Unbezahlte Praktika, die länger als vier Wochen dauern, sollen verboten
werden und Praktikanten den landesüblichen Mindestlohn erhalten. So
lauten die aktuellen Forderungen der britischen Labour-Partei.
Ähnliche
Bestimmungen fehlen auch in der Schweiz. Immer wieder und schon lange
ist die Rede von der «Generation Praktikum»: Gemeint sind
Hochschulabgänger und Uniabsolventen, die sich von einer
Praktikumsstelle zur nächsten hangeln, unterbezahlt und
überqualifiziert.
Privileg Praktikum
Unternehmen
hingegen preisen ein ausgeschriebenes Praktikum etwa als «einzigartige
Chance» an: Um «wertvolle Einblicke» und «wichtige Erfahrungen» wird der
Bewerber im Nachhinein reicher sein, wie es zum Beispiel im
Stellenbeschrieb heisst. Andere Praktika kann man gewinnen, etwa, wenn
man in einem Wettbewerb als besonders talentiert heraussticht.
Die
Möglichkeit, während einiger Monate einen Betrieb kennen zu lernen, ist
ein grosses Privileg, so die Botschaft. Was die Verfasser der Angebote
aber oftmals verschweigen und stattdessen mit zynisch anmutenden
Formulierungen schönreden, ist: Junge Leute leisten im Rahmen eines
Praktikums nicht selten überdurchschnittlich viel im Verhältnis zu ihrem
sehr geringen Lohn. «Gerade im Bereich der Sozialarbeit, etwa in Kitas,
gibt es viele Fälle von jungen Leuten, die auf eine Lehrstelle hoffen
und stattdessen ein bis zwei Jahre als Praktikanten arbeiten», sagt
Véronique Polito, Zentralsekretärin beim Schweizerischen
Gewerkschaftsbund. «Sie verdienen dort manchmal knapp 400 Franken im
Monat, machen aber denselben Job wie eine festangestellte Person.»
Ausbildung als Ziel
Spricht
man von Praktikumsstellen, gilt es zu unterscheiden zwischen jenen, die
im Rahmen eines Bildungsganges geleistet werden, und solchen, die der
freie Markt anbietet. «Das Ziel eines Praktikums sollte klar die
Ausbildung sein», sagt Polito. «Wir beobachten aber, wie sich der Fokus
davon wegbewegt.» Eine Folge davon sind Fälle von Lohndumping: «In Genf
stellte eine NGO-Firma fast nur Praktikanten an. Diese arbeiteten unter
prekären Lohnbedingungen, machten aber die Arbeit von normalen
Angestellten.»
Der Arbeitsmarkt profitiere vor allem von Leuten,
die sich lange in einer Ausbildung befinden, etwa Studenten. «Diese
sammeln oft schon während ihres Studiums Berufserfahrung. Nach ihrem
Abschluss müssen sie aber schon wieder ein Praktikum leisten. Denn die
Anforderungen auf dem Berufsmarkt sind gestiegen, es wird heute
allgemein mehr Erfahrung verlangt.»
Schwierigkeiten bei der Stellensuche
Der
prozentuale Anteil von Uniabsolventen, die ein Jahr nach ihrem
Abschluss als Praktikanten arbeiten, nimmt laut einer Erhebung des
Bundesamts für Statistik stetig leicht zu. Markanter angestiegen ist der
Anteil von Studienabgängern, die auf Stellensuche nach eigener
Einschätzung auf Schwierigkeiten gestossen sind.
Diese Entwicklung bestätigt auch das Berufseinstiegsbarometer der
Universität Zürich: Berufseinsteiger seien heute vermehrt gefährdet,
arbeitslos zu werden, da sich die Jobsuche für sie als schwierig
erweist, heisst es da. Also greift man auf Praktikumsstellen zurück.
Besser als nichts.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
KOMMENTAR:
Für Akademiker, die keine Stelle finden, ist das Praktikum eine gute Lösung, praktische Erfahrung zu sammeln. Verschiedene Jugendliche, die ich beraten durfte, hatten sogar dank solcher Praktika eine definitive Stelle bekommen. Die Firma hatte den Praktikanten während seiner Tätigkeit eingehender kennengelernt und erkannt, welche Qualitäten in ihm stecken und gesehen, dass sie diese Stärken für sich nutzen können.
Mit einem vorgeschriebenen Lohn verbaut die Gewerkschaft vielen Stellensuchenden eine wertvolle Chance, selbst den Weg zur eigenen Karriere zu pflastern.
Was die Gewerkschaften zudem vergessen:
Nicht nur der Arbeitsmarkt profitiert von Studierenden. Auch die Studierenden profitieren von den angebotenen Praktika.