Business-Sprache: Erst denken, dann reden
Ein Plädoyer wider die Sprache der Verantwortungslosigkeit im Unternehmensalltag
"Vertrauen ist der Anfang von allem", so lautete einst der Slogan der
Deutschen Bank. Heute verbinden wir mit dem Geldhaus den Missbrauch von Vertrauen: Mehr als
6.000 Prozesse weltweit in Sachen Geldwäsche, Steuerkriminalität, Zinsmanipulation.
Strafzahlungen von 2,5 Milliarden Dollar an amerikanische und britische Behörden. Die Skandale
erwuchsen aus einer Melange aus Fehleinschätzungen, Selbstoptimierung und Mitläufertum in den
Führungsetagen. Ähnliche Mechanismen dürften beim Fälschen von Abgaswerten bei Volkswagen
gegriffen haben. Bei den vielen Skandalen, die Siemens in den vergangenen Jahren
erschütterten, war ebenfalls eine Kultur der Verantwortungslosigkeit am Werk, die
Entscheidungen beeinflusste.
Auf welchem Boden die
Kultur des Misstrauens und der Unverbindlichkeit gedeiht, zeigt sich an
der Sprache, die wir in der Wirtschaft verwenden. Wir sind umgeben vom
Bullshit inhaltsleerer Floskeln, geistlose Denglizismen beherrschen
deutsche Unternehmensflure. Es wird "geleveraged", "Value geadded",
"gestreamlined" und "gebrainstormed", was das Zeug hält. Der
"Innovationsapproach", zu dem sich alle "zeitnah committen" mögen, soll
wohl Professionalität suggerieren, ist im Kern aber nichts als heiße
Luft.
Entlarvend für die
Kultur der Verantwortungsdelegation ins Nirgendwo ist der gedankenlose
Gebrauch des Passivs und Konjunktivs: "Man müsste einmal das Marktumfeld
untersuchen …", "Die Preisstrategie im Drittgeschäft sollte angepasst
werden." Wer jetzt? Was? Wie? "Man" und der Infinitiv als Synonym für:
"Keiner ist verantwortlich." Die Bezeichnung von Veränderungsvorhaben
mit dem Begriff "Change Management" spricht für sich: Substantive, kein
Verb, kein Subjekt. Verantwortung für Veränderung wird an einen
"Prozess" delegiert, der quasi von allein läuft. Kein Wunder, dass der
Großteil der Veränderungen nicht zum Ziel führt.
Bei der
Unternehmensleitung ist die Verzweiflung über die "Belegschaft" groß:
"Wir brauchen mehr Flexibilität, mehr Eigenverantwortung", so das
Mantra. Mit der Eigenverantwortung wollen wir es aber nicht übertreiben.
Wir wollen nämlich keine "unkalkulierten Risiken" eingehen. Lassen Sie
sich diese Worte auf der Zunge zergehen: Unternehmertum ohne Gefahren
bitte schön! Die Führungskräfte verwenden viel Zeit darauf, wie sie die
"Mannschaft ins Boot holen", "mitnehmen" oder "abholen". Bei genauerer
Betrachtung heißt das nichts anderes als: "Kommt her, ihr Ahnungslosen.
Wir sind die Kapitäne, die kommandieren. Wir wissen, wo es langgeht. Nur
ein paar Idioten an den Rudern fehlen uns noch. Also rein ins Boot!"
"Abholen": Jemand steht irgendwo dumm rum, der Volksmund sagt: "wie
bestellt und nicht abgeholt". Eigenständiges Denken ist nicht erwünscht.
Solche Floskeln sind Ausdruck größter Geringschätzung gegenüber der
Kraft der Ideen der vielen Mitarbeiter und Ausdruck des Anspruchs
eigener Allwissenheit. Zu tief sitzt in Wahrheit das Misstrauen
gegenüber der angeblich "wichtigsten Ressource", dem "wichtigsten
Asset", "dem Faktor Mensch". Deutlicher könnte die Einstellung zu
Mitarbeitern nicht sein: Assets werden nämlich in der Bilanz aktiviert
und über die Jahre abgeschrieben.
