Sek und Gymi - Zwei unterschiedliche Schulwelten.
Viele Sekschüler haben am Gymi Schwierigkeiten. Jeder Fünfte scheitert während der Probezeit.
Soll nun das Niveau am Gymi angepasst werden indem man weniger verlangt oder müsste nicht die Sekundarschulstufe über die Bücher?
Den Sekundarlehrern darf der schwarze Peter nicht in die Schuhe geschoben werden.
Die Diskrepanz ist verständlich, weil die Sekundarschule zusätzliche Probleme schultern muss (integrativer Unterricht), indem beispielsweise im Französischunterricht die Grammatik eine untergeordnete Rolle spielt und Lernziele zu wenig eingefordert werden müssen.
Wenn Schülerinnen und Schülern auf der Sekundarschulstufe Noten geschönt und hinsichtlich Leistung geschont werden, ist der Konflikt vorprogrammiert,
An der diesjährigen Gymiprüfung entzündete sich ein Konflikt,
der schon lange schwelt: Sek und Gymi stimmen ihre Lehrpläne nicht
aufeinander ab.
Aus Tagi-online
Etliche Jugendliche, die von der Sekundarschule ins Gymi wechseln,
haben dort Schwierigkeiten.
Dieses Jahr stand die Aufnahmeprüfung ans Kurzgymnasium nach der
zweiten oder dritten Sek unter einem besonderen Fokus: Zum ersten Mal
konnten sich die Sekschülerinnen und Sekschüler nicht mehr auf ihre
Vornoten verlassen. Allein das Resultat der Aufnahmeprüfung bestimmte,
wer auf den Sommer hin ans Gymi wechseln darf. Und ausgerechnet dieses
Jahr geriet die Deutschprüfung so schwer, dass die Notenskala deutlich
nach unten korrigiert werden musste.
An sich ist das
kein ungewöhnlicher Vorgang, sondern einer, der den meisten Lehrpersonen
bekannt sein dürfte. Nicht immer ist es im Voraus abschätzbar, ob
Kinder eine Aufgabe lösen können. Auch bei den Gymiprüfungen muss die
Skala in einzelnen Fächern immer mal wieder angepasst werden. Letztes
Jahr etwa enthielt die Mathematikprüfung für die Sechstklässler eine
Aufgabe, welche überdurchschnittlich viele Kinder nicht lösen konnten.
Die Krux mit der Mengenlehre
Trotzdem
hat die diesjährige Prüfung unter Seklehrpersonen für Diskussionen und
Unmut gesorgt. Denn aus Sicht vieler Lehrerinnen und Lehrer ist die
Prüfung ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem. «Der Übertritt ins
Gymi ist unbefriedigend», sagt der Präsident des Seklehrerverbands
SekZH, Kaspar Vogel. «Die Stoffpläne von Sek und Gymi korrespondieren
nicht miteinander. Der Dialog zwischen den Schulstufen klappt schlecht.»
Diesen Eindruck hat auch Lilo Lätzsch, Präsidentin des Zürcher
Lehrerverbands ZLV: «Die Mittelschulen klagen, die Sekschüler hätten
nicht mehr die Kompetenzen, die sie fürs Gymi brauchten – aber sie
kümmern sich nicht darum, was und wie wir an der Sek unterrichten.»
Das
zeige sich nicht nur an der Aufnahmeprüfung, sondern vor allem in der
Probezeit, sagen Lätzsch und Vogel. Etliche Jugendliche, die von der Sek
ins Gymi wechseln, kommen dort schwer ins Schwimmen, weil sie im Gymi
mit Stoff konfrontiert sind, von dem sie in den ersten zwei Sekjahren
nie gehört haben – Stoff, den die Gymilehrer aber als bekannt
voraussetzen, weil er im ersten und zweiten Jahr des Langgymnasiums
behandelt wird.
Brennpunkt ist vor allem die Mathematik. So
gehört Mengenlehre im Langgymnasium zum Schulstoff, in der Sek nicht.
