(Ich zitiere aus dem SPIEGEL)
Eine Lehrerin schreibt:
Mein Nettsein sah so aus, dass ich mich in den ersten Stunden im Referendariat gar nicht durchsetzen konnte. Ich schaute zu, wie die Schüler permanent miteinander redeten. Ich kam damals gar nicht auf die Idee, dass ich Schüler auseinander setzen könnte.
Weil ich nichts gegen die störenden Unterhaltungen unternahm, fingen andere Schüler auch an zu quatschen. Denn die Klasse sah ja, dass ich das Quatschen im Unterricht nicht sanktionierte. Ich tat auch nichts dagegen, wenn sie ihr Essen rausholten oder sonst wie störten. Wenn sie aufstanden, um etwas in den Papierkorb zu schmeißen, sagte ich vielleicht: "Das hättest du auch am Ende der Stunde machen können."
Es wurde immer chaotischer in meinem Unterricht.
Und zwar nicht, weil ich das gut fand. Zum einen lag es daran, dass ich nicht meckern wollte, zum anderen aber auch, dass ich gar nicht wusste, was ich gegen Störungen machen sollte.
Ich sagte Sachen wie:
"Seid doch bitte mal kurz ruhig, ich will euch die Aufgabe erklären."
"Kannst du bitte kurz aufhören zu quatschen? Die anderen können gar nicht hören, was ich hier vorne erkläre."
"Okay, dann geh schnell auf die Toilette, aber nächstes Mal bitte in der Pause."Nach außen hin blieb ich ruhig, obwohl ich innerlich kochte. Jede Stunde wurde ich wütender. Warum stören die permanent den Unterricht? Ich bin doch nett. Warum machen die trotzdem nicht, was ich will? Dann fingen die Schüler an, so Sachen zu sagen wie "Sie müssen strenger sein!" oder "Sie sind viel zu nett". Ich verstand die Welt nicht mehr. Wollten die Schüler etwa, dass ich sie anmeckere und ihnen Strafarbeiten aufgebe?
Es wurde immer schlimmer. Irgendwann konnte ich nicht mehr und schrie die Klasse an. Ich schrie und drohte und fühlte mich dabei total schlecht. Werde ich jetzt so eine Lehrerin, die immer schreien muss?
"Warte noch drei Wochen, dann zeigt sie ihr wahres Gesicht."
War das mein wahres Gesicht? Die meckernde, rumschreiende Lehrerin? Damals habe ich nicht verstanden, dass die Schüler wollten, dass ich mich durchsetze und der Chef im Unterricht bin.
"Sie müssen strenger sein" heißt nichts anderes, als konsequent zu sein. Wenn einer quatscht, dann unterbinde das! Wenn du etwas androhst, dann musst du das auch durchsetzen!
KOMMENTAR:
Ich gab vor dem Zusatzstudium auch Unterricht auf der Sekundarschulstufe. Auch mich beschäftigte die Frage:
Wie kann man störungsfrei lehren und lernen? Mit folgendem Vorgehen hatte ich am meisten Erfolg:
Ich sagte der Klasse am Anfang. Bei mir gibt es noch keine Hausordnung. Falls notwendig, werde ich erst bei Bedarf eine Regel einführen, die dann aber auch eingehalten werden muss. Tatsächlich zeigte sich nach einigen Tagen, dass oft viele störenden Quergespräche gab, wenn jemand etwas erklärte. Nun wurde erstmals eine Regel aufgestellt.
Ich schrieb diese Regel oben auf ein leeres Merkblatt an der Wand:
1. Regel: "Wenn eine Person spricht, hören die anderen zu."
Es brauchte dann eine geraume Zeit, bis sich diese Spielregel durchgesetzt hatte und diese neue Lernkultur verankert werden konnte.
Doch nach wenigen Wochen hatten sich alle ans Zuhören gewöhnt.
Analog wurden später schrittweise weitere Regeln etabliert, wie
beispielsweise.
Die Regel: "Pünktlichkeit ist eine Selbstverständlichkeit."
Dank des konsequenten Durchsetzens weniger Vereinbarungen konnte viel stressfreier und angenehmer gearbeitet werden.