Bei allem Verlangen nach
Unternehmertum stehen Harmonie und "Ruhe im Unternehmen" auf der
Wunschliste der Führungskräfte ganz oben. Soll heißen: "Unruhe" oder
"Sand im Getriebe" – wichtige Antreiber für notwendige Veränderungen –
sind tunlichst zu vermeiden. Doch die "Abteilungen", die Führungskräfte
schaffen, teilen eben auch ab, wie der Name sagt. Und Prozesse
zementieren Abläufe, die morgen schon von der Realität eingeholt werden.
Der viel artikulierte Drang nach dem "Aufbrechen der Silos" wird so
jedenfalls nicht befriedigt.
Dann das von
Halbwissen geprägte Nachplappern von Schlagwörtern, hinter denen alle
herlaufen: "Innovation", "disruptive Veränderung", "digitale
Transformation". Wer weiß eigentlich, was Clayton Christensen meinte,
als er das Wort der Disruption in die betriebswirtschaftliche Diskussion
einführte?
"Wir leben Innovation",
"Wir liefern innovative Kundenlösungen", so heißt es auch oft. Dabei ist
schon der Begriff nicht klar definiert. Die inflationäre Verwendung des
Zauberwortes ist Ausdruck unerfüllter Sehnsucht. Denn alle
Innovationsbemühungen ersticken im Gestrüpp von Hierarchien und
Prozessen, in endlosen Meetings, quälenden Abstimmungsorgien und Kämpfen
an "Schnittstellen". Wir müssen "schneller werden", unsere "Prozesse
verschlanken", kurzum: "Wir brauchen einen Start-up-Spirit!" So halten Führungskräfte
verzweifelt dagegen. Was für ein Bullshit! Als ob sich bestehende
Organisationen in Start-ups verwandeln ließen. Und "Unternehmer im
Unternehmen" haben zu wollen ist schlichtweg eine Illusion. Angestellte
sind keine Unternehmer, sonst hätten sie ein Unternehmen gegründet. Eher
müsste man Schnittstellen zu Nahtstellen machen und neue Formen der
Zusammenarbeit ausprobieren.
Um den Kunden geht es bei alledem als Letztes. Dass es aber auch
anders geht, beweist mancher in Familienbesitz befindliche
Mittelständler, der von "langfristigem Erfolg" und dem Wert "stabiler
Kundenbeziehungen" spricht statt vom
"short-term profit".
Sprache ist der
Spiegel der Seele. Wenn im Innern eine Sprache der Verantwortungs- und
Gedankenlosigkeit und des Misstrauens vorherrscht, ist die Grenze zu
betriebswirtschaftlich, ethisch und rechtlich schädlichem Handeln
gefährlich nah.
KOMMENTAR: Im Nebel des Bullshits der Business Rhetorik flehen verständliche klare Worte. Mir fällt in Seminaren auf, dass junge Manager sehr schnell die Worthülsen und Dengliszismen der älteren Manager übernehmen. Wer einfach und verständlich spricht, fühlt sich rasch als Aussenseiter und muss das Gefühl haben, er sei weniger kompetent.
Wohlverstanden: Ich habe nichts gegen eine Fachsprache als Insidersprache unter Spezialisten.
Bei gemischtem Publikum hingegen müssen Fachbegriffe übersetzt werden. Es ist ein Irrglaube, Fachsprache signalisiere Kompetenz, Businessbegriffe würden Aussagen versachlichen und sie sei in Meetings erwünscht.
Im Gegenteil: Geistlose Denglizismen müssten hinterfragt werden, zumal sich das alberne Vokabular immer mehr in den Unternehmensfluren einnistet und konkrete Antworten verunmöglichen. Ich empfehle als Lekture: Walter Nash "Jargon- Its uses and abuses"(Blackwell, Publishers, 1992)
Wir sollten Business - Sprech und Gender - Sprech viel kritischer und genauer unter die Lupe nehmen.