klimathematik machte er sogar eine der entscheidensten Aussagen für Deutschland.
Weil man 2022 zusätzlich zum Ausstieg aus der Kohle auch die Kernkraftwerke abstelle, sei dies nur zu verantworten, wenn wir verlässlich jede Minute Strom haben. „Das geht nicht mit dem bisherigen Verfahren.“ Da müssten eigentlich Angela Merkel die Ohren geklungen haben. Im letzten Triell nutzt Laschet die Fragetechnik, Beispiele und narrative Elemente. So schildert er bei der Problematik „Gerechtigkeit zwischen arm und reich“, wie sich seine Eltern auch nach der Decke strecken mussten.
Erneut wirft Laschet Baerbock vor, beim Klimaschutz eine Politik der Verbote zu verfolgen und erinnert an ihren dummen Spruch im zweiten Triell: „Verbote schaffen Innovation.“ Laschet betont: „Da bin ich fundamental anderer Meinung.“
Annalena Baerbock gibt sich beim dritten Streitgespräch noch lockerer, sogar angrifflustig. Die grüne Kandidatin weiss, dass sie nicht mehr Kanzlerin werden kann. Das entlastet. Dank weniger Druck klingt ihre Stimme zwar etwas besser, aber sie ist immer noch kein Ohrenschmaus. Sie spricht zu hastig und pausenlos. Das Einatmen ist gut hörbar. Eine Pausentechnik würde helfen. Bei diesem Defizit hat die Kandidatin leider nicht an sich gearbeitet. Obwohl bemüht, gelingt es ihr auch im letzten Triell nicht, normal, volkstümlich zu wirken. Die persönlichen Geschichten über ihre Mutterschaft und ihre Kinder wirken erneut gewollt. Das wird ihr dann auch im dritten Triell von Laschet vorgeworfen.
Olaf Scholz ist beliebt, obschon seine zurückhaltende Art trocken wirkt. Er muss ständig beweisen, dass er nicht nur stark ist, weil die Konkurrenten schwach sind. Sein Motto „Nie aufgeben“ hat sich ausgezahlt. Scholz ist ein Schaffer. Alles ist Arbeit. Er ist zwar spürbar lebendiger geworden, bleibt aber wiederum bei allen Angriffen gelassen. Dank dieser Ruhe wirkt er überlegen und punktet beim Publikum. Die Nervosität von Scholz erkennen wir höchstens an Details. Beispielsweise, weil sich bei heiklen Fragen beim ersten Streitgespräch die Ohren röteten. Beim zweiten Triell konnten Stesssignale in der Mimik, bei der der erhöhten Lidschlagzahl und den falschen Genderformulierungen erkannt werden:
- Arbeitgeber und Arbeitgeber
- Experten und Experten
- Arbeitnehmer und Arbeitnehmer
Erstaunlich dass er beim dritten Triell diesen Fehler nicht korrigiert hatte. Er sagt ständig: „Bürger und Bürger“ (sieben Mal),
„Arbeitnehmer und Arbeitnehmer“ (drei Mal)
„Kollegen und Kollegen“ (drei Mal)
Scholz kommt bei den Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des Zolls erneut unter Druck. Selbst als Mister Deflon gelingt es ihm nicht mehr, bei dieser heiklen Schwachstelle, alle Angriffe unbeschadet abperlen zu lassen. Er muss sich wehren und rechtfertigen.
Dennoch wirkt er staatsmännnisch, ist auch viel angriffiger. Seine Kernanliegen versteht er ständig zu wiederholen: „Mindestlohn, Renten sichern, klimaneutral wirtschaften.“
Scholz hat endlich ein Ziel gefunden: Deutschland soll das erste Industrieland werden, das CO2-neutral produziert.
Scholz punktet vor allem, weil er nicht über gravierende Fehler stolpert.
Fazit: Im dritten Dreikampf beantworten die Spitzenkandidaten die meisten Fragen erneut zu vage. Bei den Ausweichtaktiken wurde schon im zweiten Triell vom Moderatorenteam zu wenig hart nachgefragt. Wenn beispielsweise Laschet schwadroniert, er werde die Stellschrauben anpassen, müsste nachgehakt werden: Welche Stellschrauben? Wo und wie sollen sie angepasst werden? Nach dem dritten Triell kommt Scholz erneut gut weg. Laschet und Baerbock gewinnen aber weiter an Terrain. Ist ihnen auch aufgefallen, dass die Moderatoren die Einwanderungs- und Asylpolitik gemieden haben? Absichtlich? Die Aussen- und Sicherheitpolitik und wie sich Deutschland künftig gegenüber Russland und China verhalten sollte, kamen nicht zur Sprache.
Im letzten Triell sind sogar die beiden Moderatorinnen parteiisch. Sie verschonen die grüne Kandidatin offensichtlich vor harten Fragen. Das Rennen bleibt nach wie vor offen und spannend.
Ich bin vorsichtig, wenn ein Kandidat wie Laschet schon heute abgeschrieben wird. Sei es, weil er kein Kanzlergesicht hat oder weil manches, was er tut, ins Lächerliche gezogen wird. Kohl, der als Birne und Trampel belächelt wurde, lässt grüssen. Entscheidend ist, ob ein Kandidat die Menschen in Deutschland ernst nimmt und versteht.
Wir dürfen nach dem letzten Dreikampf nicht vergessen:
Die Partei wird gewählt, nicht der Kandidat.
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* Marcus Knill, Kommunikationsexperte.