Immer wieder scheitern Schülerinnen und Schüler in der Probezeit an der
Mathe, obwohl sie eigentlich das Potenzial fürs Gymi hätten. «Das macht
auch uns Sorgen», sagt Rolf Bosshard, der Präsident des
Mittelschullehrerverbands. Für ihn ist klar, dass Handlungsbedarf
besteht.
Den Dialog pflegen
Dieser Ansicht sind auch
die Rektoren der Mittelschulen. Cornel Jacquemart, Rektor der
Kantonsschule Büelrain in Winterthur und Präsident der
Schulleiterkonferenz der Zürcher Kantonsschulen, findet das Thema extrem
wichtig: «Wir müssen den Dialog pflegen.» Letztes Jahr versuchte die
Kantonsschule Zürich Nord, das Problem mit freiwilligen Kursen noch vor
Gymibeginn zu lösen – und handelte sich Ärger von allen Seiten ein.
Cornel Jacquemart etwa sagt: «Wir sollten nicht zu Einzelübungen
greifen, sondern das Problem systematisch angehen.»
Wohin die Reise geht, ist offen. Das
sagt Christoph Wittmer, Rektor der Kantonsschule Enge und Delegierter
der Mittelschulen im VSGYM: «Im Moment diskutieren wir die Organisation
und die Aufgaben des Projektes, das die Koordination sicherstellen
soll. Im Sommer werden wir sagen können, wie wir den Dialog aufgleisen
wollen.»
Gemeinsamer Lehrplan?
Einfach dürfte es
nicht sein, eine Lösung zu finden. Klar ist eines: Den Sekundarschulen
sind die Hände punkto Schulstoff mehr gebunden als den Gymnasien. Denn
der Lehrplan der Sekundarschulen ist vom Kanton vorgegeben, und auch
die Lehrmittel dürfen nicht frei gewählt werden. Die Gymnasien hingegen
haben von jeher Lehrmittelfreiheit; die Stoffpläne arbeiten die
Fachschaften selbst aus. Sie müssen aber die übergeordneten Vorgaben
erfüllen, die im Maturitätsanerkennungsreglement festgehalten sind.
Auf
den ersten Blick wäre es am einfachsten, die Gymis würden sich an den
Lehrplan der Sek anpassen. Das wäre im Sinn der Sekundarschulen, und
auch Rektorenpräsident Jacquemart glaubt: «Die Bereitschaft, mindestens
den Schulstoff im ersten Semester des Gymnasiums vermehrt mit der Sek zu
koordinieren, ist da.» Doch es gibt aus Sicht der Gymilehrer Grenzen.
Denn die Kantonsschulen müssen ihrerseits den Anschluss an die
Universitäten sicherstellen. Und an der Lehrmittelfreiheit wollen viele
Gymilehrer festhalten. Enge-Rektor Christoph Wittmer ist überzeugt: «Die
Lehrmittelfreiheit auf gymnasialer Stufe ist ein zentraler Motor eines
guten Unterrichts.» Dieser Meinung ist auch Rolf Bosshard:
«Entscheidender als ein einheitliches Lehrmittel und ein gemeinsamer
Lehrplan ist, dass wir wissen, wie die Alltagspraxis in der Sek
aussieht.» (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 08.04.2015, 23:21 Uhr)
Bildlegende:
Die Universitäten beklagen sich schon länger über
mangelnde Kompetenzen bei Gymi-Schülern.
Keystone
KOMMENTAR: Es wäre völlig falsch, wenn die Mittelschulen sich dem Lehrplan der Sekundarschulstufe anpassen und weniger verlangen würden. Die Kantonsschule müssen den Anschluss an die Universitäten sicherstellen. Die Sekundarschullehrpläne müssten sich deshalb vielmehr den Anforderungen der Mittelschulen angleichen. Der Bund ist auf dem richtigen Weg, wenn er die Matura verschärfen will. Wir benötigen keine Taxifahrer mit Maturität. Es gibt derzeit viel zu viele Lehrstellen und die Verakademisierung führt zu einem Fachkräftemangel. Die Maturität muss aufgewertet werden. Aber auch der Erwerb eines Handwerks.