Skandale und Medien.
Beitrag von Marcus Knill
Bericht über Skandale sind Quotentreiber in den Medien.
Vor allem der Mix aus prominenter Persönlichkeit, Sex, Fehlverhalten, Emotionen ist ein ideales Futter nicht nur für die Regenbogenpresse. Auch in Alltagsmedien verkaufen sich Skandale gut. Leider werden negative Meldungen eher gelesen als trockene Informationen. Wer hat nicht schon die Ohren gespitzt, wenn jemand eine lokale Klatschgeschichte erzählte?!
Alltagsinformationen werden von vielen nur überflogen.
Als sich jüngst der ehemalige CVP Parteipräsident Darbellay zu seinem Seitensprung mit Folgen bekannte, wurde dies blitzartig zum Medienthema. „Darbellay wird nach Seitensprung erneut Vater“ lautete ein Titel.
Die Medien brachten den Sachverhalt sachlich. Journalisten stellten sich die berechtigte Frage, ob dieser Seitensprung des ehemaligen Parteipräsidenten der CVP (ausgerechnet einer Familienpartei!) nicht doch schaden könnte.
Auch ich analysierte das „Skandälchen“ und kam zum Schluss, Darbellay handelte richtig. Er informierte offen und ehrlich über die Situation. Er beschönigte nichts.
Leider machte er während seiner Präsidialzeit den verbreiteten Fehler, sich in Homestorys - auch in der Schweizer Illustrierten - als besonders fürsorglicher, liebender Vater feiern zu lassen. Deshalb steht er heute - trotz seines mea culpa - recht unglaubwürdig da.
Ich bin bei dieser Geschichte der Meinung, dass Darbellays Fehltritt lediglich seiner persönlichen politischen Karriere schaden wird.
Die CVP handelte richtig, indem sie zwischen Person und Partei differenzierte.
Glück für die Partei war sicherlich, dass das Parteipräsidium unter der neuen Führung von Gerhard Pfister einen klaren Kurs fährt.
Ich war an einer CVP Veranstaltung in Schaffhausen.
Anwesend war der neue Parteipräsident Pfister, der sich sich eindeutig und offen zum grossen C der Partei bekannte.
Dank dieser unmissverständlichen Ausrichtung wird wohl die Partei durch die Amouren Darbellays nicht belastet werden.
Skandalisierungen folgen bestimmten Gesetzesmässigkeiten.
Wer nachgewiesene Skandale bestreitet, beschönigt oder unter den Teppich kehrt, beschleunigt lediglich die Eskalation.
Rasche offene Kommunikation, Schuldeingeständnis (mea culpa) hilft die Skandalierungsspirale zu bremsen, wenn nicht sogar zu stoppen.
Entscheidend ist vor allem die erste Reaktion.
Der Publizistikwissenschaftler Mathias Kepplinger von der Uni Mainz setzte sich mit den Skandalierungsmechanismen auseinander.
Auch in der Schweiz haben wir gute Kenner der Thematik „Medien und Skandale“. Ich schätze die Analysen des verstorbenen Mediensoziologen Kurt Imhof und des Medienwissenschafters Roger Blum.
Generell kann festgestellt werden, dass sich die Skandalierten in der Regel als Opfer fühlen und am Anfang meist falsch handeln.
- Wie bei der Krisenkommunikation spielt die Ueberraschung eine zentrale Rolle
- Wer zum Beispiel gleich bei der ersten Anfrage den Kopf verliert und sich provozieren lässt, wird keinen Erfolg haben
- Es ist völlig falsch, abzutauchen, im Glauben „alles gehe schon vorbei“, bald würde eine andere Sau durchs Dorf getrieben.
- Viele Betroffenen dementieren Fakten und stellen sich damit zwangsläufig selbst ein Bein.
- Den wenigsten ist bewusst, wie man mit der ersten Reaktion, mit den ersten Worten, die Weichen richtig stellen kann.
Skandalierungen sind ernst zu nehmen.
Die erste Reaktion ist entscheidend.
Die Grundmuster der Skandale in den Medien sind ähnlich:
- Die Medien stellen den Sachverhalt in einer bestimmten Richtung dar.
- Aus einem Gerücht, wird ein nachvollziehbares BILD entwickelt.
