Donnerstag, 17. August 2017
Macho-Rhetorik
Zur Definition von Macho
Das spanische Lehnwort Macho (sprich: [ˈmatʃo]) bezeichnet in der deutschen Umgangssprache einen Mann, welcher sich stark an den traditionellen Bildern der männlichen Geschlechterrolle orientiert. Im Sinne dieses Männlichkeitsverständnisses ist es ein sich übertrieben männlich gebender Mann. Er grenzt sich von sogenannten „Softies“ und „Frauenverstehern“ ab. Quelle: www.wikipedia.de
Natürlich oben ohne
Angel-Urlaub in Sibirien: Macho Putin geht mit Harpune auf Hechtjagd
Russlands Präsident Putin liebt spektakuläre Bilder. Wenn er Urlaub
macht, setzt ihn der Kreml wie einen Rockstar unter den Staatschefs in
Szene. Videos und Fotos von einem Kurztrip zum Angeln in Sibirien
könnten gut ein halbes Jahr vor der Wahl den Personenkult beflügeln. »
Typische Macho Aussagen bezeichnen wir in diesem Beitrag als Machorhetorik
Putins Männlichkeitswahn demonstriert Putins in seinem Macho- Interview:
«Ich bin keine Frau, also habe ich auch keine schlechten Tage
Für die «The Putin Interviews» hat US-Star-Regisseur Oliver Stone
den russischen Präsidenten über zwei Jahre hinweg mehr als ein Dutzend
Mal getroffen. In der Doku-Reihe plaudert Wladimir Putin über Snowden,
Schwule und die Launen der weiblichen Natur.
Trailer: «The Putin Interviews»
Auf die Frage von Filmemacher Oliver Stone (70), ob er auch schlechte Tage habe, antwortet Wladimir Putin (64): «Ich bin keine Frau, also habe ich auch keine schlechten Tage.» Er wolle niemanden beleidigen, denn «das ist einfach die Natur der Dinge. Es gibt gewisse natürliche Zyklen.»
Vor wenigen Monaten sorgte er bereits für Kopfschütteln, als er die russischen Prostituierten als «die besten der Welt» bezeichnete. Der Kreml-Chef lässt keinen Moment aus, um seine Männlichkeit zu unterstreichen.
«Ich bin Master im Judo»
Sein Macho-Gehabe wird auch beim Thema Homosexualität deutlich. Auf die Frage, ob er in einem U-Boot neben einem schwulen Mann duschen würde, sagt Putin lachend: «Naja, ich würde nicht gerne mit ihm duschen wollen. Warum ihn herausfordern? Aber wissen Sie, ich bin Master im Judo.»«The Putin Interviews» wird vom 12. bis 15. Juni auf dem US-Sender «Showtime» ausgestrahlt, bereits jetzt kursieren jedoch Ausschnitte der Dokumentation im Netz. Thematisiert werden auch der Kommunismus, Whistleblower Edward Snowden («Er ist kein Verräter») oder seien Beziehung zu US-Präsident Donald Trump (70).
.............
MACHO BILDRHETORIK
Ich zitiere aus Tagi (Autor: Vincenzo Capodici)
Es hat Tradition: Wenn Wladimir Putin in seiner Freizeit in die
Wildnis zieht, lässt er die Weltöffentlichkeit an seinen Abenteuern
teilhaben. Von seinem jüngsten Kurztrip im Süden Sibiriens hat der Kreml
kürzlich jede Menge Fotos veröffentlicht. Wir sehen zum Beispiel, wie
der russische Präsident in einem Fluss einen kräftigen Schwumm
vollführt. Oder mit ausgebreiteten Armen auf einem Floss in der
Sommersonne steht und in der linken Hand einen dicken Fisch hält.
Selbstverständlich posiert Putin mit nacktem Oberkörper. Das hat er zu
seinem Markenzeichen gemacht. Unvergessen sind seine Fotos als Reiter
mit freiem Oberkörper, unterwegs in den Weiten Sibiriens.
