Regula Rytz fehlte die Bundesratsqualität
Eine Nachlese
Die Würfel sind gefallen. Bei den Bundesratswahlen gab es keine Ueberraschungen.
Die Parteipräsidentin der Grünen Regula Rytz scheiterte erwartungsgemäss. Kommunikationsexperte Marcus Knill analysierte die Bundesratskandidatin über längerer Zeit.
Vor der Wahl sagte der Präsident der CVP, Gerhard Pfister, die Mehrheit in seiner Partei werde nicht für Rytz stimmen. Weshalb?
Medienrhetorisch erzielte Regula Rytz zwar recht gute Noten. Sie sprach verständlich, hörte gut zu. Auffallend war bei Auftritten ihre eindringliche Augensprache. Sie liess sich kaum aus der Fassung bringen. Aber ihr Dauerlächeln wirkte aufgesetzt und kam nicht gut an. Vor allem, wenn sie hart befragt wurde, versuchte Rytz heikle Situationen wegzulächen. Obwohl sie politisch extrem links positioniert ist, wirkte Rytz im SonnTalk (Tele Züri) recht gemässigt, keine Wadenbeisserin. In der Öffentlichkeit hat Rytz- dank ihrer guten Medienpräsenz - einen hohen Bekanntheitsgrad. Doch im Parlament wirkte sie wenig integrierend. Erstaunlich, wie die Kandidatin - trotz geringer Chancen - dennoch stets selbstbewusst auftrat. Sie hoffte wahrscheinlich auf ein Wunder. Ich denke, Rytz fehlt die Fähigkeit zur Selbstkritik. Fakten konnte sie verdrängen. Erfolgreiche Menschen sind sich der eigenen Stärken bewusst, doch blenden sie Mängel und Fakten nicht aus. Politiker mit Röhrenblick scheitern meist.
Nach dem Politologen Hermann ist die Dynamik des Wahltages unvorhersehbar. Seine Begründung: Die Bundesratswahl ist eine geheime Wahl und geheime Wahlen sind oft für Ueberraschungen gut. Der Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz war für Hermann unbestritten, zumal die zweiten Ständerats-Wahlgänge den Erfolg der Grünen bestätigt haben. Doch sah Michael Hermann bei seiner Prognose keinen Weg, wie Rytz zu einer Mehrheit kommen könnte.
Wer die Wahlchancen der grünen Bundesratskandidatin nüchtern betrachtete, wusste, Veränderungen sind selten erwünscht. Die Hemmungen vor der Abwahl eines Bundesrates sind enorm hoch. Die Abwahl von Christoph Blocher gelang nur dank eines generalstabsmässig geplanten Schachzuges aus dem Hinterhalt. Bei der jüngsten Wahl fehlte die politische Spannung von damals. Zudem war das neue Parlament für Spielchen nicht mehr zu haben. Jeder Politberater hätte die Kandidatin auch darauf hingewiesen, dass solche versteckten Aktionen in der Regel zum Bumerang verkommen. Ob Regula Ryz keine Berater hatte?
Und ausserdem spielte die CVP bei dieser Bundesratswahl die Königsmacherin.
Rytz hätte die Unterstützung der CVP nötig gehabt. Das war aber nicht der Fall, da
Ignazio Cassis näher bei der CVP politisiert als Regula Rytz.
Die Parteien überprüfen ihre Kandidaten vor einer Wahl sehr gründlich, damit ihnen kein unaufgedeckter Skandal später einen Strich durch die Rechnung macht. Rytz brachte sich selbst als Sprengkandidatin ins Spiel im der FDP einen Bundesratssitz abjagen und gab bekannt, sie greife nur Cassis an. Karin Keller Sutter werde sie - als Frau - verschonen. Parteiintern musste sie nachträglich zurückkrebsen, weil dieser vorschnelle Entscheid intern nicht abgesprochen war.
Eine aufschlussreiche Antwort der Bundesratskandidatin:
Darauf angesprochen, ob sie keine Leichen im Keller habe, antwortete Rytz demonstrativ lässig:
«Mein Keller ist nicht sehr gross, es hat nur Wein drin.» Leichen habe sie bisher nicht entdeckt.