- Emotionen dominieren.
Das Beispiel mit Thomas Borer ging in die Mediengeschichte ein.
Die Story mit der Nacktänzerin eskalierte Schritt für Schritt. Ich zitiere einen Titel:
Was geschah in der Botschaft?
Borer und die nackte Frau
EDA verlangt Stellungnahme.
Der Diplomat machte bei der angehenden Skandalierung genau das, was nach Kurt Imhof von der Uni Zürich nie gemacht werden darf: Sich über die Geschichte sofort auszulassen.
Borer hätte den ganzen Wirbel verhindern können mit der erstenund eindeutigen Antwort:
„Das ist eine private Angelegenheit!“
Wäre nachher dennoch etwas publiziert worden, hätte er dann erfolgreich klagen können.
Imhof wies damals darauf hin:
• Der Skandalierte darf sich nie auf das Medienspiel einlassen.
• Er darf nicht dementieren, wenn es stimmt,
• Er darf den Sachverhalt nicht diskutieren.
• Nach Imhof ist es nachträglich für jeden Befreiungsschlag zu spät.
Ich zitiere den Rat eines Kommunikationsberaters von Thomas Borer (NZZ vom 17. März 1989):
"Liegt jedoch ein schwerer Angriff vor, ist alles abzustreiten oder dann, wenn es gegeben ist, kurz und sofort zu erwidern."
Dies Sicht gilt is völlig überholt. Kurt Imhof lehnte diesen Rat eindeutig ab. Er kommentierte damals:
„Wer dementiert, liefert Zündstoff für die Lügendiskussion und heizt die Sieg-Niederlage Dynamik unnötig an. Das Abstreiten ist ebenso falsch, wie das zu rasche Reagieren.“
Es ist aber zu bedenken:
Die Betroffenen sind bei einer Skandalierung nicht machtlos:
- Der Vorwurf ist umgehend zu klären. Ebenfalls gilt es, nach dem Ueberraschungseffekt, auch DENKzeit
zu gewinnen.
Wenn ein Journalist überfallmässig anruft, sollte
gefragt werden:
- Worum geht es?
- Woher haben Sie diese Information?
- Wer sind Sie? (Telefonnummer notieren, damit geprüft werden kann, ob der Adressat stimmt.)
- Dann erst könnte man sagen: „Ich rufe zurück.“ (Zeitpunk bekannt geben)
Das WICHTIGSTE:
Ruhe bewahren, die Nerven nicht verlieren, Sachverhalte klären, sich mit Vorgesetzten, einer Vertrauensperson oder einem Berater absprechen.
Eine plausible Antwort finden.
Die gravierendsten Fehler:
- Lügen
- Dementieren
- Verdrängen
- Ueberreagieren
- Abtauchen
Mea Culpa als Rettungsring
Mich beeindruckte vor einigen Jahren der Talkshowmoderator Michel Friedman. Er ist der Erfinder der Fernsehverhöre „Vorsicht Friedman“. Nach den vermuteten Verfehlungen des Fernsehmanns wurde er dann selbst hart verhört .
Er geriet in den Verdacht, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Auch soll er unter dem Decknamen „Paolo Pinkel“ bei einem Zuhälterring Prostituierte angefordert haben. Friedman verlor den Job als Moderator und wurde geächtet. Obwohl weder überführt noch verurteilt, musste er sich wochenlang harte Fragen gefallen lassen. Der Verdacht war Grund genug, den mutmasslichen Skandal an prominenter Stelle zu thematisieren. Wie verhielt sich nun dieser Medienprofi in der verzwickten Situation?
Im Tief bereitete er eine Medienkonferenz vor und entschuldigte sich in aller Form für seine Taten.
Seine Devise: In heiklen Situation nie schweigen!
In einer Fernsehsendung wurde er dann erneut hart angepackt. Hier unterstrich er mit engagierter Stimme:
„Ich habe deutlich gesagt: Ich habe Mist gebaut!
Sind wir eigentlich im Mittelalter? Muss ich noch den Kopf aufs Schafott legen? Ich wiederhole ohne Wenn und Aber: Ich habe Fehler begangen und werde dafür bestraft. Genügt das nicht? Ich akzeptiere die Strafe“.