Für einen Mann, der im kommenden Oktober 65 Jahre alt wird, sieht Putin topfit aus. Der Langzeit-Präsident liebt die Inszenierung seines Körpers und seiner Männlichkeit. Er ist eben ein echter Kerl, naturverbunden und sportlich, viril und vital, stets bereit für den Kampf im Dienste des Vaterlands. Der russische Politikwissenschaftler und Publizist Sergei Medwejew sieht hinter dem Gehabe mit dem nackten, muskulösen Oberkörper eine ambitionierte Botschaft: Es soll zeigen, «dass der russische Staat, buchstäblich verkörpert von Putin, stark ist, also alles und alle im Griff hat».
Politische Körperinszenierungen haben eine lange Tradition, mit Vorbildern aus der griechischen und römischen Antike. Karl der Grosse, Europas Gründergestalt, soll ein grosser Schwimmer gewesen sein. Schwimmend demonstrierte er Freunden und Untertanen, dass er der geborene Führer war. Beschrieben ist das im Buch «Der schwimmende Souverän» des Kunsthistorikers Horst Bredekamp. In der neueren Geschichte war es Chinas «Grosser Vorsitzender» Mao, der sich als unerschrockener Schwimmer im riesigen Yangtse propagandistisch inszenierte. Im 20. Jahrhundert gab es auch manche afrikanische Diktatoren, die sich in der Kunst der Körperinszenierung übten, allen voran Idi Amin, der Despot und Schlächter von Uganda.
Zur Meisterschaft des Körperkults haben es die deutschen Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten gebracht. Sie erkannten früh die Macht der Bilder von Körperinszenierungen, und sie nutzten diese systematisch zur Beeinflussung der Massen. Im Gegensatz zum Führer zeigte der Duce höchstpersönlich vollen Körpereinsatz. Benito Mussolini ist der Erfinder der penetranten Zurschaustellung des nackten Oberkörpers. Von Italiens Diktator gibt es sehr viele Oben-ohne-Fotos, so zum Beispiel von einem Einsatz bei einer Weizenernte im Agro Puntino, vom Skifahren in den Abruzzen oder von einem Treffen mit dem österreichischen Kanzler Engelbert Dollfuss am Strand von Riccione. Wie es dem Faschismus eigen war, zelebrierte Mussolini seine Männlichkeit – so, wie es Russlands Präsident Putin heute tut.
In der Körperinszenierung gibt es verblüffend viele Parallelen zwischen Putin und Mussolini. In unzähligen Fotografien präsentieren sich beide als ewig jugendliche Kraftmenschen, die scheinbar nicht altern. Und beide zeigen sich in Sportlerposen oder bei typisch männlichen Freizeitbeschäftigungen, als ginge es darum, als Alleskönner zu erscheinen. Sie sind halt echte Männer und tolle Kerle, die bewundert werden wollen.
Mussolini und Putin: Beide Staatslenker sind Reiter, Schwimmer, Skifahrer und Schützen; der eine ist noch Fechter, der andere auch Taucher, Judoka und Eishockeyspieler. Beide sitzen auf Motorrädern sowie am Steuer von Booten oder im Cockpit von Kampfflugzeugen. Beide sind sogar musisch begabt: Putin spielt Klavier und Mussolini Violine. Und beide scheinen eine Vorliebe für junge Raubkatzen zu haben: Mussolini posiert mit einem Junglöwen und Putin mit einem Jungleoparden.
Putin hat sein ikonografisches Vorbild Mussolini längst überholt. Unvergesslich bleibt Putins Flugaktion zur Rettung einer vom Aussterben bedrohten Kranich-Art. An Bord eines Ultraleichtfliegers flog Putin vom Polarkreis in wärmere Gefielde in den Süden Russlands. Dabei folgte ihm ein Schwarm von Jungkranichen, denn aus Lautsprechern des Fluggeräts erschallten Laute eines Kranich-Muttertiers. Putin, der Tierfreund und Kranich-Retter: Eine solche Show hat nicht einmal der Duce hingekriegt.