Diese Antwort würde gewiss von Schlagfertigkeitstrainern gelobt. Der übertragene Sinn der Frage wird geschickt ignoriert und die Worte „Leichen im Keller“ werden wortwörtlich genommen. Damit ist die Frage vom Tisch. Es fehlt aber die Antwort, ob relevante Sünden ans Tageslicht kommen könnten.
Die wenigsten werden bei dieser schlagfertigen Antwort erkannt haben, dass die Politikerin der Frage ausgewichen war.
Nachdem die grüne Bundeshausdeputation Rytz offiziell nominiert hatte, erklärte Fraktionschef Balthasar Glättli auf Nachfrage, gemeinsam mit Parteivizechefin Lisa Mazzone und Generalsekretärin Regula Tschanz, er hätte der Kandidatin nochmals die Frage nach den Leichen im Keller gestellt. "Die Antworten waren für uns überzeugend", fand Glättli. Zu weiteren Details äusserte er sich nicht.
Ein eigentliches, von der Findungskommission unabhängiges Prüfgremium wie bei FDP und CVP haben die Grünen laut Tagblatt nicht eingesetzt. Man habe aber aktuelle Auszüge aus Betreibungs- und Strafregister angefordert, präzisierte Fraktionschef Glättli auf Anfrage.
Der Oppositions-Politikerin Regula Rytz fehlte für viele Ratsmitglieder die Bundesratskompetenz.
Rytz hat sehr viel zum historischen Wahlsieg der Grünen beigetragen. Das ist ihr Verdienst. Das übertriebene Selbstbewusstsein der Präsidentin kam hingegen nicht überall gut an. Die wichtige Mittefraktion kritisierte: "Sie hat manchmal etwas Besserwisserisches und Rechthaberisches, das schadet ihrer Kandidatur", wie beispielsweise Fabio Regazzi (CVP/TI) sagte, der mit Rytz Mitglied der Verkehrskommission war. (Schulmeisterliches Verhalten ehemaliger Lehrer kommt stets schlecht an).
Insbesondere ihr Auftritt zur Lancierung der Bundesratskandidatur ist vielen sauer aufgestossen: "Das war ein sehr unbescheidener Auftritt"», fand Alois Gmür. Der CVP-Nationalrat fügte an: "So kann man in der Mitte nicht punkten." Die Kandidatin positionierte sich klar als Oppositionspolitikerin.Und Oppositionspolitiker war noch nie ein Qualitätsmerkmal für einen Bundesrat.
Dass eine Politikerin sich selbst nominiert, wurde nicht geschätzt. Und das hat Rytz getan.
Kommentar: Nach dem Anhörung bei der Grün liberalen Partei hat man der Strahlefrau bei ihrem Auftritt vor Mikrofon und Kamera erstmals die Enttäuschung angesehen - ohne Dauerlächeln und ohne demonstrierter Selbstsicherheit. Ich bin überzeugt, dass bei den negativen Echos auch Schadenfreude mitspielte. Mit ein bisschen mehr Bescheidenheit hätte die Kandidatin Rytz wichtige Punkte holen können, an denen es mangelte. Schade finde ich die uneinsichtige Reaktion der Kandidatin auf alle, meist berechtigter Kritikpunkte in der Rundschau des Schweizer Fernsehens. Ihre Antwort überzeugte nicht: "Man kann es nicht allen recht machen".
Sorry, Frau Ritz! Niemand muss es allen recht machen, es genügt , wenn Sie das, was Sie tun, möglichst recht machen (Vorbereitung, Kernbotschaften, Verhalten). Bei Wahlen geht es in erster Linie um die Glaubwürdigkeit. Und da könnte Einiges verbessert werden. "Aus Fehlern lernen", ist keine Hohlformel. Die Präsidentin der grünen Partei könnte von der konstruktiver Kritik sehr profitieren. ist doch damit zu rechnen, dass sie später nochmals eine Chance bekommt.
Fazit:
Nicht nur in der Politik kommt es oft anders, als man denkt oder gar wünscht. Da Regula Rytz unwidersprochen Qualitäten als Politikerin hat und der Trend zu den Grünen weitergehen könnte, wird sie wahrscheinlich eine zweite Chance bekommen und diese, sofern sie bis dahin an sich arbeitet, besser nutzen können, als ihre erste!
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