Friedman hatte die Grösse, zu seinen Fehlern zu stehen. Ich zitiere aus rhetorik.ch:
„Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, dass dies nicht mein ganzes Leben war, dass dies nicht der ganze Friedman ist. Ich bitte Sie um eine zweite Chance!"
Vier Monate nach seiner Kokain-Beichte ist Michel Friedman auf dem Bildschirm zurück. Mehr als sechs Millionen Zuschauer sahen ihn am Sonntag als Talkgast bei Sabine Christiansen. Sein "Mea culpa" zahlte sich aus. Der neue Friedman ist optisch ein anderer. Vor der Sendung wirkte er zwar angespannt. Aber im Ton war er milder als früher.
Zahlreiche Fälle von Skandalen habe ich auf rhetorik.ch ausführlich geschildert_
- Die Geschichte mit Jörg Kachelmann (Er wurde der Vergewaltigung beschuldigt)
- Der Fall mit Geri Müller (Nackt-Selfie) und der Skandal mit Jolanda Spiess (K.O. Tropfen Geschichte)
All diese Skandale eskalierten durch ungeschicktes Kommunikationsverhalten der Betroffenen. Die Folgen (Endlosgeschichten) waren somit weitgehend selbstverschuldet. Die Entschädigungen die später entrichtet werden mussten, konnten den angerichteten Schaden nicht mehr wett machen.
AKTUELLER NACHTRAG:
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hat zwar den Lewinsky Skandal erstaunlich gut überstanden. Hillary Clinton stand zu ihrem Mann und ebnete sich dadurch den Weg nach oben. Später versagte sie jedoch immer wieder mit ihrem Kommunikationsverhalten nach Beschuldigungen und Vermutungen.
Heute zeigt sich:
Hillary Clinton fehlt eine eine offene, transparente Kommunikationskultur.
Derzeit haftet ihr das Image einer Vertuscherin an.
Bei der E Mailgeschichte und nach ihren widersprüchlichen Krankheitsbildern kursierten zahlreiche Gerüchte und Verschwörungstheorien.
Der Verzicht auf offene Kommunikation wird ihrer Präsidentschaftskandidatur noch erheblichen Schaden zufügen.
Fazit:
In heiklen Situationen gilt immer:
Zuerst überlegen- dann folgt die Denkpause - hernach das Klären und erst dann die Antwort, die wahr sein muss.
Aber nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden.
Skandal!
Diese Vorfälle erhitzten 2016 die Gemüter
Madonna verärgert Fans
Die «Rebel Heart Tour» durch Australien wird Madonna (58) im März zum Verhängnis. Bei einem Auftritt in Brisbane holt die Pop-Diva während ihrer Show ein 17-jähriges Mädchen auf die Bühne und sagt zum Publikum: «Sie ist so ein Mädchen, dem man einfach nur auf den Arsch hauen möchte.» Dann zieht sie am Top des Mädchens und entblösst ihren Busen.Damit nicht genug. Bei einem Konzert in Melbourne lässt Madonna ihre Fans vier Stunden lang warten und kommt dann als Clown verkleidet auf die Bühne. Sie trinkt Alkohol, weint und lässt dabei alte Bilder ihres Sohnes Rocco projizieren. Und spricht immer wieder davon, wie schwer die Situation für sie sei. Hintergrund ist der Sorgerechtsstreit um ihren 15-jährigen Sohn Rocco, der lieber bei seinem Vater in London als bei ihr in New York leben will.
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«Glanz & Gloria»
Mehr zum Thema heute in «Glanz & Gloria» um 18.40 Uhr auf SRF 1Die Affäre Böhmermann
Im April geht ein Strafantrag gegen den Satiriker und ZDF-Moderator Jan Böhmermann (35) ein. Darin klagt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan (62) wegen Beleidigung. In seinem Gedicht «Schmähkritik», das er seiner satirischen Fernsehshow «Neo Magazin Royale» am 31. März auf ZDF präsentiert hat, hat Böhmermann Erdogan mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren in Verbindung gebracht. Seine Erklärung: Er habe die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter und verbotener Satire deutlich machen wollen.Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt eine Strafuntersuchung zu – und erntet dafür viel Kritik. Im Oktober werden die Ermittlungen gegen Böhmermann eingestellt. Ganz ausgestanden ist die Angelegenheit für den Grimme-Preisträger damit indes nicht: Erdogan will, dass der gesamte Text verboten wird. Im November geht der zivilrechtliche Prozess in Hamburg weiter.
