Im Alter von zehn Jahren wird Brian, den die Medien bislang «Carlos» nannten, erstmals kriminell. Mit 15 sticht er jemandem ein Messer in den Rücken, das Opfer überlebt nur knapp.
Landesweit
bekannt wird Brian alias «Carlos» 2013 wegen eines «Sondersettings»,
das die Behörden für ihn arrangiert haben: Er lebt mitsamt Betreuerin in
einer 4,5-Zimmer-Wohnung, verbringt viel Zeit im Fitnessstudio,
geniesst unter anderem Thaibox-Unterricht (auch deshalb ist er heute so
gefährlich). Kosten für den Steuerzahler: 29’000 Franken im Monat!
Diverse
Straftaten und Gefängnisaufenthalte später hätte Brian am Mittwoch
erneut vor Gericht stehen sollen. 29 Delikte werden ihm vorgeworfen.
Doch er hat keine Lust. Ein Sonderkommando der Polizei scheitert daran,
ihn aus der Zelle zu holen, auch der Richter kann ihn nicht überzeugen,
freiwillig zu erscheinen.
Brian
narrt Polizei, Justiz, Behörden – alle. Er bringt unser Rechtssystem an
seine Grenzen, das auf jeden Täter individuell eingehen und ihn wieder
in die Gesellschaft eingliedern will. In vielen anderen Ländern wäre
Brian längst ohne viel Federlesens weggesperrt und seinem Schicksal
überlassen worden – ohne zweite Chance, ohne psychiatrische Hilfe, ohne
Resozialisierung.
Doch
zum Glück leben wir in einem Rechtsstaat und nicht in der Barbarei. Wir
sollten uns jedoch davor hüten, plötzlich allen anderen die Schuld zu
geben – nur nicht mehr dem Kriminellen!
Die
konservative «Neue Zürcher Zeitung» schreibt über Brian: «Die
Verantwortung allein bei ihm zu suchen, wäre zu einfach.» Die linke
«Wochenzeitung» vermutet, dass es «mit Isolation nicht besser wird». Das
postmoderne Newsportal watson.ch schreibt von «Politikversagen»,
kritisiert das «unbarmherzige Vollzugssystem, das keinen Machtkampf mit
einem Klienten duldet» und hält das kostspielige Sondersetting für «gut
investiertes Geld».
Alle diese Medien unterliegen einem grotesken Irrtum: Sie machen aus dem Täter ein Opfer.
Ihr
erster Irrtum betrifft das Sondersetting: Mag sein, dass eine
Gefängniszelle mehr kostet als die Rundumbetreuung in einer schönen
Wohnung. Aber es darf nicht sein, dass wir Straftätern ein Luxusleben
mit Fitnessstudio und Boxunterricht finanzieren, das sich mancher
Normalbürger nicht leisten kann. Hingegen muss der Staat die
Gesellschaft vor gefährlichen Individuen schützen – egal, was das
Gefängnis kostet.
Der
zweite Irrtum betrifft die Schuldfrage: Wenn jemand droht, prügelt,
beinahe tötet, ist niemand anders dafür verantwortlich als der Täter
selbst. Das heisst nicht, dass die Behörden fehlerfrei vorgehen – aber
sie tragen keine Mitschuld an solchen Taten. Auch wer in seinem Haus von
einem Einbrecher überrascht wird, macht vielleicht nicht alles richtig,
wenn er sich wehrt. Aber er ist gewiss nicht schuld am Einbruch.
Der Staatsanwalt betrachtet Brian als wandelnde Zeitbombe: «Er würde in Freiheit einen Menschen töten.»
Deshalb will er ihn verwahren. Das ist hart für den Täter. Aber wenn
das nicht geschieht, wäre es noch viel härter für Brians nächstes
Zufallsopfer.
Kommentar: Ich teile nicht immer die Meinung von Blick, vor allem, wenn er den Kampagnenjournalismus pflegt. Doch im Fall Carlos zeigt der Chefredaktor, dass wir Täter nicht zu Opfern machen dürfen.
LINKS:
Kommentar: Ich teile nicht immer die Meinung von Blick, vor allem, wenn er den Kampagnenjournalismus pflegt. Doch im Fall Carlos zeigt der Chefredaktor, dass wir Täter nicht zu Opfern machen dürfen.
LINKS:
www.rhetorik.ch/Aktuell/14/03_07a/index.html
www.rhetorik.ch/Aktuell/13/09_25a/index.html
www.rhetorik.ch/Aktuell/13/09_25a/09_13.pdf
rhetorik.ch/Aktuell//Persoenlich.html
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