Für einen Mann, der im kommenden Oktober 65 Jahre alt wird, sieht Putin topfit aus. Der Langzeit-Präsident liebt die Inszenierung seines Körpers und seiner Männlichkeit. Er ist eben ein echter Kerl, naturverbunden und sportlich, viril und vital, stets bereit für den Kampf im Dienste des Vaterlands. Der russische Politikwissenschaftler und Publizist Sergei Medwejew sieht hinter dem Gehabe mit dem nackten, muskulösen Oberkörper eine ambitionierte Botschaft: Es soll zeigen, «dass der russische Staat, buchstäblich verkörpert von Putin, stark ist, also alles und alle im Griff hat».
Politische Körperinszenierungen haben eine lange Tradition, mit Vorbildern aus der griechischen und römischen Antike. Karl der Grosse, Europas Gründergestalt, soll ein grosser Schwimmer gewesen sein. Schwimmend demonstrierte er Freunden und Untertanen, dass er der geborene Führer war. Beschrieben ist das im Buch «Der schwimmende Souverän» des Kunsthistorikers Horst Bredekamp. In der neueren Geschichte war es Chinas «Grosser Vorsitzender» Mao, der sich als unerschrockener Schwimmer im riesigen Yangtse propagandistisch inszenierte. Im 20. Jahrhundert gab es auch manche afrikanische Diktatoren, die sich in der Kunst der Körperinszenierung übten, allen voran Idi Amin, der Despot und Schlächter von Uganda.
Zur Meisterschaft des Körperkults haben es die deutschen Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten gebracht. Sie erkannten früh die Macht der Bilder von Körperinszenierungen, und sie nutzten diese systematisch zur Beeinflussung der Massen. Im Gegensatz zum Führer zeigte der Duce höchstpersönlich vollen Körpereinsatz. Benito Mussolini ist der Erfinder der penetranten Zurschaustellung des nackten Oberkörpers. Von Italiens Diktator gibt es sehr viele Oben-ohne-Fotos, so zum Beispiel von einem Einsatz bei einer Weizenernte im Agro Puntino, vom Skifahren in den Abruzzen oder von einem Treffen mit dem österreichischen Kanzler Engelbert Dollfuss am Strand von Riccione. Wie es dem Faschismus eigen war, zelebrierte Mussolini seine Männlichkeit – so, wie es Russlands Präsident Putin heute tut.
In der Körperinszenierung gibt es verblüffend viele Parallelen zwischen Putin und Mussolini. In unzähligen Fotografien präsentieren sich beide als ewig jugendliche Kraftmenschen, die scheinbar nicht altern. Und beide zeigen sich in Sportlerposen oder bei typisch männlichen Freizeitbeschäftigungen, als ginge es darum, als Alleskönner zu erscheinen. Sie sind halt echte Männer und tolle Kerle, die bewundert werden wollen.
Mussolini und Putin: Beide Staatslenker sind Reiter, Schwimmer, Skifahrer und Schützen; der eine ist noch Fechter, der andere auch Taucher, Judoka und Eishockeyspieler. Beide sitzen auf Motorrädern sowie am Steuer von Booten oder im Cockpit von Kampfflugzeugen. Beide sind sogar musisch begabt: Putin spielt Klavier und Mussolini Violine. Und beide scheinen eine Vorliebe für junge Raubkatzen zu haben: Mussolini posiert mit einem Junglöwen und Putin mit einem Jungleoparden.
Putin hat sein ikonografisches Vorbild Mussolini längst überholt. Unvergesslich bleibt Putins Flugaktion zur Rettung einer vom Aussterben bedrohten Kranich-Art. An Bord eines Ultraleichtfliegers flog Putin vom Polarkreis in wärmere Gefielde in den Süden Russlands. Dabei folgte ihm ein Schwarm von Jungkranichen, denn aus Lautsprechern des Fluggeräts erschallten Laute eines Kranich-Muttertiers. Putin, der Tierfreund und Kranich-Retter: Eine solche Show hat nicht einmal der Duce hingekriegt.
Vincenzo Capodici ist Redaktor und Reporter im Ressort International beim «Tages-Anzeiger».
************************
|