Thomas Gottschalk schiesst gegen ARD
Anfang Juni feiert Showmaster Thomas Gottschalk (66) sein TV-Comeback: Mit der RTL-Show «Mensch Gottschalk – das bewegt Deutschland» meldet er sich zurück. Und sorgt bei der Premiere gleich für einen kleinen Skandal: Er nennt zu Beginn der Sendung den Namen der «Tatort»-Mörderin – die Krimi-Serie läuft zeitgleich auf ARD.«Die Paula wars – die war die Täterin», erklärt er kurz nach Sendebeginn um 20.15 Uhr. Offenkundiger Grund für seinen fiesen Verrat: Angst um seine Zuschauer-Quote. Immerhin gehört die Konkurrenzsendung, der «Tatort», zu den beliebtesten Formaten im deutschen Fernsehen.
Amber Heard zeigt Johnny Depp an
Ebenfalls Anfang Juni erreicht der erste der beiden grossen prominenten Scheidungskriege des Jahres 2016 seinen traurigen Höhepunkt: Amber Heard (30) reicht Anzeige gegen ihren Mann Johnny Depp (53) ein – wegen häuslicher Gewalt.«Jahre der physischen und psychologischen Gewalt» habe sie erdulden müssen. Nach nur 15 Monaten Ehe hatte Heard Ende Mai die Scheidung eingereicht. Die Vorwürfe erhärten sich nicht, die 30-Jährige setzt aber vor Gericht durch, dass Depp von ihr Abstand halten muss.
Melania Trump kopiert Michelle Obama
Am 18. Juli hält Donald Trumps Ehefrau Melania (46) eine glühende Parteitagsrede über Kindeserziehung und moralische Werte. Das Problem: Die fast wortgleiche Rede hat Michelle Obama (52) rund acht Jahre zuvor gehalten.Spott und Häme über das dreiste Plagiat lassen nicht lange auf sich warten. Zumal Melania Trump im Vorfeld betont hat, sie habe ihre Rede «mit so wenig Hilfe wie möglich» geschrieben. Wenige Tage später meldet sich ihre Redenschreiberin zu Wort und gibt zu, einige Passagen aus einer früheren Rede von First Lady Michelle Obama übernommen zu haben.
Angelina Jolie verklagt Brad Pitt
Im September beginnt die zweite grosse Schlammschlacht des Jahres 2016. Angelina Jolie (41) reicht die Scheidung von Brad Pitt (52) ein. Doch damit nicht genug: Sie wirft dem Vater ihrer sechs Kinder körperlichen Missbrauch vor. Konkret: Brad Pitt soll den ältesten Sohn Maddox (15) auf einem Flug mit dem Privatjet geschlagen haben.Die Vorwürfe erhärten sich nicht, Anfang November wird das Verfahren gegen Pitt eingestellt. Doch da ist Jolie längst mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. Trotz Pitts Entlastung bleiben die Kinder in der Obhut der Mutter. Der Schauspieler bekommt lediglich ein Besuchsrecht zugesprochen. Das erste Wiedersehen findet in Begleitung eines Therapeuten statt.
Skandal bei «Happy Day»
Sie gehört seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Sendungen der deutschen Unterhaltungsgeschichte: «Verstehen Sie Spass?» Doch ausgerechnet in der Schweiz wird Mitte Oktober ein Skandal losgetreten: In seiner Samstagabendshow «Happy Day» wird Röbi Koller (58) von TV-Kollegen des ZDF überrumpelt. Ein klischeehaft als Schwarzer geschminkter Guido Cantz tritt als angeblicher Vater eines Gastes auf. Alle sind eingeweiht – bis auf Röbi Koller.Ein geschmackloser Auftritt, so der allgemeine Tenor. In der Folge wird in Deutschland und der Schweiz diskutiert: Darf ein öffentlich-rechtlicher TV-Sender das sogenannte Blackfacing propagieren? Die Empörung ist gross, der SWR verteidigt sich. «Verstehen Sie Spass?» sei nun mal eine Comedy-Sendung. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack.