Politiker müssen lernen, sich von Medien nicht überraschen zu lassen
Die Geschichte hat hohe Wellen geworfen: Ende September bezeichnete SVP-Nationalrat Andreas Glarner am Rande eines Klimaprotest-Camps vor dem Bundeshaus die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan als «Arschlan» (persoenlich.com berichtete). Etwas abseits stand SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, die sich darüber ärgerte, dass anstelle der Klimaaktivisten nun Glarner die mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht. «Praktisch alle Journalisten, die auf dem Platz waren, rannten zu den beiden, als wären Harry und Megan persönlich aus dem Bundeshaus geschritten», so Badran in einem ausführlichen Medienwoche-Interview.
Als ein SRF-Radiojournalist Badran fragte, was sie vom Streit zwischen Glarner und Arslan halte, antwortete sie: «Mit euch spreche ich nicht.» Der Grund, den Badran anschliessend nannte, wurde schliesslich in einem «Echo der Zeit»-Beitrag gesendet: «Weil ihr die falschen Fragen stellt, weil ihr die Kameras auf die falschen Orte richtet. Ihr müsst die Jugendlichen filmen und nicht de huere fucking Glarner.»
Badran sei «offensichtlich nicht in der Verfassung» gewesen, um ein Zitat abzugeben. Sie kritisiert SRF, sie überrumpelt und ihre Aussage unautorisiert verwendet zu haben. «Der Journalist hätte eine Stunde später zurückkommen können und ich hätte ein vernünftiges Statement zur Medienkritik abgeben können», so Badran zur Medienwoche. «Wir sind nicht Vieh. Wir sind auch Menschen und keine Roboter, die nonstop professionelle Medienarbeit machen.»
Der SRF-Beitrag löste weitere Medienberichte aus – und hatte Folgen für die Zürcherin. «Ich wurde einfach auf die Politikerin reduziert, die die Nerven verloren hat und rumrabazt und Glarner beschimpft», so Badran, «und nicht etwa auf die 40 Jahre Engagement als Umweltpolitikerin, die die Medien kritisiert.» Unter Artikeln von Blick und 20 Minuten gab es wüste Kommentare, Badran erhielt zahlreiche E-Mails. Auch eine Morddrohung sei eingetroffen, wie sie gegenüber der Medienwoche schildert. Unterzeichnet sei das Schreiben «von einem ‹Mitglied des Glarner-Fanclubs›» gewesen.
Kommentar: Diese Geschichte zeigt, wie wichtig Medientrainings sind.
Badran greift SRF an. Journalist kontert:
Radio-Redaktor erwidert Badran-Vorwürfe
In einem ausführlichen Interview in der Medienwoche hat sich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran kürzlich nicht nur über den Zustand der Medien geäussert, sondern auch harsche Worte an die Adresse von Radio SRF gerichtet (persoenlich.com berichtete). Der für den kritisierten «Echo der Zeit»-Beitrag verantwortliche SRF-Bundeshausredaktor Oliver Washington nimmt nun in einer Replik Stellung zu den Vorwürfen.
Washington schildert darin, wie sich der Dialog zwischen ihm und Badran tatsächlich zugetragen hat – und hinterlegt als Beweis dafür einein MP3-Tonfile. «Es ist offensichtlich, dass dieser Dialog der Darstellung widerspricht, wie sie in der Medienwoche geschildert wurde», so der SRF-Journalist.
Ebenso widerspricht er Badrans Darstellung, die «huere fucking Glarner»-Aussage sei nicht autorisiert gewesen. «Der Bundesplatz war zu jenem Zeitpunkt ein öffentlicher, politischer Ort. … Jacqueline Badran ist als bekannte Nationalrätin zudem eine öffentliche Figur», so Washington zur Medienwoche. Zudem sei er mit dem SRF-Mikrofon in der Hand klar erkennbar gewesen. Badrans Statement zu Andreas Glarner sei eine «relevante öffentliche Aussage einer öffentlichen Person in einem öffentlichen, politischen Kontext» gewesen. (cbe)
21.10.2020